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Pandemie-Alltag„3 Kinder, 2 Arbeitsplätze, 1 kleine Wohnung – ich werde wahnsinnig“

Lesezeit 5 Minuten
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Auf der Suche nach Platz zum Arbeiten zwischen Geschirrberg und Bastelzeug – seit Corona findet bei Familien oft alles auf engem Raum statt.

Köln – Eigentlich mag ich unsere kleine Stadtwohnung. Sie ist zwar eng, doch sehr gemütlich. Seit mein Mann und ich aber beide im Homeoffice arbeiten, unsere Siebenjährige (gerade) in Quarantäne ist und Nachmittagsspieldates mit unseren Kita-Kindern ausfallen, gleicht unser Domizil einem Multifunktionsapparat, der aus den letzten Löchern pfeift. Würde mich nicht wundern, wenn es bald Puff macht, und das ganze Ding vor Erschöpfung in die Luft fliegt – und ich gleich hinterher.Nicht nur für uns, nein für sehr viele Menschen hat sich seit der Corona-Krise das Wohnen verändert. Die räumliche Trennung von Arbeit und Lernen auf der einen und Leben und Spielen auf der anderen Seite ist verpufft. Durch den nötigen Rückzug in die eigenen vier Wände findet nun quasi alles an einem Ort statt. Oft gleichzeitig. Und das ist, gelinde gesagt, einfach nur Wahnsinn!

Schon wenn ich nur einen Ausschnitt unseres Tages zu fünft in einer Dreizimmerwohnung beschreibe, treibt es mir die Schweißperlen auf die Stirn. Morgens, wenn die Kleinen (glücklicherweise noch) in der Kita sind, gehe ich zum Arbeiten ins Wohnzimmer und mein Mann setzt sich in die kleine Küche. Unsere Zweitklässlerin macht ihre Hausaufgaben abwechselnd im Kinderzimmer oder bei uns im Raum – sie nimmt deshalb im Hintergrund fleißig an Videoschalten und Telefoninterviews teil. Wenn die Mini-Küche nach dem Mittagessen zu voll steht, wandert mein Mann ins Kinderzimmer, wo er am kleinen Schreibtisch weiterarbeitet, wenn der nicht gerade benutzt wird.

Arbeiten am Fensterbrett, den Wickeltisch im Rücken

„Familienbande“

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Isabell Wohlfarth

Foto: Martina Goyert

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Nachmittags, wenn unsere Kitakinder daheim sind, geht das Räumchen-wechsel-dich-Spiel erst richtig los und mein Mann schleicht, oft gleichzeitig telefonierend, durch die Wohnung, um einen einigermaßen stillen Ort zu finden. Meist landet er im Schlafzimmer, wo er am Fensterbrett tippt, weil es dort keinen Tisch gibt. Immerhin bekommt er oft Besuch und hat regelmäßig Unterhaltung, weil in seinem Rücken der Wickeltisch steht. Ich versuche derweil nachmittags im Wohnzimmer, wo es zugeht wie im Taubenschlag, mit dem sehr neugierigen Baby auf dem Schoß, noch mal schnell was fertig zu machen, während im Hintergrund „Die ???“ oder „Fidirallalla“ läuft. Mein Kopf rauscht.

Dann kommt endlich der Feierabend. Und wir sind: immer noch hier. Am gleichen Ort. Kein Arbeitsweg zum Runterkommen. Keinen Moment zum Umschalten. Alles ist längst vermischt. Ich klappe den Rechner zu und setze mich ins Chaos und baue Klötzchen.

Konzentration im Chaos verzweifelt gesucht

Apropos Chaos! Ordnung bekommt durch diese Dauerpräsenz aller Familienmitglieder übrigens auch eine ganz neue Bedeutung. Denn während es früher hauptsächlich Charaktersache war, wie ordentlich man es zuhause brauchte, so ist es heute eine schlichte Notwendigkeit. Damit überhaupt jeder Platz findet zum Arbeiten, Spielen und Ausruhen, ja damit alles irgendwie funktioniert, muss ständig etwas weggeräumt werden. Es ist ein Geschiebe ohne Ende. Um den Tisch im Wohnzimmer fürs Homeschooling benutzen zu können, müssen schließlich erst die angefangenen Lego-Bauten, die gefaltete Wäsche und die Fimo-Kreationen verlagert werden.

Keine Pause vom Zuhause

Mir verlangt das ehrlich gesagt viel ab. Ich gehöre nämlich zu der Sorte Mensch, die, um überhaupt strukturiert arbeiten zu können, auch faktische Ordnung im Umfeld braucht. Dass rund um meinen Arbeitsplatz ständig der ganze Kinder-Krempel durch die Gegend fliegt, das kann ich nur schwer ausblenden. Sich hier über Stunden konzentrieren zu können, ist eine Herausforderung.

Es fehlt im wahrsten Sinne des Wortes der Raum, um überhaupt Gedanken entfalten zu können. Um durchzuatmen. Und es fehlt der Raumwechsel, das Rausgehen, auch mal am Abend. Die Pause von zuhause. Die Pause voneinander.

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Und je länger diese multifunktionale Wohn-Arbeitssituation dauert, desto mehr macht sie mürbe und erschöpft. Und das höre ich von vielen Menschen, die etwa zu zweit im kleinen Wohnzimmer Rücken an Rücken acht Stunden arbeiten. Oder ihr Homeoffice im Abstellraum aufgeschlagen haben. Und so kuschelig das zu Anfang noch war – endlich mal gemeinsam Mittagessen an einem Wochentag! – so belastend ist es dann doch auf Dauer.

Städter haben plötzlich doppelt verloren

Und manchmal macht es mich auch sehr wütend. Denn es gibt hier eindeutig ein Stadt-Land-Belastungsgefälle. Wer jetzt ein Haus mit Garten, zwei Stockwerken und Keller hat (und ich gönne es jedem), kann sich nämlich leichter Denk- und Entspannungsräume schaffen und den Kindern ihre Freiräume schenken. Stadtbewohner dagegen haben gleich doppelt verloren: Nicht nur fallen für sie die Vorzüge des urbanen Lebens weg – also genau jene Gründe, warum sie hier überhaupt wohnen wollen –, die kulturellen Angebote, die Vielfalt, die vielen Begegnungen. Nein, sie sitzen auch noch auf viel zu engem Raum, obwohl ihr Leben eigentlich nicht darauf angelegt ist. Und träumen plötzlich das erste Mal vom Rausziehen.

Der Partner als neuer Kollege

Jetzt möchte ich gar nicht zu laut klagen. Es gibt auch wahrlich ernstere Probleme in diesen Corona-Zeiten. Immerhin haben wir die Möglichkeit, unsere Arbeit zuhause zu machen. Und noch sind die Kinder ja meistens betreut. Außerdem gibt es an all dem Daheimsein natürlich auch schöne Facetten. Wir sehen uns viel und haben keine langen Wege. Mein Partner ist jetzt auch Kollege und wir kriegen intensiv mit, an welchen Projekten der andere gerade arbeitet. Vor allem aber ist uns allen klar, wofür wir es tun: um diese vermaledeite Pandemie in den Griff zu kriegen.

Doch wenn die überstanden ist, freue ich mich schon sehr darauf, morgens meiner Familie einen schönen Tag zu wünschen, meinen Arbeitsrucksack zu schnappen und ins Büro zu meinen Kolleginnen und Kollegen zu fahren. Und erst abends zu erfahren, was meine Restfamilie so erlebt hat – draußen in der Welt, fern der eigenen vier Wände. Die dann plötzlich wieder einfach nur eins bedeuten: nach Hause kommen.