Pflegekräfte, die nicht wissen, wie sie ihre Patienten ohne Körperkontakt untersuchen sollen, Urlauber, die im Ausland festsitzen, Eltern, die mit fünf Kindern und zwei Vollzeitjobs zu Hause den Alltag bewältigen wollen, Kunden, die sich im Supermarkt um Ware prügeln, Nutzer, die in den Sozialen Netzwerken Verschwörungstheorien über das Virus verbreiten – schon die 30-minütige Reportage zu Beginn der „Hart aber fair“-Sendung am Montagabend hat gezeigt: Die Welt steht Kopf, dank Corona.
Es überrascht nicht, dass die ARD am Montagabend eine Sondersendung mit dem Titel „Die Corona-Krise – Wo stehen wir, was kommt noch?“ ausstrahlte. Schon das Studio machte deutlich, dass gerade alles etwas anders läuft. Moderator und Experten standen und saßen an zwei zusätzlichen Pulten mit deutlichem Abstand zueinander. Wobei sich die Gäste auch hätten auf einen der zahlreichen leeren Stühle setzen können, auf denen eigentlich das Publikum sitzt.
Fragen, die in der Sendung beantwortet werden sollten: Schützen wir uns genug? Schützen wir unsere Angehörigen genug? Wie sehr leiden Wirtschaft und Wohlstand in der Krise? Wie sieht es mit Abwehrmaßnahmen aus?
Die Gäste – wer sagte was?
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) vertrat innerhalb der Sendung den politischen Sektor. Er machte klar: „Es wäre verantwortungslos zu sagen, dass in zwei oder vier Wochen der ganze Spuk wieder vorbei ist.“ Deutschland müsse sich auf eine längerfristige Ausnahmesituation einstellen, so wie die Wirtschaft. Die Bundesregierung tue alles, um Firmen, die wegen des Virus mit Ausfällen kämpfen müssten, zu unterstützen. „Wir haben so viele Reserven, dass wir versprechen können, dass wir alles tun werden, damit kein Arbeitsplatz wegen Corona verloren geht und kein Unternehmen schließen muss. Wir sind bereit, notfalls auch Schulden zu machen, um die Ausgaben zu stemmen“, sagte Altmaier.
Anja Kohl wurde als ARD-Börsenexpertin zur Sendung eingeladen. Sie betonte im Laufe der Sendung immer wieder, wie wichtig es sei, vor allem kleinen und mittelständischen Unternehmen sowie Freiberuflern finanziell schnell und unbürokratisch unter die Arme zu greifen. Die großen Unternehmen an der Börse hätten schon mehrfach Krisen überstanden. Dennoch rät sie, derzeit keine neuen Aktien zu kaufen, sie aber auch nicht zu verkaufen: „Man hat erst Verlust gemacht, wenn man verkauft hat“, so Kohl.
Prof. Jonas Schmidt-Chanasit ist Virologe für Tropenmedizin der Uni Hamburg und Leiter der Virusdiagnostik am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin. Als medizinischer Experte kann er nur den Kopf schütteln, wenn er sieht, wie sich immer noch Gruppen von Bürgern im Park versammeln. „Wir reden hier nicht von zwei Wochen Corona-Ferien, wo man mal eben auf den Markt und sein Bierchen trinken geht“, betonte er und tadelte das „verantwortungslose Verhalten“ einiger Bürger. Er sei zuversichtlich, dass die einschränkenden Maßnahmen, die die Bundesregierung beschlossen hat, einen Effekt haben werden. „Wie groß der ist, wird man sehen.“ Das Hauptrisiko, sich zu infizieren, bestehe nun mal gerade im Kontakt mit Menschen, vor allen Dingen mit Erkrankten.
Ulrike Scheuermann ist Diplom-Psychologin, Krisenberaterin und Sachbuchautorin. Sie erklärte, wieso manche Bürger trotz der Informationsfluten die Lage immer noch nicht ernst nehmen: „Das ist eine Angstverdrängung und die Reaktion darauf ist dann die Verharmlosung.“ Das Virus könne man weder hören noch schmecken, man könne es nur durch den Verstand realisieren. Deshalb sei es umso wichtiger, immer wieder an Mitmenschen zu appellieren, das Virus ernst zu nehmen und sich an die Maßnahmen zu halten. Um soziale Kontakte weiterhin aufrecht zu erhalten, empfiehlt sie: telefonieren.
Bernd Niemeier ist Hotelier und Präsident der DEHOGA Nordrhein-Westfalen. Er bangt vor allen Dingen um die Existenz vieler Restaurants und Cafés. In seinem Vier-Sterne-Hotel in Minden seien mittlerweile 36 Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt worden, weshalb sie nur noch 60 Prozent ihres Netto-Gehaltes erhielten, mit Kind 67 Prozent. „Wir befinden uns in einer Situation, das habe ich in den ganzen 35 Jahren, in denen ich Hotels leite, noch nicht erlebt“, sagte er. Die Branche sei von einem „Tsunami“ überrollt worden. „Angst steht bei vielen Mitarbeitern, Kollegen und Unternehmern auf der Tagesordnung.“
Frank Bräutigam als ARD-Rechtsexperte stellte eins klar: „Die Grundrechte gelten weiterhin, aber sie dürfen in der aktuellen Situation ganz stark eingeschränkt werden.“ Die Basis dafür biete das Infektionsschutzgesetz. Der Eingriff des Staates müsse aber immer verhältnismäßig sein. Wenn der Staat merkt, dass die Bürger einfach weiterleben wie bisher, dürfe die Regierung auch härtere Maßnahmen wie Bußgelder ergreifen. „Der Gesundheitsschutz für alle erlaubt gerade eine ganze Menge“, so der Experte.
Arbeitnehmern, die zu Hause nun ihre Kinder betreuen müssen, rät er, mit den Vorgesetzten nach fairen Lösungen wie etwa dem Überstundenabbau zu suchen.
Was machte Moderator Frank Plasberg?
Plasberg sprach in seiner Anmoderation von „Bildern und Eindrücken, von denen wir uns nie haben träumen lassen“. Wie immer scheute er nicht davor zurück, seinen Gästen auf den Zahn zu fühlen, sie zu unterbrechen und konkrete Gegenfragen zu stellen. Immer wieder blendete er Fragen und Videos von besorgten Bürgern ein.
Was haben wir gelernt?
1. Wir sollten die Lage ernst nehmen, Verantwortung übernehmen und nicht in Panik verfallen.2. Kein Tag ist wie der andere: Die Lage kann sich weiterhin jeden Tag ändern.3. Der Appell: Betroffene sind keine „Aussätzigen“, so Altmaier. Wer krank ist, sollte für Klarheit sorgen.