Köln – Nach dem Ausbruch des Coronavirus in einem Heim für Menschen mit geistiger Behinderung in Pesch fordert die Lebenshilfe Köln eine sofortige Impfung der Bewohnerinnen und Bewohner sowie der Mitarbeitenden in den Kölner Einrichtungen. Es entstehe der Eindruck, Menschen mit Behinderung seien weniger wichtig oder schlicht vergessen worden – und das, obwohl Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung als besonders gefährdet gelten. Eine jüngst im New England Journal of Medicine (NEJM) Catalyst veröffentlichte medizinische Studie belege, dass eine geistige Behinderung nach hohem Alter der zweitgrößte Risikofaktor für einen tödlichen Verlauf einer Covid-19 Infektion sei – noch vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Vorschädigungen der Lunge.
Hätte Ausbruch in Pesch verhindert werden können?
Mit einer rechtzeitigen Impfung hätte der schwere Corona-Ausbruch in einem Kölner Wohnheim für Menschen mit Behinderung in der vergangenen Woche verhindert werden können, glaubt die Lebenshilfe. Erst nach massiven Protesten von Trägern und Angehörigen würden nun die Impfungen in den Einrichtungen zumindest vorbereitet. Dabei, so schreibt eine Mitarbeiterin einer anderen Einrichtung, habe die kassenärztliche Vereinigung schon am 25. Dezember gebeten, die Heime sollten sich für einen Impfstart im Januar bereithalten.
Noch dramatischer als in den Heimen sei die Situation für Familien, deren Angehörige mit Behinderung zu Hause leben. Eltern von Kindern mit schweren Behinderungen riefen täglich bei der Lebenshilfe an. Aber weder sie noch andere Kontaktpersonen von Menschen mit Pflegebedarf könnten bisher Impftermine vereinbaren. Viele von ihnen sind nun fast ein Jahr in freiwilliger Selbstisolation und am Ende ihrer Kräfte.
Unverständnis über Priorisierung
Wann erwachsene Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung, die bei ihren Eltern leben und keine Werkstatt besuchen, an der Reihe sein werden und wie sie einen Impftermin erhalten, sei bis heute unklar. Niemand könne Auskunft geben, ob Risikopatienten bereits ab 16 Jahren oder erst mit 18 Jahren geimpft werden.
Angehörige von Menschen mit Behinderung verzweilten auch deswegen, weil für Erzieherinnen und Erzieher sowie für Lehrerinnen und Lehrer kurzfristig 280 000 Impfdosen in NRW zur Verfügung gestellt worden seien - obwohl diese Personengruppe laut der Impfverordnung des Bundes noch gar nicht an der Reihe sei. Warum sei es nicht möglich, eine relative geringe Zahl von Impfdosen zur Verfügung zu stellen, die für Menschen mit Behinderung und ihre Familien in Köln benötigt würden?
Köln schreibe sich auf die Fahne, „Eine Stadt für alle“ zu sein. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, dürften Menschen mit Behinderung in der Corona-Pandemie nicht länger vergessen werden.