Verschwörungstheorien und GepöbelViktor Orbán schwärmt von Trump, lobt Merkel – und ätzt gegen „buntes“ Deutschland

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Der ehemalige US-Präsident Donald Trump zusammen mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán im März in Washington.

Der ehemalige US-Präsident Donald Trump zusammen mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán im März in Washington.

Ungarn übernimmt die EU-Ratspräsidentschaft – und Viktor Orbán teilt mächtig aus. Bei Trump und Putin ist der Ungar zahmer. 

Kurz vor dem Beginn der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft hat sich der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán für Verhandlungen im Ukraine-Krieg ausgesprochen. Er hoffe dabei vor allem auf den möglicherweise neuen US-Präsidenten Donald Trump, von dem er zu „101 Prozent“ überzeugt sei, sagte Orbán den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vom Sonntag. „Der US-Präsident ist der einzige Mensch des Universums, der die entscheidenden beiden Anrufe in Kiew und Moskau machen könnte“, fügte Orbán hinzu.

Es sei klar, dass der Angriff Russlands auf die Ukraine „völlig inakzeptabel“ sei und die Grundsätze der internationalen Beziehungen verletzt habe. „Aber mir geht es nicht um die Interessen der Ukraine oder Russlands, ich will vor allem, dass der Krieg beendet wird und es einen Waffenstillstand gibt“, sagte der ungarische Regierungschef. „Am Ende geht es ja um eine neue europäische Sicherheitsarchitektur, in der wir friedlich leben können.“

Viktor Orbán „geht es nicht um die Interessen der Ukraine oder Russlands“

Ob die Ukraine dafür wie von Russland gefordert auf besetzte Gebiete verzichten solle, ließ er offen. „Wir wissen gar nicht genau, was die russische Reaktion wäre, wenn die Führung der USA sagen würde: Hört zu, wir stoppen morgen früh das Töten und verhandeln“, erklärte Orbán.

Orbán erklärte zudem, er sei sich sicher, dass „wir jetzt keinen Krieg hätten, wenn Angela Merkel noch Kanzlerin wäre“. „Sie hätte das getan, was sie schon nach der russischen Besetzung der Krim getan hat: Den Konflikt isolieren, nicht internationalisieren.“ An Deutschland lässt Orbán unterdessen kaum ein gutes Haar.

Viktor Orbán lobt Angela Merkel – und schießt scharf gegen Deutschland

Deutschland sehe heute nicht mehr so aus wie vor zehn Jahren, sagte Orbán am Freitag anlässlich seines Besuchs in Berlin beim staatlichen ungarischen Radiosender Kossuth. „Es schmeckt nicht mehr wie früher, es riecht nicht mehr wie früher, dieses ganze Deutschland ist nicht mehr das Deutschland, das unsere Großeltern und Eltern uns als Beispiel genannt haben.“

Ein Anhänger von Viktor Orbán und Donald Trump läuft durch die ungarische Hauptstadt Budapest. (Archivbild)

Ein Anhänger von Viktor Orbán und Donald Trump läuft durch die ungarische Hauptstadt Budapest. (Archivbild)

Das Land sei nun „eine bunte, veränderte multikulturelle Welt“, in der Migranten „nicht länger Gäste“ seien, erklärte Orbán und lieferte schließlich lupenreine rechtsextreme und antisemitische Verschwörungstheorien von einem „Bevölkerungsaustausch“ in Europa, der vom ungarischstämmigen US-Milliardär George Soros vorangetrieben werde.

Viktor Orbán lobt Donald Trump als „Mann des Friedens“

Ex-US-Präsident Donald Trump bezeichnete Orbán unterdessen als „Mann des Friedens“, der „keinen einzigen Krieg“ begonnen habe. Europa brauche Politiker vom Typ Trump, „Personen, die das System aufschütteln“, fügte Orbán hinzu. Es ist nicht das erste Mal, dass Orbán sich lobpreisend über den ehemaligen US-Präsidenten äußert, der den Ungarn seinerseits ebenfalls bereits mit warmen Worten bedacht hat.

Im März war Orbán in die USA gereist, um Trump zu treffen. Eine Zusammenkunft mit dem amtierenden US-Präsidenten Joe Biden gab es damals nicht. Nach dem Treffen mit dem Republikaner hatte Orbán sich auch dazu geäußert, wie Trumps „Friedensplan“ für die Ukraine aussehe.

Viktor Orbán: Engster Verbündeter von Wladimir Putin in der EU

„Trump wird keinen Cent geben“, erklärte der Ungar. „Deshalb wird der Krieg enden, denn es ist offensichtlich, dass die Ukraine nicht auf eigenen Füßen stehen kann“, führte er im März aus. „Allein können die Europäer diesen Krieg nicht finanzieren, dann ist der Krieg vorbei.“ Demnach käme Trumps „Friedensplan“ schlichtweg der Niederlage der Ukraine gleich. 

Ein Demonstrant hält in Warschau ein Bild von Kremlchef Wladimir Putin und dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán in die Luft, beide Staatschef tragen darauf Clownsnasen. (Archivbild)

Ein Demonstrant hält in Warschau ein Bild von Kremlchef Wladimir Putin und dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán in die Luft, beide Staatschef tragen darauf Clownsnasen. (Archivbild)

Auch was die Haltung gegenüber Wladimir Putin angeht, gibt es Übereinstimmungen zwischen Orbán und Trump. Während Trump den Kremlchef mehrfach lobte, gilt Orbán innerhalb der EU als engster Verbündeter des russischen Präsidenten. Die Sanktionen des Westens gegen Moskau wegen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine trägt er nur halbherzig mit. Sanktionsbeschlüsse der EU verwässerte der Ungar regelmäßig mit Veto-Drohungen und blockierte milliardenschwere Militärhilfen für die Ukraine.

Ist Viktor Orbán ein „Komplize“ von Wladimir Putin?

Julia Nawalnaja, Witwe des gestorbenen Kremlkritikers Alexej Nawalny, hatte Orbán bereits im März direkt als „Komplizen“ von Putin bezeichnet, der Kremlchef habe neben dem Ungarn jedoch noch weitere Unterstützer in Europa, warnte Nawalnaja. Auch der Russland-Experte Matthäus Wehowski sieht Orbán als Regierungschef, der die Gunst des Kremls genießt. Moskaus Ziel sei es, die demokratischen Regierungschefs in Europa „im besten Fall durch Leute wie Orbán zu ersetzen, die sich relativ leicht durch Geld korrumpieren und kontrollieren lassen“, warnte der Historiker im Gespräch mit dieser Zeitung.

Den russlandfreundlichen Kurs scheint Orbán mit Beginn der EU-Ratspräsidentschaft Ungarns nun noch verschärfen zu wollen. „Die EVP, die Linken und die Liberalen haben sich darauf geeinigt, im Europaparlament eine kriegsfreundliche Koalition unter Führung von Manfred Weber zu bilden“, schrieb der Ungar am Montag im sozialen Netzwerk X (vormals Twitter). „Das ist nicht das, wofür die europäischen Bürger am 9. Juni gestimmt haben!“

Ungarn übernimmt EU-Ratspräsidentschaft: „Make Europe great again“

Orbán hatte die sich abzeichnende neue Führung der Europäischen Union (EU) unter einer erneuten Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bereits zuvor hart attackiert. Weber, Fraktionschef der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) habe beim Schmieden der Koalition „die Rolle des Beelzebubs“ gespielt, erklärte Orban. Weber sei ein „alter Feind und Übeltäter Ungarns“, führte er aus. Von der Leyen sei „lediglich eine kleine Ministrantin“, polterte Orbán weiter.

Auch beim Motto für die am 1. Juli turnusgemäß für sechs Monate andauernde Ratspräsidentschaft zeigte Orbán deutlich, wo es politisch unter Ungarns Führung lang gehen soll. Es lautet: „Make Europe great again“. (mit afp/dpa)

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