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Trumps Mars-MissionWie realistisch sind bemannte Flüge zum Roten Planeten?

Lesezeit 8 Minuten
Werden die Vereinigten Staaten die erste Nation sein, die Menschen auf den Mars schicken? Donald Trump und Elon Musk wollen den Traum wahr werden lassen. . Cigdem Simsek

Werden die Vereinigten Staaten die erste Nation sein, die Menschen auf den Mars schicken? Donald Trump und Elon Musk wollen den Traum wahr werden lassen.

Elon Musks Traum von einer Kolonie auf dem Mars klingt nach Science-Fiction. Wie realistisch ist das? Claas Olthoff, Professor für Astronautik an der Universität Stuttgart, ordnet ein.

Herr Prof. Olthoff, der neue US-Präsident Donald Trump hat bei seiner Amts­einführung nicht Geringeres als die Kolonisierung des Mars angekündigt. Das klingt wie Science-Fiction. Wie realistisch sind denn bemannte Flüge zum Roten Planeten in den nächsten vier Jahren?

Raumfahrt­projekte sind groß und kompliziert und haben den Ruf, sehr teuer zu sein. Das Teure daran sind nicht unbedingt nur das Material oder die Maschinen, sondern vor allem die Menschen: Man braucht viele Ingenieurinnen und Ingenieure, um eine Rakete zu bauen. Und die wollen alle jeden Monat Geld haben. Jetzt kann man natürlich sagen, wir machen das mit vielen Leuten, dann sind wir schneller fertig. Doch auch hier muss die Arbeit koordiniert werden, und wenn zu viele Menschen in einem Projekt arbeiten, wird es auch wieder ineffizient und langsamer. Mein Bauchgefühl ist: Vier Jahre sind zu wenig in Anbetracht dessen, wo die Technik jetzt ist. Die Frage ist jedoch im Grunde nicht: Wie viele Jahre dauert es noch? Sondern: Wie viele Dollar dauert es noch?

Das wundert mich. Müsste die Entwicklung von neuen Raketen nicht dank KI und Super­computer immer schneller und günstiger werden?

Natürlich sind viele Berechnungen viel einfacher und schneller geworden, aber gleichzeitig sind die Projekte immer komplizierter geworden. Die Missionen sind länger und aufwendiger als früher. Und es stecken viel mehr Elektronik und Software in den Raketen als in den 60er-Jahren. Meine Apple Watch hat mehr Rechen­leistung als die Computer, die bei den Apollo-Missionen den Flug zum Mond berechnet haben. Das war damals viel Handarbeit. Entsprechend war die Raumfahrt früher im Verhältnis noch viel teurer als heute. Die USA haben zu den Hochphasen des Apollo-Programms 4 Prozent ihres Budgets nur für Apollo ausgegeben. 400.000 Leute haben an dem Programm mitgearbeitet. Für solche Dimensionen würde es heute keine Mehrheiten mehr geben, zumal eine Mars-Landung erst zehn Jahre oder noch viel später erfolgen würde. In den Sechzigern war man außerdem gewillt, sehr viel mehr Risiko einzugehen: Heutzutage sind die Sicherheits­anforderungen – auch als Folge der verschiedenen Unfälle, die in der Zwischenzeit passiert sind – sehr viel höher. In den Sechziger­jahren war da eben die Mentalität noch ein bisschen anders. Die Astronauten waren zum Großteil Testpiloten, die experimentelle Flugzeuge mit Mach 2 (doppelter Schall­geschwindigkeit, Anm. d. Red.) in der Wüste getestet haben, und dabei gab es nicht selten tödliche Unfälle.

Eine bemannte Mars-Mission müsste gut vorbereitet werden

Für Trump scheint eine Mars-Mission der USA ein Zeichen nationaler Stärke zu sein. Entsprechend wird er gewillt sein, viel Geld dafür bereitzustellen. Aber haben die USA für so ein Vorhaben schon die nötige Technologie oder können diese entwickeln?

Technisch gibt es keine großen Showstopper. Die Firma SpaceX von Tech-Unternehmer Elon Musk hat bereits eine Riesen­rakete gebaut: das sogenannte Starship. Von den Fähigkeiten her wäre das ein System, mit dem man eine Mars-Mission bewerkstelligen könnte. Wohlgemerkt, nicht mit einem Start, sondern mit sehr vielen in den kommenden Jahren. Denn man müsste vor einer bemannten Mission erst mal das ganze Material, insbesondere den Treibstoff für die Rückreise, zum Mars bringen. Das Problem: Die Rakete ist bis jetzt siebenmal geflogen, doch die Flüge waren noch nie 100-prozentig erfolgreich. Sie ist also noch nicht zu Ende entwickelt. Und man müsste noch die Raum­fahrzeuge entwickeln, um tatsächlich von der Erde zum Mars zu kommen. Man braucht noch die Geräte, mit denen man auf dem Mars landen kann. Und dann braucht man auf dem Mars noch etwas, wo man wohnen kann. Das kann man jedoch alles entwickeln.

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Sie sagen also, die Heraus­forderungen bei einer bemannten Mars-Mission wären im Prinzip die gleichen wie bei einer Mondmission. Und da haben wir sie ja auch gemeistert.

So pauschal würde ich es nicht sagen. Es ist schon schwieriger auf dem Mars. Das hat verschiedene Gründe. Die Schwerkraft ist auf dem Mond circa ein Sechstel kleiner als auf der Erde. Der Mars hingegen ist größer und schwerer als der Mond, und so ist die Schwerkraft hier auch größer. Daher muss man mehr Energie aufwenden, wenn man auf dem Mars landen will. Zusätzlich gibt es auf dem Mond keine Atmosphäre. Das heißt, dort nutzt man einfach die ganze Zeit sein Raketentriebwerk, bis man auf der Oberfläche ist, und dann schaltet man das Triebwerk aus. Der Mars hingegen hat eine Atmosphäre, auch wenn sie sehr dünn ist. Sie hat zwar nur ungefähr ein Prozent des Drucks, den wir hier auf der Erdoberfläche haben, aber es ist eben nicht nichts. Also braucht man ein Wieder­eintritts­system, einen Hitzeschild. Je mehr Masse man auf die Oberfläche des Mars bringen will, desto größer muss der Hitzeschild sein. Hier stößt man dann auch irgendwann an technologische Grenzen und braucht nicht nur ein Lande­fahrzeug, sondern mehrere. Und dann gibt es noch eine Reihe an weiteren Details die noch geklärt werden müssen. Aber es gibt tatsächlich keine Showstopper. Technologisch ist eine Mars-Mission kein Problem. Es muss nur irgendjemand einen sehr großen Scheck ausstellen und sagen „Let’s go!“. Trump will genau das im Prinzip machen.

Aber stellt uns nicht die Entfernung zum Mars vor große Probleme? Wie lange würde eine Reise zum Mars mit unserer heutigen Antriebs­technik denn dauern?

Es ist nicht so eine fixe Zahl, aber mit so ungefähr zwischen sechs und acht Monaten muss man rechnen. Diesen Flug kann man aber nur alle zwei Jahre machen. Denn der Mars braucht für eine Runde um die Sonne etwas mehr als zwei Erdenjahre. Das heißt, alle zwei Jahre sind sich die beiden Planeten am nächsten. Die Entfernung beträgt dann aber immer noch rund 60 Millionen Kilometer. Und wenn man dann da ist, dann kann man entweder ganz kurz dableiben und gleich wieder verschwinden oder man muss ganze zwei Jahre dableiben. Entsprechend müsste man viel Ausrüstung zuvor zum Mars gebracht haben.

Auf dem Mars angekommen, erwartet die Astronauten eine unwirtliche Umgebung: Der Planet ist eiskalt, es gibt eine hohe Strahlung. In den Visionen von Elon Musk ist man schnell bei Terraforming-Projekten, die den Planeten in eine lebens­freundliche Welt verwandeln sollen. So weit sind wir aber doch noch lange nicht, oder?

Na ja, wir machen ja gerade Terraforming auf der Erde, indem wir die Atmosphäre schön warm machen – mit ganz viel CO₂ und Methan. Das könnten wir auch auf dem Mars machen. Aber das sind Vorgänge, das wissen wir von unseren eigenen Erfahrungen hier auf der Erde, die Hunderte Jahre dauern. Und es stellt sich die Frage, wer entscheidet, dass wir den Mars so verändern wollen. Es gibt ein Weltraumgesetz aus den späten Sechzigerjahren, das unter den Vereinten Nationen aufgehängt ist. Im Prinzip steht da drin, dass nichts, was oberhalb von 100 Kilometern über der Erdoberfläche ist, irgendjemandem gehören kann.

Raumfahrtpläne der USA ändern sich oft

Die Regelung stammt aus einer Zeit, in der sich West und Ost ein „Wettrennen zum Mond“ lieferten: Welche Nation würde die erste sein, die Menschen auf den Erdtrabanten schickt. Damals haben die USA das Rennen gewonnen, und nun wollen sie wieder auf den Mond. Doch sie haben Konkurrenz aus China.

Ja, der einzige andere Player derzeit, der substanziell in der Raumfahrt tätig ist, ist China. Das Land hat ein autoritäres Regime, in dem sich nicht alle vier Jahre die Mehrheiten durch Wahlen ändern können und danach Pläne wieder über den Haufen geschmissen werden. In den USA ist das historisch betrachtet tatsächlich oft der Fall gewesen: So hat George Bush Senior gesagt „Wir fliegen wieder zum Mond“, und Bill Clinton hat das dann gekippt. George Bush Junior hat gesagt „Wir fliegen zum Mond“, und das Barack Obama gekippt. Und dann hat Trump das in seiner ersten Amtszeit gesagt. Dass Joe Biden das Artemis-Programm hat weiterlaufen lassen, war also eine Ausnahme. Die Chinesen hingegen haben Anfang der 90er-Jahre beschlossen, dass sie im Weltall mitspielen wollen. Sie haben sich einen Plan gemacht, und den ziehen sie sehr organisiert und strukturiert durch. Sie haben längst eine eigene Raumstation. Wenn man vergleicht, was die Chinesen heute machen, ist alles sehr ähnlich zu dem, was die USA und die Sowjetunion in den Sechzigern gemacht haben. Ende des Jahrzehnts wollen sie mit Taikonauten, wie die chinesischen Raumfahrer genannt werden, auf dem Mond landen. Ob sie dabei schneller sind als die USA, ist für Peking im Grunde nicht so wichtig. In den nächsten fünf, sechs Jahren werden wieder Menschen auf dem Mond landen. Vielleicht werden die Amerikaner schneller sein, vielleicht die Chinesen.

Europa mit der Esa spielt in der bemannten Raumfahrt keine große Rolle, wie es scheint. Oder könnten auch europäische Firmen und Forscher von Trumps Ankündigung profitieren?

Für das Artemis-Programm, mit dem die Nasa zurück auf den Mond kommen will, wird eine gigantische Rakete entwickelt, die SLS. Ganz obendrauf sitzt die Orion-Kapsel. Dahinter ist eine Art Maschinen­raum für die Kapsel, in der die Tanks, der Antrieb und das Stromversorgungs­system sind. Dieser Teil, das European Service Module, wird in Europa gebaut. Für die nächste Mondlandung der Amerikaner ist dieses Modul – per heute – zwingend erforderlich. Wenn jetzt unter Trump Elon Musk kommt und sagt, das ist alles Nonsens, das brauchen wir nicht, das kann alles mein Starship – dann wäre die europäische Industrie ziemlich außen vor. Das stimmt. Tatsächlich fährt die Nasa aber immer mehrgleisig, wenn sie kommerzielle Aufträge vergibt. Damit ist sie bisher auch gut gefahren. Daher hat sie neben SpaceX auch noch einen Vertrag mit Blue Origin, der Firma von Jeff Bezos. Auch Blue Origin baut ein Mond­lande­gerät. Inwieweit sich das alles mit Trump ändert, wissen wir noch nicht. Bei den Experimenten von europäischen Forschungs­einrichtungen, die für das Artemis-Programm auf dem Mond geplant sind, glaube ich allerdings, dass diese trotzdem Teil des Plans bleiben.

Aufschluss in der Frage nach anderem Leben im All möglich

Noch einmal zurück zum Mars: Warum würde sich denn eine bemannte Mission zu diesem Planeten lohnen, dass die Menschheit dort so viel Geld reinsteckt?

Der Mars ist deswegen so besonders interessant, weil wir mittlerweile wissen, dass es auf dem Mars früher flüssiges Wasser gab. Vielleicht gibt es auch jetzt noch flüssiges Wasser, das weiß man nicht sicher. Und flüssiges Wasser ist in all dem, was wir heute über die Entstehung von Leben wissen, ein essenzieller Bestandteil. Unsere Vermutung ist, wenn es irgendwo im All einmal flüssiges Wasser gegeben hat, dann könnte es da auch Leben gegeben haben oder geben. Wir haben in anderen Sonnensystemen schon Exoplaneten entdeckt, die von ihrer Größe her und vom Abstand zu ihrem Gestirn in der sogenannten Goldilocks-Zone liegen, in der es flüssiges Wasser geben könnte, wo es also nicht zu warm und nicht zu kalt ist. Wenn wir nun auf dem Mars Spuren von vergangenem oder aktuellem Leben finden, dann heißt das im Umkehr­schluss, dass die Wahrscheinlichkeit, dass es woanders im Universum Leben oder gar intelligentes Leben gibt, sehr viel höher ist, als wenn der Mars steril ist.

Und was können wir Menschen auf dem Mars ganz konkret lernen? Wird uns ein Besuch auf dem Roten Planeten neue Erkenntnisse zum Beispiel über den Klimawandel auf der Erde ermöglichen?

Nein, dafür sind astronautische Missionen gar nicht ausgelegt. Astronautische Raumfahrt ist in erster Linie Grundlagen­forschung. Ein großer Teil der Raumfahrt im Allgemeinen ist jedoch die erdbeobachtende Raumfahrt. Also mit Satelliten, die in niedrigen oder hohen Erdorbits permanent die Erde mit allen möglichen Sensoren beobachten. Pointiert gesagt: Ohne diese Raumfahrt wüssten wir noch gar nicht, dass es wirklich einen Klimawandel gibt. Das sind im Übrigen auch die Vorhaben, in die Trump kein Geld stecken will. Im Gegenteil. In seiner ersten Amtszeit hat er schon versucht, diese Erdbeobachtungs­programme, die etwa CO₂-Gehalt in der Atmosphäre oder den Methangehalt in der Atmosphäre messen, zu stoppen oder einzuschränken.