„Hart aber fair“ zur Einheit„Neonazis“ in der Partei – Blome greift AfD scharf an
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Köln – Kommenden Samstag wird der Tag der Deutschen Einheit gefeiert. Seit 30 Jahren ist das Land mittlerweile wiedervereinigt. Doch „wie groß ist die Einheit wirklich“? Diese Frage wurde bei „Hart aber Fair“ besprochen. Zuvor war eine knapp eineinhalbstündige Dokumentation zum Thema zu sehen. Und der Titel „Wir Ostdeutschen“ beschreibt bereits, dass von Einigung noch immer nicht die Rede sein kann. Weniger Einkommen bei gleicher Arbeit, im Durchschnitt weniger als die Hälfte des Vermögens und erheblich schlechtere Aussichten auf eine Führungsposition – eine Auswahl an Problemen von Menschen in Ostdeutschland, die mit Zahlen klar belegt werden können.
Doch was nun? Die einen beklagen sich über die Fehler aus der Vergangenheit, die anderen blicken nach vorn, und wieder andere vermissen den Zusammenhalt in der DDR. Verzwackt, emotional und ein bisschen hilflos – so lief auch die Diskussion in der ARD-Sendung.
Die Gäste
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) meint, eine Diskussion über die Fehler im Umgang mit der Wiedervereinigung sei lediglich „historisch“. Fest stehe aber, dass es damals keine „Blaupause“ gegeben habe. Doch viel wichtiger sei, dass man jetzt konkret über Lösungen nachdenke. Der Mindestlohn habe bereits geholfen, nun sei es an den Gewerkschaften, bessere Tarife im Osten zu erzielen. Es sei „schade, dass wir so viel über die AfD reden müssen“, doch komme man da nicht herum. So zeigt er sich an AfD-Politiker René Springer gerichtet „fassungslos“. Der Grund: Springer verurteilt zwar die kürzlich bekanntgewordenen Aussagen des mittlerweile entlassenen Partei-Pressesprechers Christian Lüth – der sagte, es sei möglich, Migrant*innen zu erschießen oder zu vergasen – aber „verniedliche“ sie als einen Einzelfall, so Heil.
René Springer (AfD) ist Bundestagsabgeordneter und in seiner Partei Sprecher für Arbeit und Soziales. Er begibt sich auf die Suche nach den „blühenden Landschaften, die Helmut Kohl den Ostdeutschen versprochen hat“. Die Vorschläge von Moderator Frank Plasberg (Rügen, Usedom, Dresden oder Leipzig) interessieren den gebürtigen Ost-Berliner allerdings weniger. Viel lieber spricht er über die Einkommensdisparitäten zwischen Ost und West. Soweit berechtigt und von den anderen Gästen ebenso gesehen, kommt er scheinbar bestens ohne konkrete Vorschläge aus. Wenn er einen Tag lang in die Rolle eines anderen Gasts schlüpfen dürfte, würde er den Journalisten Nikolaus Blome wählen. Er wolle verstehen, warum die Berichterstattung über seine Partei immerzu so negativ sei.
Eben dieser Nikolaus Blome ist aktuell Politikchef bei RTL. Außerdem schreibt er für „Spiegel Online“ Kolumnen, war aber auch schon stellvertretender Chefredakteur der „Bild“. „Wechselfreudig“ nennt das Moderator Plasberg. Eigentlich würde Blome gerne darauf verzichten, über die Unterschiede von Ost und West zu sprechen. Wie viele Ostdeutsche mit ihm zusammenarbeiten wisse er gar nicht. Klare Kante zeigt er hingegen in der Diskussion um den Erfolg der AfD im Osten. Woran das liege wisse er nicht genau, dass die Partei aber mehr wegen ihrer Protest-Haltung als wegen ihrer Sozialpolitik gewählt wird, da ist sich Blome sicher. In der Causa Christian Lüth sagt der Journalist: „Als Neonazi fliegt man erst raus, wenn man von Vergasen spricht.“
Kipping: Verunsicherung ist „Nährboden“ für AfD
Ein gerechtes Einkommen fordert Katja Kipping (Die Linke). Dafür müsse man sich in Tarifverhandlungen stark machen. Wer sich nicht entsprechend einsetze, „versündigt sich an der Deutschen Einheit“. Die Erfolge der AfD erklärt sie sich mit einer Verunsicherung in der ostdeutschen Bevölkerung. Diese sei „Nährboden“ für die „Propaganda“ der selbsternannten Alternative. Die Lösung für das verlorene Vertrauen nach der Wende, Kipping nennt es ein „gesellschaftliches Trauma“, seien soziale Sicherheit und ein größeres Interesse wie Respekt für den Osten.
Die selbstständige Unternehmerin Angela Brockmann – wer früh eingeschaltet hatte, kannte sie bereits aus der Dokumentation – meint, „man kann schon auch im Osten sein Glück selbst in die Hand nehmen“. Doch die nachweislichen Unterschiede zwischen Ost und West hinsichtlich der Löhne seien „einfach nicht mehr zu rechtfertigen“. Den Aufstieg der AfD sieht sie in persönlichen Problemen und Ängsten begründet. Das sei jedoch auch im Westen ein Problem und schon gar nicht in der ostdeutschen DNA.
Und immer wieder die AfD
Wer etwas über die ostdeutsche Identität, die Sehnsucht nach DDR-Zeiten und den Zusammenhalt vergangener Tage erfahren will, der sollte sich „Wir Ostdeutschen“ in der ARD-Mediathek ansehen. Bei „Hart aber Fair“ ging es hingegen eher um die politischen Debatten rund um Löhne, die unverhältnismäßig wenigen Führungskräfte aus Ostdeutschland – und immer wieder die Wahlerfolge der AfD. Klar, dessen Repräsentant Springer findet das nicht sonderlich gut. Oft muss er sich rechtfertigen und Fragen stellen lassen, wie er die Parteimitgliedschaft mit seinem Gewissen vereinbaren könne. Moderator Plasberg weist ihn darauf hin, dass es eben auch seine Partei sei, um die so häufig Skandale wie der um Ex-Pressesprecher Lüth kreisen. Ende der Diskussion.
Wiedervereinigung
Von Ostalgie bis hin zu einer neuen politischen Mauer, gezogen durch den vor allem in Ostdeutschland starken Zuspruch für die AfD – es scheint viele Gründe zu geben, warum das Land noch immer nicht in Gänze geeint ist. Wenigstens darin waren sich die Diskutanten einig.