AboAbonnieren

Charité geht von Vergiftung ausEU fordert „unabhängige Untersuchung“ im Fall Nawalny

Lesezeit 2 Minuten
Nawalny 200820

Alexej Nawalny

Berlin – Die EU fordert eine lückenlose Aufklärung der mutmaßlichen Vergiftung des Kremlkritikers Alexej Nawalny. „Die russischen Behörden müssen unverzüglich eine unabhängige und transparente Untersuchung (...) einleiten“, heißt es in einer am Montagabend veröffentlichten Erklärung des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell. Das russische Volk, aber auch die internationale Gemeinschaft verlangten, die Hintergründe zu erfahren. Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden.

Die Bundesregierung hatte zuvor bereits eindringlich zur Aufklärung aufgerufen. Nach der Mitteilung des Ärzteteams an der Berliner Charité, wonach die Befunde auf eine Vergiftung Nawalnys hinweisen würden, forderten Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Heiko Maas (SPD) am Montag in einer gemeinsamen Erklärung in Berlin: „Angesichts der herausgehobenen Rolle von Herrn Nawalny in der politischen Opposition in Russland sind die dortigen Behörden nun dringlich aufgerufen, diese Tat bis ins Letzte aufzuklären – und das in voller Transparenz.“ Die Verantwortlichen „müssen ermittelt und zur Rechenschaft gezogen werden“.

„Wir hoffen, dass Herr Nawalny wieder ganz genesen kann. Unsere guten Wünsche gelten auch seiner Familie, die eine schwere Prüfung durchmacht“, schrieben Merkel und Maas weiter. Der Name von Russlands Präsident Wladimir Putin wird in der Erklärung nicht erwähnt.

Alles zum Thema Angela Merkel

Charité geht von Vergiftung aus

Zuvor hatten Ärzte der Berliner Charité erklärt, sie gingen davon aus, dass Nawalny vergiftet worden sei. Darauf wiesen klinische Befunde hin. Eine Kliniksprecherin erklärte, der Gesundheitszustand Nawalnys sei ernst, es bestehe aber keine akute Lebensgefahr.

Die konkrete Substanz sei bisher nicht bekannt. Die ersten Untersuchungen deuteten aber auf eine Substanz aus der Wirkstoffgruppe der Cholinesterase-Hemmer hin, hieß es. Nawalny werde nun mit dem Gegenmittel Atropin behandelt. Die Wirkung des Giftstoffs sei mehrfach und in unabhängigen Laboren nachgewiesen worden.

Spätfolgen können nicht ausgeschlossen werden

Der Ausgang der Erkrankung bleibe unsicher und Spätfolgen, insbesondere im Bereich des Nervensystems, könnten zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden, so die Sprecherin.

Der prominente russische Oppositionelle liegt seit Donnerstag im Koma. Zunächst wurde er in einem Krankenhaus in Sibirien versorgt, am Wochenende aber in die Charité überstellt. Erst nach stundenlangem Hin und Her hatten die Mediziner in Omsk am Freitag ihre Bedenken gegen einen Transport nach Deutschland fallen gelassen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Nawalny ist seit Jahren einer der bekanntesten Widersacher von Kremlchef Wladimir Putin und der führende Kopf der liberalen Opposition. Auf den Regierungskritiker hatte es schon mehrfach Anschläge gegeben. Der Aktivist hat sich mit seinen Recherchen zu Korruption und Machtmissbrauch viele Feinde gemacht. Nawalny spricht dieses Thema so deutlich an wie kaum jemand sonst in Russland. (dpa)