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Flugchaos im Sommer? Was Reisende wissen müssen

Lesezeit 8 Minuten

Berlin – Gestrichene Flüge und lange Warteschlangen an Check-in und Sicherheitskontrollen: Für viele Briten begannen die Frühjahrsferien Anfang Juni mit einer Menge Flughafenfrust. Für die Probleme sorgten Personalmangel bei den Airlines und Airports.

Die Zustände an den Flughäfen zeigten: Mehr Menschen wollen wieder reisen, doch die Luftfahrtbranche kann dieser sprunghaft gestiegenen Nachfrage kaum gerecht werden - es fehlen Mitarbeiter, die sich in der Pandemie andere Jobs gesucht haben oder suchen mussten.

Lufthansa und Eurowings haben für Juli jeweils schon hunderte Flüge gestrichen. Der Chef der Flugsicherungsgewerkschaft warnte kürzlich vor einem nie dagewesenen Chaos in diesem Sommer an deutschen Flughäfen und forderte die Politik zum Handeln auf.

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„Wir rechnen damit, dass diese Situation über den gesamten Sommer bis in den Herbst anhalten wird, da es praktisch schwierig bis unmöglich ist, in allen betroffenen Bereichen kurzfristig das benötige Personal aufzubauen”, sagt Karolina Wojtal vom Europäischen Verbraucherzentrum Deutschland.

Informiert bleiben, wie es um den Status ihres Fluges bestellt ist. Und rechtzeitig am Airport sein. „Generell sollten sich Reisende aktuell noch früher am Flughafen einfinden als sonst - mindestens zweieinhalb bis drei Stunden vor Abflug”, empfiehlt die Leiterin für Sicherheits- und Krisenmanagement beim Reiseveranstalter DER Touristik, Melanie Gerhardt. Wenn möglich, checkt man sich vorab online ein. Wer kann, verzichtet bei Kurzreisen auf Aufgabegepäck.

Wer in der Nähe des Flughafens wohnt, kann vielleicht einen Vorabend-Check-in machen und dabei auch schon seine Koffer aufgeben. Das bieten einige Airlines an, so Gerhardt, und es spart Urlaubern die Schlange am Check-in. Empfehlenswert ist, sofort zur Sicherheitskontrolle zu gehen, sobald man eingecheckt ist. Wer den Check-in im Vorfeld schon erledigt hat, geht direkt nach Ankunft am Airport dorthin. All diese Ratschläge gelten insbesondere für die stark gebuchten Ferienzeiten.

Grundsätzlich kann sie das immer tun - je nach dem Zeitpunkt haben Reisende dann aber Anspruch auf Erstattungen und gegebenenfalls Schadenersatz. Dafür gibt es die EU-Fluggastrechteverordnung. Sie ist für alle Flüge anwendbar, die innerhalb der Europäischen Union starten. Für Flüge, die in der EU landen, gilt sie nur dann, wenn die Airline ihren Sitz in einem der EU-Mitgliedsstaaten hat.

Der Deutsche Reiseverband (DRV), der Veranstalter und Reisebüros vertritt, gibt zumindest etwas Entwarnung. „Dass gut gebuchte Strecken zu den Pauschalreise-Zielen rund ums Mittelmeer oder zu ferneren Zielen in größerem Umfang gestrichen werden, ist eher unwahrscheinlich”, teilt der DRV auf Anfrage mit. „Das gilt insbesondere für Flüge, die von den Reiseveranstaltern lange im Vorfeld eingekauft worden sind.”

Veranstalter und Reisebüros seien in engem Austausch mit den Fluggesellschaften, um die Auswirkungen von möglichen Flugstreichungen so gering wie möglich zu halten. Weiter heißt es vom DRV, dass nicht alle Airlines bislang im Detail mitgeteilt hätten, welche konkreten Flüge gestrichen werden müssten. Häufig seien aber innerdeutsche Flüge betroffen, die für touristische Reisen eine geringere Bedeutung haben.

Dass sich der Personalengpass bei Airlines und Airports auf das Angebot von Last-Minute-Reisen auswirkt, damit rechnet der DRV nicht. „Es gibt weiter eine große Zahl an buchbaren Reisen für den Sommer.”

Laut einer in dieser Woche veröffentlichten Auswertung der Flugsuchmaschine Skyscanner können Reisende mit Flexibilität Geld sparen. So seien Flugreisen in die Türkei in der letzten Augustwoche im Schnitt etwa 36 Prozent günstiger als Mitte Juli - die Ersparnis für eine vierköpfige Familie liege hier im Schnitt bei 428 Euro.

Auch mit den Abflugtagen kann man Geld sparen, wenn man es sich entsprechend einrichten kann. So sei es laut Skyscanner oft ratsam, innerhalb der Woche zu fliegen. Die Flugsuchmaschine und ihre Mitbewerber wie Kayak, Momondo oder Google Flights haben eine Kalenderübersicht, wo man die Flugpreise für bestimmte Strecken im Wochen- oder Monatsverlauf vergleichen und die günstigsten Flugtage für die gesuchte Verbindung herausfinden kann.

Laut Fluggastrechteverordnung haben Reisende in so einem Fall ein Wahlrecht zwischen der vollständigen Erstattung des Ticketpreises und einer Umbuchung durch die Airline. „Sie haben also Anspruch auf eine Umbuchung”, so Verbraucherschützerin Wojtal. „Nur in der Praxis klappt das nicht immer.”

Kommt die Flugstreichung mit einigen Tagen Vorlauf, sollten Urlauber prüfen, was für sie günstiger ist. Womöglich können sie noch günstigere Flüge buchen, weil die Preise manchmal kurz vor Abflug noch mal sinken - das spreche für eine Erstattung. Auf die Umbuchung pochen sollte man indes, wenn die rausgesuchten Alternativflüge deutlich teurer sind als der gestrichene Flug.

Was man beachten sollte: In der Regel buche die Airline den Fluggast um, so Wojtal. Ansonsten sollte man sich auf jeden Fall das Einverständnis für die eigenständige Alternativbuchung von der Airline holen, damit es bei der Erstattung keine Probleme gibt.

Das muss man trotzdem bezahlen. Nur wenn die Geschäftsbedingungen (AGB) des Ferienhaus- oder Hotelbetreibers eine Stornierung vorsehen, kann man sein Geld zurückverlangen, erklärt Wojtal. Sonst bleibt nur das Hoffen auf Kulanz.

Hier ist der Veranstalter zuständig. Er muss für eine Ersatzbeförderung sorgen, stellt die Verbraucherzentrale Hamburg klar. Und der Reisepreis dürfe sich durch die neue Flugverbindung nicht erhöhen, auch wenn der Veranstalter aufgrund der Streichung kurzfristig teurere Flüge einkaufen müsse.

Wer seine Handynummer bei der Buchung angegeben habe, wird bei Flugzeitenänderungen oder -streichungen umgehend von unserem Sicherheitsmanagement informiert, erklärt Melanie Gerhardt von DER Touristik. Und: „Sollte ein Gast wirklich einmal seinen Flug verpassen, kümmern wir uns rund um die Uhr um die Umbuchung.”

Bei einem annullierten Flug im Rahmen einer Pauschalreise kommen laut Verbraucherschützerin Wojtal Ansprüche gegenüber dem Reiseveranstalter in Betracht - auf Minderung des Reisepreises oder sogar Schadenersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit.

Womöglich ja. Entscheidend ist der Zeitpunkt. Erfolgt die Storno-Info von der Airline weniger als 14 Tage vor Abflug, hat man neben dem beschriebenen Wahlrecht zwischen Erstattung und Umbuchung gegebenenfalls noch Anspruch auf eine Ausgleichszahlung in Höhe von bis zu 600 Euro - abhängig vom konkreten Einzelfall.

Wichtige Fragen sind laut Verbraucherschützerin Wojtal dabei: Wann wurde man genau informiert? Wurde ein Ersatzflug angeboten und wenn ja, wie viel später sollte dieser starten beziehungsweise landen? Wie lang ist die Flugstrecke?

Konkret: Erfolgte die Benachrichtigung über die Streichung sieben Tage bis zwei Wochen vor Abflug und wurden Alternativflüge angeboten, die maximal zwei Stunden früher starten und maximal vier Stunden später landen als die ursprünglichen Flüge, besteht kein Recht auf Ausgleichszahlung. Ist man weniger als sieben Tage vorher informiert worden, gilt das nur noch für Alternativflüge, die maximal eine Stunde früher starten und maximal zwei Stunden später landen.

Andersfalls stehen einem in der Regel Ausgleichszahlungen zu. Bei Flugstrecken bis 1500 Kilometer sind es zum Beispiel 250 Euro. Das Einzige, was einem dann noch einen Strich durch die Rechnung machen kann: Wenn außergewöhnliche Umstände wie etwa extrem schlechtes Wetter für die Flugstreichung gesorgt haben.

Gut zu wissen: Muss man aufgrund einer kurzfristigen Stornierung am Flughafen auf seinen Alternativflug warten, besteht Anspruch auf Betreuungsleistungen. Je nach Länge der Wartezeit sind das Wojtal zufolge etwa Verpflegung oder auch Hotelunterbringung.

„Hier kommt es auf den Einzelfall an, dies regelt die Verordnung nicht”, sagt Karolina Wojtal. Ein Anspruch gegen die Airline, den Reiseveranstalter oder den Flughafenbetreiber bestehe nur, wenn sich der Fluggast rechtzeitig vor dem Abflug am Flughafen eingefunden hat.

Voraussetzung für eine Verantwortlichkeit von Airline oder Betreiber sei darüber hinaus ein organisatorischer Fehler im Vorfeld des Check-ins oder der Kontrolle, zum Beispiel der Einsatz von zu wenig Personal, die Öffnung von zu wenig Schaltern oder Schleusen oder eine insgesamt schlechte Organisation der Abläufe.

Wie ein Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main zeigt, hat man bei überlangen Wartezeiten an von der Bundespolizei organisierten Sicherheitskontrollen unter Umständen auch Anspruch auf Schadenersatz durch die Bundesrepublik, wenn man sich mit dem zeitlichen Vorlauf am Airport eingefunden hat, den Flughafenbetreiber oder Airline empfohlen haben. (Az. 1 U 220/20)

Ist man rechtzeitig am Flughafen und droht, wegen langer Warteschlangen dennoch den Flug zu verpassen, sei es wichtig, den Zeitablauf zu dokumentieren, sagte der Reiserechtler Paul Degott dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). So sollte man Fotos von einigen Situationen machen - etwa von der rechtzeitigen Ankunft am Flughafen, der Schlange im Terminal, der Zahl der geöffneten Schalter.

Verbraucherschützerin Wojtal rät außerdem: Wenn es mit dem Erreichen des Fliegers knapp zu werden droht, sollte man darum bitten, bei der Kontrolle vorgezogen zu werden. „Sonst kann dem Fluggast ein Mitverschulden an dem Verpassen des Fluges angelastet werden.”

der Verbraucherzentrale NRW sein. Mit der kostenlosen, für iOS und Android verfügbaren Anwendung können Reisende ihre Ansprüche prüfen und eine Mail an die Airline formulieren.

bei Flugproblemen.

gibt es auch beim Autofahrer-Club ADAC. Damit könne man seine Rechte kostenfrei prüfen und dann entscheiden, ob und wie man tätig werden wolle, so der ADAC. So könnten Nutzerinnen und Nutzer im Anschluss einen Musterbrief erstellen, die Schlichtungsstelle für öffentlichen Personenverkehr (SÖP) einschalten, oder Vertragsanwälte des Clubs oder das Fluggastrechte-Portal Myflightright beauftragen, mit dem der ADAC zusammenarbeitet.

Solche Fluggastrechte-Portale gibt es reichlich, weitere Anbieter sind etwa EUclaim, Fairplane oder Airhelp. Ihre Dienstleistung kostet im Erfolgsfall Provision, abhängig von der Höhe der Erstattung. Das heißt, ein Teil der Ausgleichszahlung streichen die Fluggasthelfer ein. Darum ist es ratsam, zunächst selbst die Airline direkt zu kontaktieren, etwa mit Hilfe der genannten kostenlosen Tools.

© dpa-infocom, dpa:220616-99-688242/2 (dpa/tmn)