Köln – 40.000 Kirchenaustritte im vergangenen Jahr tun weh – auch finanziell. Aber davon war in der Abschlussrechnung des Erzbistums für 2021 noch nichts zu spüren. „Der Abschluss für das Wirtschaftsjahr weist einen Überschuss in Höhe von 84,7 Millionen Euro aus“, erklärte Gordon Sobbeck, Finanzdirektor des Erzbistums, bei einer Pressekonferenz im Generalvikariat.
Das Jahr 2020 hatte man noch mit einem Minus von vier Millionen Euro abgeschlossen. Das Erzbistum erzielte im vergangenen Jahr Gesamterträge in Höhe von 944,3 Millionen Euro. Darin enthalten sind Kirchensteuererträge in Höhe von 678,1 Millionen Euro. Die Bilanzsumme betrug 4,17 Milliarden Euro und stieg gegenüber dem Vorjahr um 3,2 Prozent.
Steuereinnahmen stiegen trotz steigender Austrittszahlen
Ausgegeben wurden die Erträge zu weit mehr als die Hälfte für caritative Zwecke, regionale Seelsorge und Bildungsangebote für junge Menschen. Mit 232 Millionen Euro wurde die Seelsorge in den Pfarreien finanziert. 110 Millionen Euro flossen in die Bereiche Kindertagesstätten und Bildung. Mit 58 Millionen Euro wurde die Arbeit der Caritas unterstützt. Sobbeck nannte eine griffige Zahl: „Für caritative Zwecke, Bildung und Seelsorge wenden wir täglich knapp zwei Millionen Euro auf.“
Für 2021 hatte Sobbeck im Herbst 2020 mit einem Defizit in Höhe von 36,8 Millionen Euro geplant. Rechnet man den Überschuss dazu, klafft zwischen Soll und Ist eine Lücke von 121,5 Millionen Euro. Sobbeck nannte 2021 „ein im Vorfeld unkalkulierbares Jahr“.
31,2 Millionen aus dem Kirchensteuerclearing für das Erzbistum Köln
Es kam nämlich alles anders, als der Finanzdirektor im ersten Coronaherbst vor zwei Jahren erwartet hatte. Die Kirchensteuereinnahmen des Erzbistums stiegen trotz der hohen Austrittszahlen um 24,1 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr. „Grund war die wirtschaftliche Erholung.“ Die Menschen blieben oder kamen in Arbeit, die Tariferhöhungen haben auch eine Rolle gespielt.
Darüber hinaus flossen dem Erzbistum völlig unerwartet 31,2 Millionen aus dem sogenannten Kirchensteuerclearing zu. Dabei handelt es sich um eine Verrechnungssumme. Die katholische Kirche will sicherstellen, dass die Kirchensteuer in dem Bistum ankommt, in dem der Zahler wohnt.
Die Zinswende ist auch für das Erzbistum von Vorteil
Die Post etwa überweist Löhne und Gehälter aus Bonn, dem Sitz des Unternehmens, und führt alle Lohn- und Kirchensteuern an das Bonner Finanzamt ab, das wiederum diese Kirchensteuern an das Erzbistum Köln weiterreicht. Auch wenn der Briefträger in München wohnt und arbeitet.
Im Clearing-Verfahren wird dieser unerwünschte Umstand korrigiert. Das ist sehr aufwändig. Die 31,2 Millionen Euro, die 2021 dem Erzbistumshaushalt zuflossen, basieren auf der Abrechnung von 2017. 11,2 Millionen Euro wurden überwiesen, eine Rücklage des Erzbistums in Höhe von 20 Millionen konnte aufgelöst werden. Die hatte Sobbeck für den Fall angelegt, dass er Ausgleichszahlungen hätte leisten müssen.
Das Erzbistum hält Wertpapieranlagen im Wert von 3,16 Milliarden Euro
Auch die Zinsen spielen beim Finanzbericht von Gordon Sobbeck eine große Rolle. Sie steigen. „Die Zinswende spielt uns in die Karten, weil wir weniger Geld für die Altersversorgung und Beihilfen ausgeben mussten als im Wirtschaftsplan 2021 angenommen. Höhere Zinsen erhöhen den Kapitalstock.“ Der Etat des Erzbistums wurde dadurch um 47,5 Millionen Euro entlastet.
Sobbeck wies darauf hin, dass die kirchlichen Pensionen anders als die staatliche Rente kapitalgedeckt ist. „Wir bürden diese Zahlungen nicht späteren Generationen auf.“ Im vergangenen Jahr stellte Sobbeck 62,5 Millionen Euro ein in die Rücklagen für Pensionen. Aktuell liegen dort 1,4 Milliarden Euro. Bei den Rücklagen ist das Erzbistum generell gut aufgestellt. Allein die Wertpapieranlagen werden mit 3,16 Milliarden Euro bewertet.
Zuverlässigkeit der kirchlichen Angebote soll bleiben
Der Überschuss ist auch bereits verplant. Der größte Teil fließt in die Rücklagen. „Es ist unser vorrangiges Ziel, handlungsfähig zu bleiben und die Zuverlässigkeit unserer kirchlichen Angebote zu gewährleisten“, sagt der Finanzdirektor. Die Gemeinden kommen in den Genuss von zusätzlichen zwölf Millionen Euro für die Bauunterhaltung. Veranschlagt waren im Wirtschaftsplan 51 Millionen Euro.
Zusätzliche 1,4 Millionen Euro wurden für die Unterstützung ukrainischer Flüchtlinge bereitgestellt. Das Erzbistum verzichtet komplett auf die Kirchensteuern, die auf die lohnsteuerpflichtige Energiepreispauschale von 300 Euro entfallen, die in diesem Monat viele bekommen haben. Mit den Einnahmen in Höhe von drei Millionen Euro werden die Sozial- und Schuldnerberatungen der Caritas unterstützt, die Menschen in Not helfen.
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Sobbeck warf einen Blick in die Zukunft. Auch er rechnet mit einer Halbierung der Kirchensteuereinnahmen in den nächsten 40 Jahren. Aber: „Es wird nicht einen Termin geben, an dem wir sagen: Jetzt wird hart saniert.“ Das Einsparen soll „ein kontinuierlicher, dynamischer Prozess“ werden. Der bereits begonnen hat.
Eine Gruppe, die sich mit der Bewahrung der Schöpfung beschäftigt, schlägt vor, sich von 20 Prozent der kirchlichen Gebäude zu trennen. Sie könnten nicht klimagerecht betrieben werden. Die Austrittszahlen seien übrigens nur für ein Drittel der Kirchensteuerrückgänge verantwortlich, so Sobbeck. Zwei Drittel seien begründet in der Demografie und der sehr geringen Taufquote.