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Hamas-Angriffe auf IsraelVolker Beck: „Deutschland ist zumindest nicht unschuldig am Konflikt“

Lesezeit 7 Minuten
Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, fordert eine klare Haltung der Bundesregierung zum Konflikt zwischen Palästinensern und Israel. Es brauche glaubhafte Abschreckung.

Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, fordert eine klare Haltung der Bundesregierung zum Konflikt zwischen Palästinensern und Israel. Es brauche glaubhafte Abschreckung.

Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, fordert eine glaubhafte Reaktion nach den Angriffen der Hamas-Terroristen.

Herr Beck, die Bundesregierung und die Vorsitzenden der demokratischen Parteien in Deutschland haben Israel der Solidarität Deutschlands versichert. Die Sicherheit Israels sei „deutsche Staatsräson“. Das sagt sich leicht. Was muss aus Ihrer Sicht daraus folgen?

Die Amerikaner haben ein Kriegsschiff näher an die israelische Küste verlegt und Munition angeboten. Es stünde auch der Bundesregierung gut an, ihre vollmundigen Erklärungen zu konkretisieren.

Mit militärischer Hilfe?

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Statt nur Israel-Fahnen zu hissen oder Flugzeuge mit blauer und weißer Folie zu bekleben, sollte man schon fragen, ob und welche Hilfe von Israel konkret gebraucht und gewünscht wird. Und die Bundesregierung sollte im Verbund mit den USA deutlich machen, dass ein Angriff von dritter Seite nicht Israel allein gilt. Das ist auch eine Frage glaubwürdiger Abschreckung.

Volker Beck zu Israel: Zahlungen an Palästina müssen streng kontrolliert werden

Welche weiteren Schritte halten Sie nach dem Angriff der Hamas auf Israel vonseiten Deutschlands für nötig?

Die Bundesregierung und die EU haben ja die Finanzhilfen für die palästinensischen Gebiete vorübergehend ausgesetzt. Es reicht aber nicht, Zahlungen an die Autonomiebehörde, das UN-Hilfswerk UNRWA und Organisationen der Zivilgesellschaft einzufrieren. Künftig müssen sie, wenn nicht ganz eingestellt, dann doch streng konditioniert und kontrolliert werden. Mit deutschem Geld zahlt die Autonomiebehörde Terror-Renten. In Schulen und Schulbüchern, auch mit deutschem Geld erstellt, wurde jener Hass gesät, dessen Frucht Israel jetzt zu erleiden hat. Damit muss ein für alle Mal Schluss sein.

Sie sagen, daran hat Deutschland mitgewirkt?

Wir sind zumindest nicht unschuldig, weil wir gezahlt und nicht so genau hingeschaut haben. Damit muss Schluss sein. In Deutschland muss jeder Empfänger öffentlicher Zuwendungen alle möglichen Auflagen erfüllen. Ich verstehe nicht, warum nicht mindestens dieselben Standards gelten für Geld, das wir nach Palästina geben.

Mit diesem Geld wird humanitäre Hilfe geleistet, die der Zivilbevölkerung zugutekommen soll. Trifft man dann nicht die Falschen, wenn man hier den Geldhahn zudreht?

Man trifft auch die Falschen, wenn man das Geld weiterhin unkonditioniert ausschüttet. Ich sage nicht, wir sollen die Menschen in den Autonomiegebieten im Stich lassen. Aber es darf keine Unterstützung für Antisemitismus, Terror oder anti-israelische Vernichtungsfantasien geben. Genauso unverständlich ist mir, dass in Teilen der Bundesregierung überhaupt nur erwogen wird, Gruppierungen zu finanzieren, die in Israel als Terror-Organisationen eingestuft sind. Es wäre jetzt im Gegenteil auch die Zeit für sofortige Verbote der Vorfeldorganisationen der palästinensischen Terrorgruppierungen bei uns.

Wie sollten die Behörden auf anti-israelische Demos und Solidaritätsbekundungen mit dem Hamas-Terror auf deutschen Straßen reagieren? Man kann ja nicht alle Demonstrierenden festnehmen.

Auf jeden Fall kann man gegen die Organisatoren von Kundgebungen vorgehen, die diesen Terror gutheißen und verherrlichen. Die hier besonders aktiven Gruppen wie Samidoun sind den deutschen Behörden bestens bekannt. Sie gehören umgehend verboten. Demonstrationsfreiheit gilt nicht für Aufrufe zu und Billigung von Mord.

Volker Beck kritisiert israelischen Historiker Moshe Zimmermann scharf

In der ARD hat der israelische Historiker Moshe Zimmermann…

… Eine Frechheit, ausgerechnet ihn einzuladen. Zimmermanns Kollege Michael Wolffsohn sagt dazu: „Es entspricht der juden- und israelpolitischen Methode in Deutschland: Kritik an Juden und Israel lässt man risikolos am besten von Israelis oder anderen Juden vortragen.“

Anhören wird man ihn aber doch dürfen. Also, Zimmermanns These lautet: Die israelischen Regierungen hätten durch eine falsche, völkerrechtswidrige Siedlungspolitik und ständige Provokationen das Ihre dazu beigetragen, dass es zu keinem friedlichen Ausgleich zwischen Israel und den Palästinensern kommt. Können Sie dem etwas abgewinnen, gerade auch im Hinblick auf den aktuellen Ausbruch der Gewalt?

Nein, das ist Quatsch. Der Iran will die Annäherung zwischen Riad und Jerusalem stören. Im Übrigen: Die Gewalt kommt aus dem Gazastreifen. Da gibt es aber keine einzige israelische Siedlung – und demnach auch keinen direkten Zusammenhang. Auch ich bin dafür, dass man für das Westjordanland und Gaza einvernehmliche Lösungen findet. Und ja, auf israelischer Seite fehlte es bei der jetzigen Regierung an entsprechenden Signalen. Aber auf palästinensischer Seite ist seit Jahrzehnten niemand in Sicht, der zu einer Einigung mit Israel willens und bereit wäre, welche Israelis und Palästinensern eine gute Zukunft in Sicherheit garantiert. Die aktuellen Führungen in Gaza und Ramallah sind Profiteure des Konflikts und seiner Korruptionsökonomie, die mit Geld aus dem Ausland am Leben gehalten wird.

Sie haben mit Blick auf die israelische Innenpolitik selbst beklagt, dass die geplante Justizreform der Regierung Netanjahu die Demokratie gefährdet und die Gesellschaft spaltet. Der Angriff der Hamas führt jetzt zum Schulterschluss aller politischen Kräfte und macht die inneren Auseinandersetzungen fürs Erste vergessen. Dann wäre die Hamas ungewollt Helfershelferin der Regierung in Jerusalem?

Tatsächlich spielt innenpolitischer Streit in Israel gerade keine Rolle. Die Demokratiebewegung hat noch am Samstag alle Veranstaltungen abgesagt, führende Oppositionelle haben sich demonstrativ zum Dienst in der Armee gemeldet. Das ist auch, wenn Sie mich fragen, alternativlos. Alle Fragen, die sich an die Innenpolitik der Regierung stellen, werden erst wieder aufgegriffen und geklärt werden, wenn Israel diesen Krieg gewonnen haben wird. Der Hamas ist die Demokratie in Israel herzlich egal. Sie will, gesteuert von Iran, verhindern, dass die Normalisierungsbemühungen im Verhältnis Israels zu Saudi Arabien zu einem Erfolg kommen. Dafür ist sie bereit, das Leben unzähliger Menschen zu opfern, auch auf der eigenen Seite.

Volker Beck: Iran-Politik der Regierungen Merkel und Scholz ist gescheitert

Sie sprechen die Rolle Irans an. Wie könnte Deutschland hierauf Einfluss nehmen?

Die Iran-Politik der amtierenden Bundesregierung wie auch der Vorgänger-Regierungen unter Kanzlerin Angela Merkel ist gescheitert. Das Nuklear-Abkommen mit Iran sieht das Aufleben von Sanktionen, den sogenannten Snapback-Mechanismus, vor, wenn Iran seine Verpflichtungen aus diesem Vertrag nicht erfüllt. Und wieder: Ich verstehe nicht, warum man die Mechanismen eines Vertrags, den man selber mitbeschlossen, nicht in Kraft setzt. Oder warum man weiterhin bei einem Terrorregime ein Auge zudrückt.

Eine militärische Auseinandersetzung mit der Hisbollah wäre für Israel von einer ganz anderen Dimension – nämlich existenziell.
Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft

Was meinen Sie damit?

Die iranischen Revolutionsgarden stehen immer noch nicht auf der EU-Terrorliste. Da zögert man im Außenministerium am Werderschen Markt in Berlin nach wie vor gewaltig.

Die von Iran gesteuerte und finanzierte Hisbollah im Libanon hat nach den Angriff der Hamas auf Israel mit vereinzeltem Raketenbeschuss bisher eher symbolisch flankiert. Für wie groß halten Sie die Gefahr einer Eskalation von dieser Seite?

Eine militärische Auseinandersetzung mit der Hisbollah wäre für Israel von einer ganz anderen Dimension – nämlich existenziell. Das könnte Menschenleben in einem unvorstellbaren Ausmaß fordern und muss dringend abgewendet werden.

Wie könnte das erreicht werden?

Es muss daher alles getan werden, was auf die Verantwortlichen im Libanon mäßigend wirkt und die Hisbollah dazu bringt, die Füße stillzuhalten. Ich setze insofern auf die Macht der Diplomatie, als sie Kanäle zu gesprächsbereiten, einsichtigen Kräften eröffnen und den Dialog im Fluss halten kann. Doch die Sprache der Diplomatie muss auch unmissverständlich sein. Die Völkergemeinschaft muss klarmachen, dass sie die Konfliktpolitik Irans nicht hinzunehmen bereit ist. Und Deutschland muss klarmachen, dass wir ohne Wenn und Aber auf der Seite Israels und seiner Freunde stehen. Und das nicht nur auf dem Papier.


Zur Person

Volker Beck, geb. 1960, ist seit 2022 Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. Für die Kölner Grünen saß er von 1994 bis 2017 im Bundestag. Dort war er von 2002 bis 2013 Fraktionsgeschäftsführer. In seiner Zeit als Abgeordneter war Beck auch Sprecher seiner Fraktion für Innen-, Rechts-, Migrations- und Religionspolitik. Er trieb wesentlich die rechtliche Gleichstellung homosexueller Partnerschaften mit der Verbindung von Mann und Frau voran. Von 2014 bis 2017 war er auch Vorsitzender der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe.

Nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag übernahm Beck einen Lehrauftrag am Centrum für Religionswissenschaftliche Studien der Ruhr-Universität Bochum. Er gründete das vom Innenministerium geförderte Tikvah-Institut zur wissenschaftlichen Bekämpfung des Antisemitismus. Der Zentralrat der Juden in Deutschland verlieh Beck im Jahr 2015 den Leo-Baeck-Preis unter anderem wegen seines Engagements für die Entschädigung der früheren NS-Zwangsarbeiter und Renten an Juden in Osteuropa. (jf)