Köln – Trotz 15 Grad und leichtem Sonnenschein füllen sich die Cafés und die Parks in der Kölner Innenstadt eher langsam: Der Frühling ist da und mit ihm ein neuer Höchststand bei den Corona Neuinfektionen. Die 7 Tage-Inzidenz liegt bei 2700. Kann dieser Umstand das Frühlingsgefühl trüben?
Aachener Weiher
Am Aachener Weiher sprießen die Osterglocken. Einige Jogger und Radfahrer sind unterwegs. Vögel zwitschern, und ab und zu sieht man ein Glitzern auf der Wasseroberfläche, wenn sich die Sonne ihren Weg durch die Schleierwolken bahnt. „Ich weiß den Frühling gerade sehr zu schätzen. Er gibt mir ein Stück Lebensfreude zurück“ sagt Studentin Sina, die mit ihrer Freundin bei einem Spaziergang die frische Luft genießen will.
„Trotzdem ist mein Gefühl einfach ganz anders als noch vor zwei Jahren. Ich würde nicht in einen Club gehen oder in einem vollen Lokal sitzen wollen. Ich hatte gerade erst Corona und es war eine sehr schlimme Zeit für mich. Jetzt bin ich vorsichtig“, sagt die 27-Jährige.
Innere Kanalstraße und Aachener Straße
In den Cafés auf der Inneren Kanalstraße ist die Stimmung etwas gelöster. Hier sitzen junge Menschen an dicht aneinander gerückten Tischen und Stühlen ohne Maske zusammen. „Nach dem ganzen Hin und Her mit den Maßnahmen fällt es mir schwer, überhaupt noch Angst vor Corona zu haben“, sagt Johanna (27).
Sie freut sich heute zusammen mit ihren Freundinnen auf einen Aperol Spritz im Café Herr Pimock. „Ich brauche auch einfach mal emotionale Pausen von schlechten Nachrichten. Und das Ablenken funktioniert im Frühling mit Freunden einfach wieder leichter“ sagt sie und legt ihr Smartphone zur Seite.
Heumarkt
Am Heumarkt sind bis zum Mittag die Stühle eher luftig besetzt. Die Sonne hält sich noch zurück. Einige Gäste tragen Schal oder Mütze, während sie im Außenbereich auf den Kellner oder ihre nächste Bestellung warten. So bedeckt wie das Wetter, scheint auch bei manchen die Stimmung zu sein. „Man hat fast ein schlechtes Gewissen, sich über den Frühling zu freuen, angesichts dessen, was in der Welt passiert“, sagt Kai Kypke.
Der 49-Jährige ist mit Freunden unterwegs, während von der nahgelegenen Deutzer Brücke die Hupen der LKW-Fahrer über den Platz dröhnen, die gegen die steigenden Spritpreise demonstrieren. „Ich kann den Tag genießen, aber die Weltnachrichten und auch die vollen Einkaufsstraßen geben mir schon ein komisches Gefühl“, sagt er und verschränkt die Arme vor der Brust. „Uns war es jedenfalls zu voll auf der Hohe Straße“, fügt sein Begleiter Johannes Stier hinzu, „da sind wir geflüchtet.“
Altstadt
„Ich finde den Frühling richtig klasse“, freut sich stattdessen Harald Höinghaus, 71, der in offener Steppjacke und mit seiner Frau Dagmar durch die Altstadt spaziert. „Man friert nicht mehr. Jetzt haben wir viel vor.“ Das Rentnerpaar ist mit einem Wohnmobilclub nach Köln gereist. „Wir machen hier Urlaub und gehen trotz Corona in Cafés und Restaurants. Heute Abend haben wir einen Tisch im Sünner reserviert – ganz nach dem Motto: es wird schon gut gehen“ lacht die 67-Jährige.
„Angst vor Corona habe ich nicht mehr“ sagt Gwendolyn Vogt, die auf einer nahegelegenen Parkbank am Rheinufer mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern sitzt. „Die Frage ist nur noch wann, aber nicht mehr, ob wir es kriegen.“ Ihr Mann ergänzt: „Wir unternehmen dennoch viel draußen, jetzt wo der Frühling da ist, da hat man einfach ein besseres Gefühl“, sagt er und verteilt getupperte Brote an die Kinder. Die Familie hat sich vorgenommen, an diesem Wochenende den Frühlingsanfang zum emotionalen Auftanken zu nutzen.
Schildergasse
Ebenso ein junges Paar aus Koblenz. „Wir mussten einfach raus und etwas unternehmen. Eigentlich wollten wir nach Frankreich fahren, aber die Spritpreise sind jetzt so hoch, dass wir uns stattdessen für einen Ausflug nach Köln entschieden haben“ so Alina Simones, die mit ihrem Freund in der vollen Einkaufsstraße Schildergasse mit prall gefüllter Shoppingtüte sitzt. Ihre Masken haben beide trotz der vielen Menschen um sie herum nicht auf.
Corona sei schon noch ein Thema, so die 21-Jährige. „Aber wir genießen es, wieder in der Sonne und unter Leuten zu sein, solange das geht. Die schlechten Nachrichten holen einen ja eh wieder ein.“