StilkolumneEhrlich gemeint oder billig – Wie klingt ein gutes Kompliment?
Lesezeit 4 Minuten
Ein gutes Kompliment stärkt die Beziehung zweier Menschen.
Copyright: Getty Images/Cultura RF
ANZEIGE
ANZEIGE
Aber bitte mit Stil! In unserer Kolumne „Wie geht’s?“ dreht sich alles um das richtige Verhalten. Ob bei offiziellen Anlässen, beim Essen, im Gespräch oder vor dem Kleiderschrank.
Protokollchefin i.R. Ingeborg Arians, Modeexpertin Eva Reik, Restaurant-Chef Vincent Moissonnier sowie Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch schreiben abwechselnd über das richtige und stilvolle Auftreten.
Diesmal erklärt Ingeborg Arians, was ein gutes Kompliment ausmacht. Und wann es zu billig wirkt.
Köln – Für Umgangsformen gilt dasselbe wie im Tierreich: Manche einst weit verbreitete Spezies steht heute auf der Roten Liste der bedrohten Arten. Das Kompliment zum Beispiel. Johannes Heesters, Inbegriff des Charmeurs alter Schule, bezeichnete es einmal als „charmante Vergrößerung einer kleinen Wahrheit“. Nett gesagt. Doch spätestens mit der #metoo-Bewegung und einem gewachsenen Selbstbewusstsein von Frauen hat der Deutungsanspruch gewechselt: Wer stellt fest, was die „kleine Wahrheit“ ist, und wem steht es zu, sie zu „vergrößern“ und das zu kommunizieren? Ich schlage deshalb vor, zwischen guten, schlechten und hier noch einmal speziell vergifteten Komplimenten zu unterscheiden.
So geht das gute Kompliment
Ein gutes Kompliment ist bestens dafür geeignet, eine Kommunikation zu eröffnen, indem man einer anderen Person etwas Nettes sagt. Bei der Vorbereitung auf diese Kolumne zum Beispiel habe ich mich im Gespräch darüber gefreut, dass sich die Redaktion stets pünktlich an die vereinbarten Termine hält. Solche Komplimente zu Fähigkeiten, positiven Eigenschaften oder zwischenmenschlichen Kompetenzen sind dann „gut“, wenn sie authentisch – also ehrlich – und zutreffend – also wahrhaftig – sind.
Ingeborg Arians, geboren 1954, hat Sprachen und Volkswirtschaftslehre studiert und ist Dipl.-Übersetzerin für Französisch, Spanisch und Englisch. Von 1986 bis 2019 war sie Leiterin der Abteilung Repräsentation und Protokoll im Amt der Oberbürgermeisterin der Stadt Köln. In dieser Zeit arbeitete sie für insgesamt vier Oberbürgermeister und die amtierende OB Henriette Reker.
In dieser Form bin ich ein Fan des Kompliments. Als Ausdruck von Wertschätzung stärkt es die Beziehung zweier Menschen zueinander. Perfekt eingesetzt ist ein Kompliment, wenn Sie auch noch Maß, Anlass und Zeitpunkt berücksichtigen. Sie können zum Beispiel Ihrem Chef oder Ihrer Chefin durchaus einmal ein anerkennendes Wort sagen, aber vielleicht nicht gerade vor einem Gehaltsgespräch oder am Beginn eines Workshops mit einem Dutzend Kolleginnen und Kollegen.
Das vergiftete Kompliment
Dem schlechten Kompliment fehlt die Wahrhaftigkeit. Das weiß die Person, die es ausspricht, und womöglich auch die , an die es sich richtet. Weist diese das Kompliment dann zurück – „das stimmt doch gar nicht“ –, läuft es ins Leere.
Von der billigen Schmeichelei ist es kein weiter Weg mehr zum vergifteten Kompliment, das nicht nur in der Sache falsch ist, sondern auch nicht ehrlich gemeint ist. In einer (ironischen) Umkehrung der Wirklichkeit – „oh, heute sind Sie ja mal pünktlich!“ - wird es zu einer verletzenden Waffe, vor allem in Gegenwart Dritter. Dass ich dieser Form des Kompliments ein baldiges Aussterben wünsche, brauche ich nicht eigens zu betonen. Gleiches gilt selbstredend für billige Anmache und subtile Übergriffigkeit.
Das Aussehen ist tabu
Größte Zurückhaltung empfehle ich deshalb bei allen Bezügen auf das Aussehen einer Person: Figur, Frisur, und Kleidung sollten nicht Gegenstand von Komplimenten sein, ausgenommen unter guten Freundinnen und Freunden. Ich gebe zu, dass ich persönlich etwas großzügiger bin. Ich finde es gut, wenn jemand mir sagt, dass mir meine neue Frisur gut steht, und ich freue mich darüber. Aber zum einen bin ich inzwischen deutlich in der zweiten Lebenshälfte angekommen, und zum anderen stehe ich nicht mehr in beruflichen Bezügen oder Abhängigkeiten. Das vereinfacht die Dinge.
„Wie geht’s?“
In unserer Kolumne beantworten vier Experten abwechselnd in der Zeitung Ihre Fragen zum stilsicheren Auftreten in allen Lebenslagen. Ingeborg Arians, Protokollchefin der Stadt Köln a.D., weiß, wie man sich bei offiziellen Anlässen richtig verhält. Journalistin Eva Reik kennt sich bestens aus mit Mode und der passenden Kleidung zu jeder Gelegenheit. Vincent Moissonnier, Chef des gleichnamigen Kölner Restaurants, hat die perfekten Tipps zu Tischmanieren ohne Etepetete. Und Anatol Stefanowitsch, Professor für Sprachwissenschaft, sagt, wie wir mit Sorgfalt, aber ohne Krampf kommunizieren. (jf)
Man muss gewiss nicht hinter jedem Kompliment eine böse Absicht oder Anzüglichkeit vermuten. Aber es ist besser, durch Zurückhaltung jegliches Missverständnis von vorneherein zu vermeiden. Wenn Ihnen das Kompliment einer anderen Person dennoch unangenehm ist, können Sie es entweder mit beredtem Schweigen quittieren oder es durchaus auch zurückweisen. Spiegeln Sie Ihrem Gegenüber, wie die Äußerung angekommen ist. Selbst wenn Sie das freundlich tun, setzen Sie eine klare Grenze.