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Mal wieder keine PrioritätWarum werden Lehrkräfte nicht viel früher geimpft?

Lesezeit 4 Minuten
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Eine Lehrerin steht im Unterricht in einem Geographie-Seminar in der Jahrgangsstufe elf vor ihren Schülerinnen und Schülern. (Symbolbild)

  1. Ein Gastbeitrag von Lamya Kaddor.

Erinnern Sie sich noch? Im Frühjahr? Schulen zu. Kindergärten zu. Kleine Kinder, große Kinder wochenlang zuhause. Extraurlaub für Betreuung organisieren.

Stress auf der Arbeit. Homeschooling. Eltern als Lehrer. Ärger hier, weil Kinder nicht verstehen. Ärger dort, weil Eltern zu streng. Berichte über Vernachlässigung und Gewalt in der Familie... Die Zeit des ersten Lockdowns war wahrlich nicht gut. Zwischenzeitlich hatte die Politik verstanden, dass das so nicht geht.

Im Herbst wurden die Schulen so lange wie möglich offen gehalten. Das war im Sinne der Gesellschaft und der Wirtschaft richtig. Zugleich ist aber bis heute nicht geklärt, welche Bedeutung Schulen und Kindergärten bei der Verbreitung der Pandemie haben. Sind sie Treiber oder nicht? Die Studienlage ist nach wie vor uneindeutig. Sorgen von Lehrern, Eltern und Schülern sind somit nicht weg.

Jetzt sind die Einrichtungen erst einmal ferienbedingt geschlossen. Vermutlich glaubt keiner daran, dass sie am 10. Januar wieder öffnen. Aber was dann? Wiederholen sich womöglich doch die Szenarien aus dem Frühjahr? Haben wir das Problem geschlossener Schulen und Kindergärten dann bis Mai 2021? Es gibt Möglichkeiten, das zu verhindern. Eine ist ziemlich naheliegend. Man müsste Lehrer und Erzieher rechtzeitig impfen. Immerhin haben wir – anders als vor neun Monaten – seit Sonntag einen Impfstoff, vielleicht bald auch noch mehr.

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Doch die Ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut (Stiko) ist der Meinung, Schulen und Kitas seien nicht ganz so wichtig. Deshalb haben sie uns Lehrkräfte in der Rangfolge der zu impfenden Personen in Gruppe vier von insgesamt sechs eingeordnet. Nach ihnen folgen Landes- und Bundespolitiker, Menschen unter 64, Polizeikräfte im Außendienst.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat sich im Grundsatz an dieser Einordnung orientiert, in seiner Impfverordnung aber nur drei Kategorien festgeschrieben. Lehrkräfte sind bei ihm in der dritten und letzten Gruppe gelandet. Man muss folglich damit rechnen, dass die Impfung der rund 800.000 Lehrerinnen und Lehrern an allgemeinbildenden Schulen vielleicht erst im März oder April beginnt. Da fragen sich nicht nur Betroffene, wie das sein kann, nach den schlimmen Erfahrungen in diesem Jahr. Zudem wurden dem Robert-Koch-Institut allein in der Woche vor Weihnachten drei Fälle gemeldet, in denen Lehrer oder Erzieher an oder mit dem Coronavirus gestorben sind. Gäbe es statt einer Impfverordnung ein Impfgesetz, wie die Opposition dies fordert, dann hätten diese und andere Themen ordentlich im Bundestag beraten werden können. Aber Minister Spahn hält ein Gesetz für unnötig.Selbstverständlich müssen die Schwächsten, bei denen es um Leben und Tod geht, als erste geschützt werden. Aber Deutschland ist komplett darauf ausgerichtet, dass Kinder betreut werden und Eltern ihrer Arbeit nachgehen können.

Plexiglas-Scheiben für alle – nur nicht für Lehrer

Das ist das Ergebnis der Gesellschaftspolitik der letzten Jahrzehnte; und die war auch richtig, nicht dass wir uns hier falsch verstehen. Nur haben sich Politik und Behörden in der Pandemie bisher nicht sonderlich um die Lehrkräfte gekümmert. Jeder Supermarkt-Kassierer, jede Bankangestellte, jeder Tankstellenverkäufer hat im Kundenverkehr inzwischen eine Plexiglas-Scheibe vor sich. Lehrende dagegen stehen weitgehend ungeschützt vor ihren Klassen. Es gibt keine Lüftungsgeräte, deshalb müssen provisorisch die Fenster aufgerissen werden. So kommt dann der Straßenlärm herein. Auf der anderen Seite des Raums steht die Tür offen. Ehrlich, Sie glauben gar nicht, wie viel Krach während des laufenden Unterrichts aus Klassenzimmern über die Schulflure schallt, wenn die Klassentüren offen stehen. Darüber hinaus haben Schüler und Lehrer Masken vor dem Gesicht und sind deshalb füreinander nur schwer zu verstehen. Das alles ist nicht gut für den Unterricht, es ist nicht gut für alle Beteiligten. Doch so geht das inzwischen seit Monaten.

Mit der Priorisierung der Impfstoffabgabe deutet sich nun der nächste Fehler in der Schulpolitik an. Zieht man dann noch in Betracht, welches Chaos in Fragen des Wechselunterrichts oder der technischen Voraussetzungen für Distanzunterricht bestehen, wirkt diese Pandemie wie ein Brennglas für die langjährigen Versäumnisse in der Bildungspolitik.

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In meiner Schule habe ich kurz vor Weihnachten ein Schul-Tablet gestellt bekommen, und damit war ich noch eine der ersten im Kollegium. Deutschland hat es schneller geschafft, einen Impfstoff zu entwickeln, als Tablets für Lehrkräfte zu besorgen. So muss man das vielleicht auch einmal betrachten.

Bildungspolitik wird von Politikern und Verantwortungsträgern immer weit oben auf der Prioritätenliste genannt. Am Ende des Tages aber wurden und werden Schulen und Kindergärten noch immer vernachlässigt, wie nicht zuletzt die regelmäßigen Schulleistungstests zeigen. Die Politik war in den vergangenen Jahren zwar nicht gänzlich untätig. Sie bleibt aber an vielen Stellen unambitioniert und ineffektiv. Auch das macht diese Pandemie überdeutlich.

Lamya Kaddor gründete 2010 den Liberal-Islamischen Bund. Die Islamwissenschaftlerin unterrichtet an einem Gymnasium in Duisburg.