Der Besuch im Gästehaus der Bundesregierung stand unter dem Thema Gemeinsamkeiten. Unterschiede werden dennoch sichtbar, auch wenn man genau hinschauen muss.
„Wir einigen uns immer“Scholz und Macron geben sich in Meseberg ungewohnt vertraut
Mittendrin in der Pressekonferenz legt Olaf Scholz Emmanuel Macron die Hand auf die Schulter. Am Ende von drei Tagen Staatsbesuch ist er bei Scholz angekommen, im Gästehaus der Bundesregierung in Meseberg. Sie sind schon ein bisschen durch den Garten flaniert, Scholz hatte sein Gute-Laune-Gesicht aufgesetzt. Und jetzt, vor den Mikrophonen, wird er emotional. Es hat eine Frage nach dem Gaza-Krieg gegeben, auch nach einer möglichen Lösung.
Scholz zählt die Forderungen der Bundesregierung und der EU auf – Geiselfreilassung, humanitäre Hilfe, Stopp der Gewalt. Und dann verweist er auf die Zwei-Staaten-Lösung, Israel und Palästina nebeneinander, die die israelische Regierung so vehement ablehnt. „Es muss eine Perspektive geben“, sagt Scholz. „Es geht immer auch um die Hoffnung, sich selber regieren zu können. Diese Hoffnung ist doch so wichtig.“
Deutsch-französische Krise im Moment wie weggewischt
In Europa habe man dies immer wieder gesehen: Portugal, Spanien und Griechenland hätten mit dieser Hoffnung ihre Diktaturen abgeschüttelt. Viele Länder Europas hätten es geschafft, hinter dem „Eisernen Vorhang“ aufzutauchen. Und dann seien da auch Deutschland und Frankreich. „Nach vielen Jahrzehnten Krieg, nach Millionen Toten, nach all den Zerstörungen ist eine Freundschaft möglich gewesen“, sagt Scholz. „Sie ist sogar kurze Zeit nach einem furchtbaren Krieg möglich gewesen. Wir haben es bewiesen.“ Es sei ein Beispiel, wie es in Nahost laufen könne. Die Hand des Kanzlers liegt noch auf Macrons Schulter. Selten sieht man Scholz so berührt.
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Deutsch-französische Krise, Zerwürfnis mit Macron? Das alles ist in diesem Moment wie weggewischt.
Es geht sowieso sehr viel um Gemeinsamkeiten bei diesem Termin, bei dem Scholz Macrons Rede in Dresden vom Montag als „wichtige Inspiration“ lobt. Kleine Fußnote: In Frankreich hatte man bei früheren Europa-Reden Macrons, auch schon unter Scholz‘ Amtsvorgängerin Angela Merkel, eine Rückmeldung aus der Bundesregierung vermisst. Macron sagt, er sei „sehr glücklich“, nun neben Scholz stehen zu können.
Unterschiede zwischen Macron und Scholz noch bemerkbar
Die Unterschiede werden dennoch deutlich, manchmal muss man etwas genauer hinhören. Da sagt Scholz zum Beispiel zur Forderung Macrons nach mehr europäischer Souveränität in der Verteidigungspolitik, die Europäer würden „im transatlantischen Bündnis mehr zur Lastenteilung beitragen“. Macrons Punkt ist genau ein anderer – nämlich diese Anstrengungen zusätzlich zur Nato zu unternehmen und dabei unabhängiger von den USA zu werden.
Und die Frage, ob der Ukraine erlaubt werden sollte, mit von den Verbündeten gelieferten Waffen auch Ziele in Russland anzugreifen, beantwortet Macron klar. Mit den bisherigen Regeln seien die russischen Raketenabschussrampen nicht erreichbar, sagt er. Er zieht sogar ein DIN-A-4-Blatt mit einer Karte der ukrainisch-russischen Grenzregion hervor, um die Entfernungen zu zeigen.
Macron hält Eskalation für unwahrscheinlich
Wenn mit westlichen Waffen nur Raketenabschussanlagen und keine zivilen Ziele oder andere Orte angegriffen würden, „sollte das möglich sein“. Er gehe nicht davon aus, „dass das zu einer Eskalation beiträgt“. Die Eskalation – das ist genau die Befürchtung, die Scholz umtreibt. Der Kanzler sagt nicht Nein, er sagt nicht Ja. Er sagt: „Die Ukraine hat völkerrechtlich alle Möglichkeiten für das, was sie tut.“ Wichtig sei immer, dass sich alles im Rahmen des Völkerrechts bewege. Verständlich ist es im ersten Moment nicht. Aber direkt widersprochen hat er Macron auch nicht.
Und dann gibt es noch einen richtigen Schulterschluss. Scholz hat vor zwei Jahren ein gemeinsames Luftabwehrsystem namens Sky Shield angeboten. Frankreich hat sich nicht angeschlossen. Macron sagt, Frankreich habe ja mit seinen Atomwaffen eine andere Abschreckungsmöglichkeit. Genau, stimmt Scholz zu, seine Initiative sei immer auf die Staaten gerichtet gewesen, die keine solche Verteidigungsmöglichkeiten besäßen. Wäre das also auch geklärt.
Wie ist das also mit der deutsch-französischen Krise? Gibt es immer, sagt Macron. Aber genau die Unterschiede Deutschlands und Frankreichs seien es, aus denen man Stärke ziehe. „Wir einigen uns immer“, sagt Macron. „Es funktioniert.“ Und Scholz gibt zurück: „Schöner kann man es nicht sagen: Wir einigen uns immer.“