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Zuchtmeister der NationKarl Lauterbach als Dauergast im Fernsehparlament

Lesezeit 6 Minuten

Karl Lauterbach bei „Hart aber fair“

  1. Der SPD-Politiker Karl Lauterbach gilt als Gesundheitsexperte und ist viel befragter Gast in Corona-Zeiten.
  2. Karl Lauterbach beeindruckt durch seine Hartnäckigkeit – den einen Teil des Publikums. Den anderen nervt er.
  3. Was spornt ihn an, meist eingeladener Corona-Experte zu sein? Ein Titel, den man sich erst einmal verdienen muss.

Köln – Kein Gesprächsgegenstand beherrschte in den vergangenen Wochen die Talkshows der Republik so sehr wie Corona, und keiner saß so oft in diesen Runden wie er. „Markus Lanz“, „Anne Will“, „Hart aber fair“, „Maybrit Illner“, Karl Lauterbach, Gesundheitsexperte, selbst Mediziner, Gründungsdirektor des Instituts für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie an der Universität zu Köln, erlebt in der Corona-Krise Sternstunden als Talkshow-Gast. Früher gehörte Lauterbach der CDU an, 2001 wurde er Mitglied der SPD, und seit 2005 sitzt er mit einem Direktmandat seines Wahlkreises Leverkusen im Bundestag.

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In der Debatte um den richtigen Umgang mit dem Virus und Rückkehr zur Normalität ist er der Zuchtmeister der Nation. Lauterbach findet die Lockerungspolitik von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) falsch und hätte es vorgezogen, wenn der strenge Shutdown noch eine Woche, besser zwei Wochen länger angedauert hätte. Diese Position in den Talkshows des deutschen Fernsehens zu vertreten, wird er nicht müde. Karl Lauterbach beeindruckt durch seine Hartnäckigkeit – den einen Teil des Publikums. Den anderen nervt er. Was spornt ihn an, meist eingeladener Corona-Experte zu sein? Ein Titel, den man sich erst einmal verdienen muss.

„Im Moment findet eine Auseinandersetzung darüber statt, wie die Bekämpfung der Pandemie zu begreifen ist“, sagt er im Gespräch, das wir – der Situation angemessen – am Telefon führen. Er wirkt so, wie man ihn aus dem Fernsehen kennt: Die leicht näselnde Stimme im rheinischen Singsang, die sachliche, bis hin zur Trockenheit reichende Art, das erkennbare Bemühen um einen analytischen Zugang zu dem, worüber er spricht. Er zählt auf, was ihm wichtig ist, es in einer talkshowtauglichen Position zu vertreten: „Ist das Virus tatsächlich so gefährlich wie angenommen, war der Lockdown notwendig, wie kann man die Bürger dafür gewinnen, weiterhin achtsam zu sein, also die Abstände einzuhalten, Masken von guter Qualität zu tragen, möglicherweise eine App zu verwenden? Im Moment findet eine intensive Überzeugungsarbeit seitens derjenigen statt, die die Krise kleinreden und zum Alltag zurückkehren wollen, und genauso von denen, die genau davor warnen.“

Ans Labor gewöhnt

„Ich freu mich sehr!“, sagt Markus Lanz jedes Mal, wenn er einen Gast vorstellt. In den vergangenen Wochen freute er sich in erster Linie über Virologen wie Melanie Brinkmann, Alexander Kekulé und andere Ärzte und Wissenschaftler, die wie Christian Drosten eigentlich gewohnt sind, sich im Labor über Forschungsergebnisse zu beugen und am Schreibtisch Expertisen zu schreiben. Sie alle sind in den vergangenen Monaten zu öffentlichen Größen geworden. Karl Lauterbach ist aufgrund seiner Ausbildung und langjährigen Berufspraxis einer von ihnen. Einerseits. Andererseits hat es ihn in die Politik gezogen, und dort hat er gelernt, vor großem Publikum zu sprechen.

Talkshows sind für ihn Foren, Argumente auszutauschen, Fernseh-Parlamente gewissermaßen, die den Streit – davon ist er überzeugt – „auf eine zivilisierte, vernünftige Art und Weise austragen“. Lauterbach glaubt an die aufklärerische Kraft dieser Runden: „Wäre es anders, würde ich es nicht bedienen. Ich bin tatsächlich davon überzeugt, dass eine gut moderierte Talkshow mit einem gut vorbereiteten Moderator und einem guten Team im Hintergrund eine sehr wichtige Form des Journalismus ist, die wir in ihrer Wirkung durchaus unterschätzen, die aber für die Bewältigung der Pandemie zum Beispiel eine große Wirkung hat.“

Karl Lauterbach ist nicht erst seit Corona ein Fan der Talkshows

Karl Lauterbach ist nicht erst seit Corona ein Fan der Talkshows, so wie die Moderatoren umgekehrt schon lange seine Fähigkeit schätzen, Tacheles zu reden und das Publikum zu polarisieren. Bereits 2010, er saß gerade erst seit fünf Jahren im Bundestag und hatte es bereits fünf Mal in „Anne Will“ geschafft und sogar zehn Mal in „Hart aber fair“, schmähte ihn der „Stern“ als eine der redseligsten Geiseln der Talkshows und als einen der fleißigsten Arbeiter in den Mühlen der Laberindustrie. Damals war die Zahl der Talkshows gerade auch in den öffentlich-rechtlichen Programmen explodiert, sehr zum Verdruss von Leuten wie Oliver Weber, dem im vergangenen Jahr der Kragen platzte. „Talkshows hassen: Ein letztes Krisengespräch“ nannte er ein Buch, in dem er die Gesprächsrunden im Fernsehen geradezu als Abgesang auf die politische Debattenkultur brandmarkt. Immer dieselben Gäste besprächen immer dieselben Themen, und doch hört bald niemand mehr richtig zu, weil es doch vornehmlich um Stimmungen statt um den Austausch wirklicher Argumente gehe. Ein Einspruch, den Karl Lauterbach nicht gelten lässt.

„Das macht aus meiner Sicht zehn bis 20 Prozent der Wirkung aus. Körpersprache, ein schicker Anzug, ein neues Kleid – all das kann noch so toll wirken, aber wenn die Argumente nicht stimmen, kompensiert das nicht viel“, sagt er. „Gerade in Zeiten wie diesen bestimmt der Inhalt des Gesagten den überzeugenden Auftritt, der Inhalt entscheidet, ob das Gesagte Bestand hat oder nicht. Ich teile überhaupt nicht die negative Einschätzung, dass es bei Talkshows im Wesentlichen um Stimmungen geht.“

Karl Lauterbach reist häufig in die USA

Lauterbach ist häufig in den Vereinigten Staaten von Amerika. Er hat seit 15 Jahren eine Gastprofessur an der renommierten Harvard School of Public Health bei Boston inne, zuvor hat er für einige Zeit in den USA gelebt. Er nimmt für sich in Anspruch, nicht allein die medizinischen, sondern auch das Mediensysteme vergleichen zu können, und das fällt so aus: „Ich kann durch eigene Anschauung sagen, dass wir im Vergleich zu den USA in Deutschland privilegiert sind – auch im Vergleich zu England und Italien. In Deutschland haben die Medien geholfen, die Notwendigkeit der Maßnahmen in der Krise zu vermitteln.“

Ein Fan auch von Twitter

Wenn ihn auch sonst nicht viel mit dem amerikanischen Präsidenten verbindet, so doch eine gewissen Leidenschaft für Twitter – neben dem Fernsehen, sagt er, nähmen die Sozialen Medien die größte Bedeutung für die Vermittlung politischer Botschaften ein. Also hat er sofort getwittert, als ihn vor kurzem dann doch etwas in einer Talkshow geärgert hat – noch dazu in einer, in der er gar nicht selber saß. Bei „Maybrit Illner“ hat ihn der Grüne Boris Palmer mit Sätzen zitiert, die er niemals gesagt hat. „Er hat mir unterstellt, ich sei der Meinung, man müsse die Wirtschaft komplett für zwei Jahre herunterfahren. Dabei habe ich wie andere Epidemiologen auch lediglich gesagt, dass die Pandemie zwei Jahre andauern werde.“

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Immer nur sachlich, vernünftig und fair geht es im Volksparlament namens Talkshow also nicht zu, aber das gilt ja auch fürs Parlament in Berlin. Karl Lauterbach wird das nicht in seiner Treue erschüttern, und auch nicht in seinem Talkshow-Grundsatz, den ihm seine Gegner allerdings niemals abnehmen würden: „Ich dramatisiere nicht.“