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Problem, Kosten und ZeitplanDas steckt hinter der geplanten Krankenhaus-Reform von Karl Lauterbach

Lesezeit 4 Minuten
19.10.2022,Köln: Neues MRT( AERA Magnetom von Siemes) in der Radiologie des Sankt Antonius Krankenhauses in der Kölner Schillerstrasse.Foto Dirk Borm

Auf Behandlungen spezialisierte Kliniken sollen in der Reform gestärkt werden. Gleichzeitig soll es künftig weniger Krankenhäuser geben. (Symbolbild)

Am Mittwoch bringt der Gesundheitsminister die Gesetzespläne ins Kabinett.

Die geplante große Reform für die Krankenhäuser in Deutschland soll nach monatelangen Vorarbeiten auf den Weg kommen. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bringt am Mittwoch Gesetzespläne ins Kabinett, die die Milliarden-Finanzierung neu ausrichten sollen. Die Ziele: weniger wirtschaftlicher Druck, mehr Spezialisierung und einheitliche Qualitätsregeln. Gegen das Vorhaben gibt es anhaltende Kritik aus den Ländern und der Klinikbranche, während die gesetzlichen Krankenkassen vor einer Verwässerung wichtiger Aspekte warnen.

Lauterbach machte schon klar, dass es um nicht weniger als „eine Art Revolution“ für das Netz der 1700 Kliniken geht – und man zum Erfolg verdammt sei. „Springt uns der Ball vom Fuß, würden wir nicht nur ein ungeordnetes Krankenhaussterben in den nächsten Jahren nicht mehr abwenden können, sondern wir hätten auch mit Qualitätsdefiziten zu kämpfen, die für die Bürger sehr schwer vermittelbar sind“, argumentierte er kürzlich nach einer Besprechung mit den Ländern.

Das Problem

Bisher bestehe „der ökonomische Anreiz, möglichst viele Patientinnen und Patienten zu behandeln“, heißt es im Entwurf. Das könne dazu führen, dass gewisse Behandlungen nicht nur aus medizinischen Gründen, sondern teils auch zur Erlössteigerung gemacht werden. Es entstehe das Risiko, dass Kliniken vermeintlich weniger lukrative Leistungen nicht mehr anbieten oder den Betrieb unabhängig vom regionalen Versorgungsbedarf einstellen. Da viele Häuser bestimmte Leistungen nur selten vornehmen und so wenig Erfahrung haben, folgten daraus Qualitätsdefizite, die sich „negativ auf das Wohl der Patientinnen und Patienten auswirken können“.

Neue Vergütung

Vor rund 20 Jahren wurden Fallpauschalen eingeführt, die das System effizienter machen sollten. Als Berater war damals auch Lauterbach dabei. Seitdem bekommen Kliniken pro Behandlungsfall einen pauschalen Betrag. Künftig soll es einen festen Sockel von 60 Prozent der Vergütung allein dafür geben, dass Kliniken eine Grundausstattung mit Personal und Geräten für bestimmte Leistungen vorhalten – unabhängig von der Zahl der Fälle. Extrazahlungen geben soll es unter anderem für Kinderheilkunde, Geburtshilfe, Intensivmedizin und Notfallversorgung.

Die Steuerung

Die neue Vorhaltevergütung soll eine Klinik für „Leistungsgruppen“ bekommen, die ihr das Land zuweist. Sie bilden medizinische Leistungen ab, und zwar präziser gefasst als grob benannte Fachabteilungen. Ausgangspunkt sollen 65 Gruppen sein, die maßgeblich auf ein Modell aus Nordrhein-Westfalen zurückgehen. Sie heißen etwa „OPs an der Wirbelsäule“ oder „Leukämie“. Mit definiert werden jeweils einheitliche Qualitätsvorgaben zu Fachpersonal und Ausstattung. Das soll bewirken, dass etwa Krebsbehandlungen in Kliniken mit Spezialkenntnissen laufen.

Kleine Kliniken

Die Vorhaltevergütung soll auch eine Existenzsicherung für kleinere Häuser gerade in ländlichen Regionen schaffen. Die für Planung zuständigen Länder sollen außerdem Standorte zu „sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen“ bestimmen können. Diese sollen „wohnortnah stationäre Krankenhausbehandlung mit ambulanten und pflegerischen Leistungen verbinden“, wie es im Entwurf heißt.

Finanzspritzen

Angesichts von Finanznöten vieler Kliniken sollen die Lohnkosten für alle Beschäftigten schon von diesem Jahr an nicht mehr nur zur Hälfte, sondern voll von den gesetzlichen Krankenkassen finanziert werden. Im Lager der Kassen keimen da schon Sorgen mit Blick auf kommende Tarifrunden. Um den Wandel zu den neuen Strukturen zu unterstützen, soll ein „Transformationsfonds“ kommen, aus dem von 2026 bis 2035 bis zu 25 Milliarden Euro aus Mitteln der gesetzlichen Kassen fließen könnten – sofern sich Länder jeweils in gleicher Höhe an der Finanzierung beteiligen.

Kosten

Auf die Kassen kommen Mehrausgaben zu – allein ein mittlerer dreistelliger Millionenbetrag für die volle Übernahme der Lohnkosten 2024. „Zusätzlich ergeben sich ab dem Jahr 2025 noch nicht bezifferbare jährliche Mehrkosten“, heißt es im Entwurf. Dem stünden ab 2025 Effizienzgewinne und Minderausgaben wegen einer stärker koordinierten, hochwertigeren Versorgung gegenüber. Die Ausgaben für Klinikbehandlungen stiegen zuletzt auf 94 Milliarden Euro – das war etwa ein Drittel aller Leistungsausgaben. Um die Kliniken zu entlasten, soll die Einzelprüfung aller Rechnungen, die sie den Kassen schicken, durch Stichproben abgelöst werden.

Zeitplan

Der lange Anlauf zur Reform begann schon am Nikolaustag 2022, als eine Regierungskommission ein Konzept dafür empfahl. Lauterbach peilt die erste Lesung im Bundestag noch vor der Sommerpause an. In Kraft treten soll das Gesetz dann zum 1. Januar 2025. Wie reibungslos der Prozess läuft, muss sich zeigen. Die Ampel-Koalition steht in der Frage zusammen, mit den Ländern köchelt aber weiter Streit. Dabei hat Lauterbach das Gesetz nicht mehr so angelegt, dass es im Bundesrat zustimmungsbedürftig ist. Umgesetzt werden soll die neue Struktur später Schritt für Schritt. So soll die neue Vorhaltevergütung ab 2027 „budgetwirksam“ werden. (dpa)