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Kommentar

„Übergangkoalition nach der Ära Merkel“
Warum ein Ampel-Aus gut, aber gefährlich wäre

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Lesezeit 3 Minuten
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, l-r), Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, und Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen, verlassen die Pressekonferenz zum Haushaltsplan 2025.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, l-r), Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, und Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen, verlassen die Pressekonferenz zum Haushaltsplan 2025. (Archivbild)

Grünen-Chef Nouripour nennt sie eine „Übergangskoalition“, FDP-Chef Lindner hält bis zum Verrat der Ukraine an der Schuldenbremse fest, der Kanzler bindet das Bündnis nicht mehr zusammen.

Wäre das Land wie der Stoppelmarkt in Vechta, flögen dem Kanzler nun die Herzen zu. Beim Volksfest in Niedersachsen gab es Applaus für den Gastredner Olaf Scholz, der trotz der Krise in seiner Koalition überraschend humorvoll und versöhnlich auftrat und aller Schwarzmalerei Zuversicht entgegenhielt.

Es stimmt ja auch, dass seine Regierung die Schlussphase der Corona-Pandemie gut bewältigt und das Land bisher sicher durch die dramatischen Auswirkungen von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine manövriert hat. Letzteres ist die größte akute Herausforderung für eine Bundesregierung seit Jahrzehnten. Nur ist das Land kein Bierzelt und der Kanzler hat schon lange nicht mehr die Deutungshoheit. Er hält nur noch mit größter Kraftanstrengung ein Bündnis zusammen, das in Wahrheit nichts mehr miteinander verbindet.

Ampel-Regierung sendet fatales Signal: Kiew zweifelt öffentlich an Deutschland

Es war fahrlässig, die Last-Minute-Haushaltseinigung samt 12-Milliarden-Euro-Lücke am Freitag mit einer technokratischen Pressemitteilung abzuhandeln und Interpretationen über das Wochenende freien Lauf zu lassen.

Herausgekommen sind das fatale Signal, dass die Koalition auf Geheiß von Finanzminister Christian Lindner der Ukraine erst einmal den Geldhahn zudrehen wolle, sowie am Montag die Versicherung der Regierung, die Ukraine werde sehr wohl so lange wie nötig Unterstützung bekommen. Inzwischen hat Kiew öffentlich an Deutschland gezweifelt, halb Europa die eigenen Ukraine-Hilfen kritisch überschlagen, Moskau frohlockt und die Ampel sich weiter ins Aus geredet.

FDP-Chef Lindner treibt SPD und Grüne mit seinem Beharren auf der Schuldenbremse vor sich her. Ginge es nach ihm, müsste Kiew wohl leider eher russisch werden, als zusätzlichen Nachschub an Militärgerät aus Deutschland zu bekommen. Das riecht nicht nur nach Verrat an der Ukraine, sondern auch an der Demokratie in Europa. Interessant übrigens, dass die Etats aller vier FDP-geführten Ministerien steigen.

Man kann diese Koalition aber nicht kleiner machen, als es Grünen-Chef Omid Nouripour getan hat. Dass die Union ihre Oppositionszeit als nötigen Übergang zwischen 16 Jahren Kanzlerin Angela Merkel und einem neuen Anlauf zur Macht rechtfertigt, ist noch nachvollziehbar.

Dass aber eine Regierungspartei nur noch von einer „Übergangkoalition nach der Ära Merkel“ spricht, ist kaum zu unterbieten. Was heißt das? Die Ampel hält die Stellung, bis sich die Union berappelt hat? Wie lange dauert so ein Übergang? Die volle Legislaturperiode oder nur noch bis September, wenn die Ampelparteien in Sachsen, Thüringen und Brandenburg bei den Landtagwahlen die Quittung bekommen?

Von dieser Ampel ist bis zum regulären Wahltermin im Herbst 2025 nichts mehr zu erwarten. Ein vorzeitiger Bruch wäre gut und höchstens das berühmte Ende mit Schrecken. Doch das Erstarken von BSW und AfD ist der Schrecken ohne Ende. Und daran versündigt sich die Ampel gerade in Eintracht.