Wolfgang Schäuble war im Dezember im Alter von 81 Jahren gestorben. Nun berichtet der „stern“ vorab aus seinen Memoiren.
Memoiren enthüllen IntrigenWas Schäuble über Merkel dachte – und wer die Kanzlerin stürzen wollte
Der Ende 2023 verstorbene CDU-Politiker Wolfgang Schäuble ist einem Medienbericht zufolge während der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 vom früheren CSU-Chef Edmund Stoiber dazu gedrängt worden, die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Flüchtlingskrise zu stürzen. Das geht laut Vorabmeldung des Magazins „stern“ vom Mittwoch aus Schäubles Memoiren hervor.
Dem Bericht zufolge nennt Schäuble darin erstmals einen Namen in Verbindung mit Umsturzplänen während der Flüchtlingskrise 2015. Stoiber sei aktiv geworden „und feuerte (Horst) Seehofer, seinen Nach-Nachfolger im Ministerpräsidentenamt, in dessen Attacken gegen Merkel an“, heißt es dem Bericht zufolge in Schäubles noch unveröffentlichten Memoiren über die Spannungen innerhalb der Union. „Und mich wollte er dazu bewegen, Merkel zu stürzen, um selbst Kanzler zu werden.“
Memoiren von Wolfgang Schäuble: „Er wollte mich dazu bewegen, Merkel zu stürten“
„Ich lehnte das entschieden ab. Wie Jahrzehnte zuvor bei (Helmut) Kohl blieb ich bei meiner Überzeugung, dass der Sturz der eigenen Kanzlerin unserer Partei langfristig nur schaden könnte, ohne das Problem wirklich zu lösen“, heißt es laut „stern“ weiter. Das sei sein Verständnis von Loyalität gewesen.
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Schäuble hatte dem Bericht zufolge bereits im Dezember 2022 in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“ von Überlegungen berichtet, Merkel zu stürzen, aber keine Namen genannt. In seinen Erinnerungen heißt es laut dem Magazin: „Die ganze Debatte amüsierte mich fast ein wenig, weil ich ja mein Alter kannte, seit mehr als einem Vierteljahrhundert querschnittsgelähmt war und insgesamt eine angeschlagene Gesundheit hatte.“
Schäuble unterstützte Angela Merkels Kurs in der Flüchtlingspolitik: „Aus humanitären Gründen richtig“
Schäuble blickt in seinen Memoiren auch auf die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel zurück. „Als die Kanzlerin am 4. September 2015 die im Rückblick für diese Krise zentrale Entscheidung traf, die Grenzen angesichts der katastrophalen Zustände am Bahnhof von Budapest, wo Flüchtlinge zu tausenden gestrandet waren, weiterhin offenzuhalten, fand ich dies aus humanitären und europapolitischen Gründen richtig“, schreibt Schäuble. Auch der berühmt gewordene Satz „Wir schaffen das!“ der damaligen Kanzlerin sei richtig gewesen, so Schäuble.
Erst mit zunehmender Dauer habe er eine andere Meinung als Merkel entwickelt, führt Schäuble aus. Er sei dafür gewesen, den „Bürgerinnen und Bürgern reinen Wein einzuschenken“, heißt es weiter. Der Einsatz für Flüchtende sei mit „Kosten und Opfern“ verbunden. „Appelle allein nützten nichts“, heißt es von Schäuble, der seine Frustration angesichts der „in mancher Hinsicht beratungsresistenten“ Kanzlerin schilderte.
Wolfgang Schäuble: Angela Merkel „in mancher Hinsicht beratungsresistent“
Die Gesamtbilanz der Ära Merkel fällt bei Schäuble durchwachsen aus. Das „vielleicht wichtigste politische Verdienst“ Merkels sei, „dass ihr auf Ausgleich ausgerichteter Politikstil gerade auch unter Nachbarn und Partnern für Vertrauen und Zutrauen in unser Land sorgte“, schrieb Schäuble. Andererseits habe Merkel jedoch ihren Koalitionspartnern gegenüber zu oft nachgegeben. Merkel und er hätten „sehr unterschiedliche Ansichten“ davon gehabt, was es heiße, „politisch zu führen“, so Schäuble.
Der langjährige CDU-Politiker Schäuble war am 26. Dezember im Alter von 81 Jahren gestorben. Er gehörte seit 1972 dem Bundestag an, war Unions-Fraktionschef, mehrmals Bundesminister und von 2017 bis 2021 Bundestagspräsident. (das/afp)