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„Besondere Sorgen“Apotheker kritisieren Lieferengpässe bei 500 Medikamenten – Antibiotika aus Kamerun

Lesezeit 3 Minuten
In vielen Apotheken sind bestimmte Antibiotika nicht verfügbar (Symbolbild eines Apothekenschilds).

In vielen Apotheken sind bestimmte Antibiotika nicht verfügbar (Symbolbild).

Die Temperaturen sinken, die Grippesaison wird erwartet. Apotheker in NRW sind besorgt.

Mit Blick auf die anstehende Erkältungssaison samt anderer Krankheiten warnen Apotheken vor knappen Beständen bei bestimmten Medikamenten. „Ein Ende der Lieferprobleme ist nicht absehbar“, sagte der Chef des Apothekerverbands Nordrhein, Thomas Preis, der „Rheinischen Post“ (Samstag).

„Besondere Sorgen bereitet uns, dass jetzt schon sehr viele Antibiotika nicht lieferbar sind - und die kalte Jahreszeit mit vielen Atemwegsinfektionen hat noch gar nicht begonnen.“ Auch viele Antibiotika-Säfte seien von den Engpässen betroffen. 500 Medikamente seien als nicht lieferbar gekennzeichnet, sagt Preis.

Ein Lieferengpass liegt nach Definition des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArm) vor, wenn ein Arzneimittel länger als zwei Wochen nicht im üblichen Umfang verfügbar ist.

Antibiotika werden aus Kamerun importiert

Preis nennt ein Beispiel: „Aktuell gibt es erhebliche Engpässe bei den Antibiotika Doxycyclin und Azithromycin. Die Engpass-Situation bei Doxycyclin soll nun mit Ware aus Kamerun gemildert werden“. „Patienten werden dann Packungen in englischer, französischer oder portugiesischer Aufmachung erhalten müssen. Da auch keine deutschsprachige Gebrauchsinformation beiliegt, muss für die sichere Anwendung viel Aufklärungsarbeit von den Apothekenteams geleistet werden“, so Preis weiter.

Seit Sommer 2023 ist es in Deutschland erlaubt, Medikamente mit nicht deutschsprachigen Beipackzetteln auszugeben.

Die Bilanz: „Bei jedem zweiten Rezept müssen Apotheken nach Alternativen suchen, damit die Versorgung der Patienten gesichert bleibt. Täglich sind so bundesweit 1,5 Millionen Patienten betroffen“, sagte der Verbandschef weiter.

Thomas Preis: Lieferengpass-Bekämpfung bei Arzneimitteln klappt nicht

Ein seit 2023 gültiges Bundesgesetz zur Lieferengpass-Bekämpfung („Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz“) zeige fast keine Wirkung, moniert der Apothekenvertreter. „Politik und pharmazeutische Hersteller müssen jetzt endlich für stabile Verhältnisse sorgen“, so Preis.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte sieht allerdings insbesondere bei der Bereitstellung von Arzneimitteln für Kinder in der kommenden Erkältungswelle keinen Anlass zur Sorge: „Im Vergleich zum Vorjahr stellt sich die aktuelle Lage hinsichtlich der Versorgung mit Kinder-Antibiotika wesentlich entspannter dar“, teilte ein Sprecher mit. Auch bei Fiebersäften seien keine Lieferengpässe gemeldet.

Seit der Pandemie Liefer-Engpässe bei Medikamenten

Seit Jahren kommt es in Deutschland immer wieder zu Lieferschwierigkeiten bei diversen Medikamenten. Besonders seit der Corona-Pandemie fällt dies auf. Vor allem mit Einbruch der kälteren Jahreszeit, wenn mehr Menschen erkranken, wird dies seitdem immer wieder ein Thema.

Die Ursachen dafür sind vielfältig. Ein Grund sind die in den letzten Jahren und Jahrzehnten veränderten Strukturen der Pharmaindustrie. Es gibt eine Zentralisierung der Herstellung in Indien und China. Lokale Krisen dort können sich schnell auf einen Großteil der Medikamentenproduktion auswirken. Gibt es darüber hinaus nur noch wenige Hersteller, sind Probleme schnell weltweit zu spüren. Auch die weiten Lieferketten spielen eine Rolle.

Lieferengpässe: Die meisten Medikamente kommen aus China oder Indien

Das neue Gesetz soll eigentlich dafür sorgen, dass mehr Arzneien wieder in Europa produziert werden. In manchen Fällen ist das aber überhaupt nicht möglich, denn für bestimmte Wirkstoffe gibt es gar keine Produktion mehr in hierzulande. Auch bei gängigen Antibiotika ist dies oft der Fall, die Wirkstoffe kommen aus China oder Indien, selbst wenn als Produktionsort ein europäisches Land auf der Verpackung steht.

So wird der Wirkstoff für Cephalosporin-Antibiotika beispielsweise ausschließlich in China hergestellt, wie der NDR berichtet. Cephalosporine bilden nach Penicillin die wichtigste Antibiotika-Wirkstoffgruppe. Der Ausgangsstoff 7-ACA (7-Aminocephalosporansäure) wird nur noch von einer Handvoll Firmen in China produziert.

Ein weiterer Faktor ist demnach auch der Preisdruck in Deutschland. Die Preise für Arzneimittel sind durch Rabattverträge der Krankenkassen mit Pharmaunternehmen gesunken. Das führt dazu, dass diese die Wirkstoffe möglichst billig beschaffen, also auch in der Regel in China oder Indien. (dpa, cme)