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„Nicht an der Zeit, Volk zu spalten“Russischer Präsidentschaftsbewerber gibt auf – und wirbt für Putin

Lesezeit 5 Minuten
Wladimir Putin, Präsident von Russland, winkt während einer Videokonferenz. Putin kandidiert ab heute offiziell für das Präsidentenamt in der kommenden Wahl.

Wladimir Putin, Präsident von Russland, winkt während einer Videokonferenz. Putin kandidiert offiziell für das Präsidentenamt in der kommenden Wahl.

Der Wahlsieg Wladimir Putins gilt Experten zufolge bereits als sicher, doch in Russland geht die Inszenierung weiter.

Anderthalb Monate vor der Präsidentenwahl in Russland hat ein Bewerber noch vor seiner offiziellen Registrierung aufgegeben und wirbt stattdessen für eine Wiederwahl von Kremlchef Wladimir Putin. Sergej Baburin (64) von der Partei Gesamtrussische Volksunion brachte am Dienstag bei der zentralen Wahlkommission zuerst noch mehrere Kartons vorbei, die angeblich die für eine Kandidatur benötigten rund 100.000 Bürgerunterschriften enthielten. Wenig später erklärte er aber, seine Bewerbung zurückzuziehen.

Baburin begründete seinen plötzlichen Sinneswandel offiziell mit dem Krieg in der Ukraine. „In dieser für die Heimat schwierigen Stunde ist es nicht an der Zeit, die Kräfte des Volks zu spalten“, sagte Baburin laut der staatlichen Nachrichtenagentur Tass. Warum er dann aber überhaupt erst eine Kandidatur angekündigt und Unterschriften hatte sammeln lassen, erklärte der nationalistische Politiker nicht.

Russlands Medien feiern Kandidatur von Wladimir Putin wie eine Weltsensation

Kremlchef Wladimir Putin hatte am Montag von Russlands zentraler Wahlkommission als vierter Kandidat offiziell die Zulassung zur Präsidentenwahl im März erhalten. Wie Wahlleiterin Ella Pamfilowa am Montag in Moskau mitteilte, haben die übrigen Bewerber bis zum 31. Januar Zeit, die nötigen Unterschriften von Wahlberechtigten und Unterlagen zur Registrierung als Kandidat einzureichen.

Wladimir Wladimirowitsch Putin, geboren 1952, wurde als Kandidat für das Amt des Präsidenten der Russischen Föderation am 29. Januar 2024 um 11.23 Uhr registriert“, heißt es in dem auf der Sitzung der Zentralen Wahlkommission angenommenen Beschluss laut der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Ria Nowosti.

Wladimir Putin kandidiert offiziell für weitere Amtszeit als Präsident Russlands

Zugelassen sind bisher ausschließlich Kandidaten, die als chancenlos gelten oder Putin sogar unterstützen. Leonid Slutsky von der Liberaldemokratischen Partei Russlands (LDPR), Wladislaw Dawankow von den Neuen Leuten und Nikolai Charitonow von der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation (KPRF) mussten als Vertreter der Parlamentsparteien keine Unterstützungsunterschriften vorlegen. Gewählt wird vom 15. bis 17. März.

Der 71 Jahre alte Putin, der seit fast einem Vierteljahrhundert an der Macht ist, wollte sich nicht von der Kremlpartei Geeintes Russland aufstellen lassen, sondern als Einzelbewerber antreten. Er hatte dafür die nötigen Unterstützungsunterschriften sammeln lassen, die nach einer stichprobenartigen Prüfung nun für gültig befunden wurden.

Russlands Medien feiern Kandidatur Putins als enorme Leistung

Russlands Medien berichteten über Putins Zulassung wie über eine Weltsensation, obwohl es keinen Zweifel daran gegeben hatte. „Die Entscheidung wurde einstimmig getroffen“, teilte die Vorsitzende der Zentralen Wahlkommission, Ella Pamfilowa, laut der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass mit. Nachdem sie nach Gegenstimmen gefragt hatte, habe sich Panfilova bei ihren Kollegen umgesehen, „als ob sie wirklich daran dachte, jemanden zu finden, der dagegen war oder sich der Stimme enthielt“, heißt es in der Berichterstattung der kremlnahen Zeitung „Komsomolskaja Prawda“.

Um als Kandidat zugelassen werden zu dürfen, sei Putin regelrecht durchleuchtet worden, „im Allgemeinen wurde Wladimir Putin wahrscheinlich nicht einmal von Geheimdiensten auf diese Weise überprüft“, will Komsomolskaja Prawda seine Leserschaft glauben lassen, dass ein „enormer Arbeitsaufwand“ angestrengt worden sei, um den Kandidaten Wladimir Putin sorgfältig zu prüfen.

Unter tobendem Applaus habe der Co-Vorsitzende der Wahlzentrale, Wladimir Maschkow, stellvertretend für Putin eine entsprechende Urkunde erhalten. „Er hatte die Möglichkeit, für die Partei zu kandidieren. Für Wladimir Wladimirowitsch war es jedoch wichtig zu sehen, dass die Russen seine Nominierung unterstützten. Die Tatsache, dass zehnmal mehr Unterschriften gesammelt wurden als gesetzlich vorgeschrieben, spricht Bände. [...] Familien aus allen Städten und Dörfern kamen, um für unseren Kandidaten zu unterschreiben“, so Maschkow laut der nicht unabhängigen Zeitung.

Wladimir Putin will nicht an Wahldebatten teilnehmen

Wie Kremlsprecher Dmitri Peskow laut der russischen Zeitung „Kommersant“ angab, beabsichtigt Präsident Wladimir Putin im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen nicht, an Wahldebatten teilzunehmen. Der Slogan für die bevorstehenden Wahlen laute „Gemeinsam sind wir stark – wir stimmen für Russland!“

Lediglich 91 der über 60.000 geprüften Unterschriften seien für ungültig erklärt worden, das entspreche 0,15 Prozent, gab die Sekretärin der Zentralen Wahlkommission, Natalja Budarina, an. Es habe keine einzige gefälschte Unterschrift gegeben.

Unterschriften für kremlkritischen Boris Nadeschdin werden beanstandet

Als fraglich gilt indes, ob der auch von Russlands kremlkritischer Opposition unterstützte Bewerber Boris Nadeschdin zur Abstimmung zugelassen wird. Der 60-Jährige fordert eine Beendigung des Krieges gegen die Ukraine. Nadeschdin hat bisher mehr als 200.000 Unterschriften von Unterstützern, die teils in langen Warteschlangen angestanden hatten, eingesammelt – etwa das Doppelte dessen, was nötig ist.

Allerdings erklärt die Wahlkommission immer wieder viele Unterschriften wegen formaler Beanstandungen für ungültig. Angesichts des bei Putins Kandidatur-Stichprobe festgestellten Anteils von gerade einmal 0,15 Prozent ungültigen Stimmen wirft diese Begründung Fragen auf. Seit Tagen wird darüber spekuliert, ob der liberale Politiker Nadeschdin zugelassen wird. Viele Beobachter schließen das aus.

Wladimir Putin: Wahlsieg gilt als sicher

Die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen werden die fünfte Wahl in Putins politischer Laufbahn sein. Zum ersten Mal wurde er im Jahr 2000 zum Präsidenten gewählt, 2004 wurde er wiedergewählt, dann 2012, nach einer vierjährigen Amtszeit als Ministerpräsident (2008-2012), und 2018 erneut. Bei den Wahlen 2018 erzielte er mit 76,69 Prozent der Stimmen sein bestes Ergebnis.

Ein Wahlsieg Putins gilt als sicher. Es wäre seine fünfte Amtszeit, die er sich durch eine Verfassungsänderung hatte ermöglichen lassen. 2030 könnte der frühere Geheimdienstagent, der seit fast zwei Jahren Krieg gegen die Ukraine führt, noch einmal antreten bei der Wahl – als Präsident für weitere sechs Jahre. In Russland wurde bisher stets der Kandidat des Kremls zum Sieger der Wahl erklärt. (mit dpa)