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Medwedew will „bis nach Polen“Putin trollt Harris, will „verhandeln“ und verhöhnt Deutschland

Lesezeit 4 Minuten
Wladimir Putin war in Wladiwostok zum Scherzen aufgelegt. Parallel schickten Dmitri Medwedew und Sergej Lawrow deutliche Drohungen gen Westen.

Wladimir Putin war in Wladiwostok zum Scherzen aufgelegt. Parallel schickten Dmitri Medwedew und Sergej Lawrow deutliche Drohungen gen Westen.

Trump durfte sich freuen: Während Medwedew droht, ist Putin zum Scherzen aufgelegt. Lawrow verbittet sich aber Witze über Russland.

Kremlchef Wladimir Putin hat sich mit einem Scherz in den US-Wahlkampf eingemischt. „Wir werden sie unterstützen“, sagte der russische Präsident über die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris am Donnerstag.

Ernstgemeint dürfte die selbst von russischen Nachrichtenagenturen als „scherzhaft“ und „ironisch“ bezeichnete Bemerkung nicht gewesen sein. Putin gilt seit jeher als Unterstützer des Republikaners Donald Trump, der sich ebenfalls immer wieder lobend über den Kremlchef geäußert hat.

Wladimir Putin trollt: Nebelkerze zur Ablenkung?

Kurz vor Putins Aussagen über Harris hatten die USA dem Kreml erneut die Einmischung in den US-Wahlkampf vorgeworfen. Demnach flossen vom russischen Propaganda-Sender RT über eine Firma in den USA große Geldsummen an Influencer, die sich im Wahlkampf für Trump starkgemacht haben. Putins Äußerungen über Harris könnten also in diesem Kontext getätigt worden sein.

„Unser Favorit war der derzeitige Präsident, Herr Biden“, erklärte Putin in Wladiwostok und fügte an: „Er wurde aus dem Rennen genommen, aber empfahl allen seinen Unterstützern, Frau Harris zu unterstützen – also werden wir sie unterstützen.“

Putin über Kamala Harris: „Ausdrucksstark und ansteckend“

Unter Gelächter des Publikums bei einem Wirtschaftsforum scherzte Putin zudem über Harris‘ prägnante Lache, die von den Republikanern im US-Wahlkampf ebenfalls bereits thematisiert worden war. Dass Harris „so ausdrucksstark und ansteckend lacht“, bedeute, dass „bei ihr alles in Ordnung sei“, befand der Kremlchef. Deshalb werde sie im Gegensatz zu Trump sicher keine „antirussischen Sanktionen“ verhängen, witzelte Putin weiter.

Als wäre der sarkastische Unterton damit noch nicht genug belegt, legte kurz darauf Kremlsprecher Dmitri Peskow noch einmal nach. „Jetzt ja“, entgegnete Peskow auf die Frage eines Reporters, ob er auch Anhänger von Harris‘ Lachen sei. Nach Putins Worten „sollte sich jetzt jeder von uns in das Lachen von Kamala Harris verlieben“, zitierte Tass den offensichtlich amüsierten Kremlsprecher weiter.

Trump: „Ich weiß nicht, ob er mich beleidigt oder mir einen Gefallen getan hat“

Die Nachricht von Putins angeblicher Vorliebe für Harris, die von einigen Medien nicht deutlich als Trolling von Putin gekennzeichnet worden war, verfehlte ihre Wirkung nicht. Viele amerikanische Trump-Unterstützer griffen die Vorlage dankbar auf – und fluteten die sozialen Netzwerke mit Beiträgen und Memes, die Putins „Unterstützung“ für die Demokratin hervorhoben.

Auch Trump selbst beteiligte sich an der Posse um Putins vermeintliches Lob für Harris. „Ich weiß nicht, ob er mich beleidigt oder mir einen Gefallen getan hat“, zitierte „USA Today“ den früheren Präsidenten, dessen Wahlkampfteam in sozialen Netzwerken ebenfalls eine Grafik von Harris zusammen mit Putin veröffentlicht hatte.

Wladimir Putin gibt sich mal wieder „verhandlungsbereit“

Die Scherze über die Demokratin waren jedoch nicht die einzigen Nebelkerzen. So behauptet Putin mal wieder, dass Russland jederzeit verhandlungsbereit sei. Von seinen Maximalforderungen, die der Kreml als Bedingungen für jegliche Gespräche aufgestellt hat, rückte der Kremlchef jedoch erneut nicht ab. Diese entsprechen de facto einer ukrainischen Niederlage.

Auch nach Deutschland schickte der Kremlchef bei seinem Auftritt in Wladiwostok mal wieder eine Botschaft. Putin griff dabei die nach den jüngsten Berichten über mögliche Drahtzieher erneut aufgeflammte deutsche Debatte um die Nord-Stream-Pipelines auf.

Kremlchef über Deutschland: „Schizophrenie und Unsinn“

Es sei „Schizophrenie und Unsinn“, dass Deutschland die letzte funktionsfähige Pipeline nicht in Betrieb nehmen wolle, behauptete Putin. „Was hindert die deutsche Regierung daran, den Knopf zu drücken, eine Einigung mit uns zu erzielen und sie einzuschalten?“, gab Putin sich verständnislos.

Dmitri Medwedew zusammen mit Wladimir Putin. Der frühere russische Präsident gilt als enger Vertrauter des Kremlchefs.(Archivbild)

Dmitri Medwedew zusammen mit Wladimir Putin. Der frühere russische Präsident gilt als enger Vertrauter des Kremlchefs.(Archivbild)

Während der Kremlchef sich als gut gelaunter Diplomat zu inszenieren versuchte und versprach, die ukrainische Offensive in Kursk zurückzuschlagen, da das „die heilige Pflicht“ der Streitkräfte sei, hatten andere russische Spitzenpolitiker zuvor bereits klargemacht, dass Russland nicht vorhabe, seinen Kurs zu ändern. Eher im Gegenteil.

Dmitri Medwedew droht mit Vormarsch „bis nach Polen“

Umso weitreichender die Waffen seien, die der Westen an Kiew liefere, desto größer müsse die russische „Sanitärzone“ in der Ukraine werden, erklärte Dmitri Medwedew in Moskau. „Wenn sie Langstreckenwaffen, Marschflugkörper und ballistische Raketen bekommen, dann sollte sich diese Sanitärzone bis nach Polen erstrecken“, sagte der Vize-Sicherheitsratschef und frühere Präsident, der damit mit der Eroberung der gesamten Ukraine drohte.

Drohungen statt Kompromissbereitschaft kamen derweil auch von Außenminister Sergej Lawrow, der vor einer deutlichen Antwort Russlands warnte, sollte die Ukraine mit weitreichenden Raketen und der Freigabe für den Einsatz gegen Russland ausgestattet werden.

Die USA hätten ihre „eigenen roten Linien“ im Krieg bereits überschritten und sollten das nicht noch einmal tun, warnte Lawrow, der sich gleichzeitig darüber beklagte, dass über Moskaus angebliche rote Linien angesichts der Gegenoffensive in Kursk zuletzt erneut gescherzt worden war. „Machen Sie keine Witze über unsere roten Linien!“, forderte Moskaus Chefdiplomat. „Sie wissen genau, wo sie sind.“

Leopard-2, ATACMS, F-16: Moskaus „rote Linien“ wandern

Derartige Drohungen hat es aus Moskau seit Kriegsbeginn jedoch vor jeder substanziellen Entscheidung des Westens über die Erweiterung der Waffenlieferungen an die Ukraine gegeben. Immer wieder wurden bestimmte Schritte zu „roten Linien“ erklärt, stets drohte Russland dabei mit harten Konsequenzen bishin zu Atomschlägen.

Die Lieferungen von schweren Leopard-2-Kampfpanzern blieben dann jedoch ebenso unbeantwortet wie die von ATACMS-Raketen aus den USA oder kürzlich das Eintreffen der ersten F-16-Kampfjets in der Ukraine.