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8 Antworten zu OmikronWie gut schützen die Impfstoffe gegen die Variante?

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Die Ausbreitung der zunächst im Süden Afrikas entdeckten Omikron-Variante des Coronavirus sorgt weltweit für Beunruhigung. 

Berlin – Erst seit Freitag ist weltweit überhaupt allgemein bekannt, dass es sie gibt – und schon mehren sich die internationalen Nachweise der Omikron-Variante (B.1.1.529) des Coronavirus. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stufte die außergewöhnlich viele Veränderungen im Erbgut tragende Abwandlung direkt als „besorgniserregend“ ein, inzwischen hat sie ihre Einstufung des durch Omikron entstandenen Risikos als „sehr hoch" verschärft. Doch was ist überhaupt schon zu Omikron bekannt? Eine Übersicht.

Ist Omikron noch einmal ansteckender als die zuvor in Europa kursierenden Varianten Alpha und Delta, die ihrerseits schon deutlich leichter übertragbar waren als davor dominierende Versionen?

Sicher sagen lässt sich das noch nicht. B.1.1.529 hat Mutationen in der Nähe der sogenannten Furin Cleavage Site, einer Region, die eine Rolle bei der Aufnahme des Virus in menschliche Zellen spielt. Eine verbesserte Übertragbarkeit durch diese Änderungen sei denkbar, erklärt der Berliner Virologe Christian Drosten. Sicher nachgewiesen sei sie bisher nicht. Aus den Zahlen in Südafrika allein lasse sich nicht zwingend auf eine erhöhte Übertragbarkeit schließen, unter anderem da das Infektionsgeschehen dort zuletzt stark reduziert gewesen sei und neu auftretende Ausbrüche vor so einem sehr kleinen Hintergrund übergroß erscheinen könnten.

Inzwischen mehren sich allerdings die internationalen Verdachtsfälle und Nachweise – obwohl zumeist erst seit Freitag gezielt nach Omikron gesucht wird. Die Variante könnte sich also schon weitaus stärker verbreitet haben als bisher bekannt.

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Als ein Hinweis auf höhere Übertragbarkeit lässt sich ein Fall in Hongkong werten, zu dem die Details genau bekannt sind, weil er in einer Quarantäne-Unterkunft passierte: Nach Angaben der Hongkonger Regierung hat ein Reisender aus Südafrika die Variante mitgebracht und sie trotz strenger Isolation an einen 62-Jährigen im gegenüberliegenden Zimmer weitergegeben. Mögliche Ursache: kein ausreichender Mundschutz beim Entgegennehmen von Essen durch die Hoteltür. Beide Männer wiesen demnach eine sehr schnell ansteigende, rasch sehr hohe Viruslast auf.

Die EU-Gesundheitsbehörde ECDC hält die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Einschleppung und Verbreitung der Variante in Europa für hoch. Zu bedenken beim Thema Verbreitung ist auch: Der geografische Ursprung von Omikron muss nicht in Südafrika liegen, wie Drosten erklärt. „Angrenzende Länder, die starke Reiseverbindungen mit Südafrika unterhalten, haben eine geringer ausgeprägte Virusüberwachung als Südafrika.“ Zudem liege der Flughafen Johannesburg in der Provinz, in der das Virus in Südafrika zuerst bemerkt wurde.

Wie ist Omikron entstanden?

Die überraschend viele Mutationen tragende Corona-Variante Omikron könnte Experten zufolge in einem Patienten mit HIV oder einer anderen Form der Immunschwäche entstanden sein. Das sei denkbar und wahrscheinlich, ähnliche Befunde seien in anderen Fällen bereits publiziert worden, sagte Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie (DGfI), der Nachrichtenagentur dpa.

In Menschen mit geschwächtem Immunsystem könne sich das Virus über viele Wochen vermehren, so Watzl. „Dabei können immer wieder vereinzelt Mutationen auftreten, die dem Virus eventuell keinen Vorteil bringen, die sich aber aufgrund der fehlenden Kontrolle durch das Immunsystem dennoch weiter vermehren können.“ Damit könnten zusätzliche Mutationen entstehen, die dann in der Kombination eventuell einen Vorteil brächten.

„Die vielen Mutationen sprechen für Entstehung in HIV-Patienten“, hatte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach schon am Freitag getwittert. Omikron besitzt im Vergleich zum ursprünglichen Sars-CoV-2 aus Wuhan eine ungewöhnlich hohe Zahl von etwa 30 Aminosäureänderungen allein im Spike-Protein. Darunter sind Mutationen, von denen bekannt ist, dass sie mit einer stärkeren Übertragbarkeit und Immunescape in Verbindung stehen. Hinzu kommen viele Mutationen, deren Bedeutung noch unklar ist.

„Auch wenn wir den Effekt einzelner Mutationen aus den anderen Varianten kennen beziehungsweise abschätzen können, ist aktuell unklar, welchen Effekt diese Kombination an Mutationen haben wird“, erklärte Watzl. Viele HIV-Patienten würden in Afrika nicht ausreichend therapiert, weshalb ihr Immunsystem deutlich geschwächt sei, so Watzl. Zur Vermeidung der Ausbreitung so umfangreich veränderter Varianten wie Omikron wäre es demnach wichtig, infizierte immungeschwächte Menschen zu identifizieren und sie zu isolieren, bis sie nicht mehr infektiös sind. „Denn selbst wenn das Virus in einer solchen Person stark mutiert, erst die Weitergabe des mutierten Virus ist wirklich gefährlich.“

Wie gut schützen die derzeit verwendeten Impfstoffe gegen Omikron?

Erste Laboruntersuchungen der Hersteller dazu laufen derzeit, mit Ergebnissen wird in etwa zwei Wochen gerechnet. Die genetischen Eigenschaften lassen Experten jedenfalls um den Impfschutz bangen: B.1.1.529 hat Mutationen an mehreren dafür entscheidenden Stellen. „Nach derzeitigem Ermessen sollte man davon ausgehen, dass die verfügbaren Impfstoffe grundsätzlich weiterhin schützen“, so Drosten. Gerade der Schutz gegen schwere Erkrankungen sei besonders robust gegen Virusveränderungen.

Dem pflichet auch Biontech-Chef Ugur Sahin bei. „Wir halten es für wahrscheinlich, dass Geimpfte einen deutlichen Schutz gegen schwere Erkrankungen, die durch Omikron verursacht werden, haben werden", sagte Sahin im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters. Er gehe davon aus, dass dieser Schutz noch ausgeprägter sei, „wenn die Menschen ihre dritte Impfung bekommen haben.“ Darauf zielten auch Sahins Aussagen im "Wall Street Journal" ab: Niemand solle wegen Omikron die Nerven verlieren, vielmehr gehe es jetzt darum, allen möglichst schnell Auffrischungsimpfungen zu verabreichen. Trotzdem arbeitet auch Biontech an einer möglichen Anpassung seines Impfstoffs, um im Falle einer zu schwachen Antwort auf Omikron schneller reagieren zu können.

Stéphane Bancel, Chef des US-Pharmakonzerns Moderna, der das andere in Deutschland verimpfte mRNA-Vakzin entwickelt hatte, hatte sich tags zuvor gegenüber der „Financial Times“ deutlich skeptischer als Sahin geäußert. Wegen der vielen Mutationen der Omikron-Variante gingen Wissenschaftler von einer „erheblichen Abnahme“ der Schutzwirkung aus. „Ich denke, es wird ein erheblicher Rückgang sein. Ich weiß nur nicht, wie viel, weil wir die Daten abwarten müssen. Aber alle Wissenschaftler, mit denen ich gesprochen habe, sind der Meinung: 'Das wird nicht gut sein'.“

Auch Moderna arbeitet bereits an einer Anpassung des Impfstoffs. Ob diese nötig sein wird, würden die nächsten zwei bis drei Wochen beantworten, sagte Drosten. Eine Anpassung der mRNA-Impfungstoffe sei möglich. „Das wird man technisch relativ einfach machen können. Aber wir sprechen hier doch von Monaten.“ Auch Bancel dämpfte die Hoffnung auf die schnelle Impfung mit angepasstem Vakzin, falls dies nötig sein sollte. So dürfte es Monate dauern, bis die Produzenten die angepassten Impfstoffe in ausreichendem Umfang herstellen könnten.

Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), betonte, dass die Impfung auch im Fall einer verringerten Wirksamkeit die beste Option bleibe. „Alle Menschen, die sich impfen lassen, fangen nicht bei null an, wenn sie sich mit einer neuen Variante infiziert haben.“ Sie hätten auf jeden Fall schon einen gewissen Impfschutz, das sei entscheidend zu wissen.

Dem Berliner Infektionsimmunologen Leif Erik Sander zufolge hat Omikron zwar viele Veränderungen an Stellen, an denen gerade die besten Antikörper binden können. „Aber unser Körper bildet eine Unmenge an verschiedenen Antikörpern.“ Hinzu kämen spezielle Zellen der Immunabwehr, die in der Regel ganz andere Stellen erkennen als die Antikörper. „Also wir haben immer ein Netz und einen doppelten Boden“, sagte der Immunologe der Berliner Charité. Gerade bei der zellulären Immunität sei er sehr optimistisch, dass sie auch bei Omikron greife – und das sei die, die den Körper schütze, wenn das Virus in die Lunge eindringe und dort zu schwerem Lungenversagen führen könnte. „Darum sind wir optimistisch, dass wir mit so einer neuen Variante nicht bei null anfangen.“

Das Level an Immunität könne durch die Booster-Impfungen generell noch einmal sehr stark angehoben werden – was auch gegen Varianten helfe, führte der Infektionsimmunologe weiter aus. „Die Booster bleiben wichtig, gerade auch bei den Varianten.“ Für eine genaue Einschätzung speziell zu Omikron fehlten bislang noch Daten - noch sei daher auch unklar, ob eine Anpassung der Impfstoffe nötig werde.

Wie sieht es beim Risiko für eine erneute Corona-Infektion aus?

„Die Genom-Veränderungen weisen darauf hin, dass dieses Virus einen Immunescape zeigen könnte“, erklärt Drosten. Auch das Fallgeschehen in Südafrika lasse plausibel erscheinen, dass Omikron eine gegen andere Sars-CoV-2-Versionen aufgebaute Immunabwehr umgehen könnte: Die derzeit nachgewiesenen Infektionen fänden in sehr großem Maße bei vorher bereits Genesenen statt – es stecken sich also Menschen an, die schon mit Delta oder einer anderen Variante infiziert waren. Dies allein könne im Fall von Südafrika auch schon eine Erklärung für eine relativ zum vorher zirkulierenden Delta-Virus erhöhte Übertragbarkeit sein.

Wichtig zu wissen ist aber auch, wie Drosten betont: Für einen kompletten Ausfall des Immunschutzes wären nach wissenschaftlichem Kenntnisstand noch „bedeutend viel mehr Mutationen“ im Spike-Protein erforderlich.

Erkranken mit Omikron Infizierte schwerer?

„Für eine veränderte Krankheitsschwere gibt es derzeit keine Hinweise“, betont Drosten, Leiter der Virologie in der Berliner Charité. Nach Angaben der Mediziner-Vereinigung SAMA in Südafrika erkrankten die dort Betroffenen bisher nicht schwerwiegender. Allerdings stehen die Analysen dazu noch am Anfang, Südafrika hat zudem andere Grundvoraussetzungen – etwa eine andere Altersstruktur – als Länder wie Deutschland.

„Die Patienten klagen meist über einen schmerzenden Körper und Müdigkeit, extreme Müdigkeit, und wir sehen es bei der jüngeren Generation, nicht bei den älteren Menschen“, sagte Angélique Coetzee, Vorsitzende des südafrikanischen Ärzteverbands. Es handele sich nicht um Patienten, die direkt in ein Krankenhaus eingeliefert würden, sagte Coetzee. Die meisten Infizierten seien Männer unter 40 Jahren gewesen, weniger als die Hälfte von ihnen sei geimpft gewesen. Sie hätten leichte Muskelschmerzen gehabt, einen „kratzigen Hals“ und trockenen Husten. Nur einige hätten leicht erhöhte Temperatur gehabt. Alle hätten sich wieder erholt, ohne ins Krankenhaus zu müssen.

Berücksichtigt werden muss dabei jedoch, dass sich in Südafrika großteils Menschen infizierten, die schon von einer anderen Variante genesen waren, also schon einen gewissen Immunschutz haben. Aussagen über den Krankheitsverlauf seien derzeit nicht möglich, sagt Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie (DGfI). „Dazu haben wir momentan einfach zu wenige Fälle.“

Wenn so viele Dinge zu B.1.1.529 noch gar nicht genau bekannt sind, warum sofort die große internationale Besorgnis?

Omikron trägt so viele Mutationen wie noch von keiner Variante zuvor bekannt, davon allein mehr als 30 beim Spike-Protein, über das das Virus an menschliche Zellen andockt. Gegen das Spike-Protein bildet der Körper bei einer Ansteckung mit dem Virus Antikörper. Auch viele der Impfstoffe regen das Immunsystem zur Bildung von Antikörpern gegen dieses Protein an. Hinzu kommen, neben weiteren mit unbekannten möglichen Folgen, die Mutationen nahe der schon genannten Furin Cleavage Site.

Omikron vereine erstmals kritische Mutationen in der Rezeptorbindungsstelle aus den Varianten Alpha (erstmals nachgewiesen Ende 2020 in England), Beta (Südafrikanische Epidemie im zweiten Halbjahr 2020), Gamma (Brasilien 2020) und Delta (Indien 2021 und jetzt global vorhanden), erklärte Drosten. Für eine Bewertung und Einordnung der Veränderungen brauche es nun weitere Daten. Reisebeschränkungen als Vorsichtsmaßnahme hält der Virologe für sinnvoll: „Eine Kontrolle der Verbreitung durch Unterbindung von Flugverbindungen nach Deutschland ist in der Frühphase der Einschleppung von Infektionen wirksam und damit zum aktuellen Zeitpunkt gerechtfertigt.“

Wie läuft der Nachweis von Omikron?

PCR-Tests (im Labor analysiert) können laut Virologen eine Corona-Infektion mit der Omikron-Variante erkennen. Darauf weist unter anderem der Virologe Tulio de Oliveira hin. Er ist Direktor des Centre for Epidemic Response and Innovation an der Universität Stellenbosch in Südafrika.

Doch PCR-Tests werden in Deutschland vergleichsweise wenige durchgeführt. In Supermärkten und Drogerieläden sowie an den Corona-Teststellen für den kostenlosen Bürgertest werden Schnelltests eingesetzt. Wie gut solche Schnelltests eine Infektion mit der neuen Corona-Variante Omikron erkennen, zeigt nun ein Test von Virologen. „Die Antigentests wirken bei Omicron“, schreibt SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach zum Ergebnis.

Das Bild von drei verschiedenen Schnelltests mit der Omikron-Variante hat die Virologin Sandra Ciesek bei Twitter geteilt. Es handelt sich dabei nach ihren Angaben um die Tests von den großen Herstellern Roche, Siemens und Flowflex. Durchgeführt wurden demnach sowohl ein Nasen- als auch ein Rachenabstrich.

Alle drei Tests waren auch bei Omikron positiv, wie Ciesek bestätigt. Der Test von Siemens soll sogar schon nach 20 Sekunden positiv ausgefallen sein. Normalerweise kann es ein bis zu 15 Minuten dauern, bis das endgültige Testergebnis vorliegt. Der SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach bezeichnete dies als „gute Nachricht“. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass die Ergebnisse der drei Schnelltests nicht für die Schnelltests anderer Hersteller gelten muss. Bis zu einem speziell für Omikron geschaffenen Test gebe nur eine Gesamtgenomsequenzierung absolute Sicherheit, heißt es vom RKI.

Welcher Impfstoff i

Warum Omikron als Name?

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) benennt auffällige Varianten von Sars-CoV-2 seit einiger Zeit nach den Buchstaben des griechischen Alphabets. Damit soll verhindert werden, dass die Orte, an denen die Varianten erstmals auftreten, als Bezeichnung verwendet und sprachlich an den Pranger gestellt werden. Der Reihenfolge nach hätte nun Ny folgen sollen – doch die WHO ließ diesen und auch gleich den folgenden Buchstaben Xi aus. Warum?

Ny, das auf Englisch Nu heißt, klinge zu sehr nach „new“ (deutsch: „neu“) und wäre daher missverständlich gewesen, hieß es dazu von der WHO. „Xi wurde nicht verwendet, weil es ein verbreiteter Nachname ist.“ Virus-Bezeichnungen sollten keine ethnischen oder regionalen Gruppen verletzen. Wobei Xi zwar in China und in Ländern mit Han-chinesischer Bevölkerung gebräuchlich ist, aber zumindest in China kein sehr häufiger Name. Es gibt allerdings einen sehr wichtigen Namensträger: den chinesischen Staatschef Xi Jinping. (dpa, mit RND)