- Die Forschung und Weiterentwicklung von Antibiotika ist ins Stocken geraten.
- Gesundheitsexperten befürchten, dass die Medizin bald nicht mehr multiresistente Keime bekämpfen kann.
- Die bittere Wahrheit: Mit Antibiotika-Forschung lässt sich kaum noch Geld verdienen – eine Katastrophe könnte die Folge sein.
Köln – Zu kostspielig, zu aufwendig, zu wenig ertragreich. Die dringend nötige Weiterentwicklung der einstigen Wunderwaffe gegen bakterielle Infektionen stockt. Das weiß auch Holger Zimmermann, CEO des medizinischen Wirkstoffentwicklers „AiCuris“ aus Wuppertal. „Heute sind nur noch wenige große Pharma-Konzerne in der Antibiotika-Forschung tätig.“
Dem Gesundheitssystem droht nach Ansicht von Experten eine medizinische Katastrophe, sollte die Politik im Kampf gegen die wachsende Zahl antibiotika-resistenter Krankheitserreger nicht finanzielle Anreize für die Pharmabranche schaffen.
Mehr Geld für Forschung
Die Zeit drängt. Seit Jahrzehnten steigt die Zahl resistenter Bakterien und Krankenhauskeime. Allein in Deutschland sterben bis zu 15 000 Menschen im Jahr durch Krankenhauskeime, fast jeder Dritte durch resistente Erreger. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) spricht von einer „großen Herausforderung“, der man mit mehr Geld begegnen müsse.
Zugleich beschreibt Laumann das Dilemma: „Wir leben in einer freien Marktwirtschaft und die Unternehmen entscheiden selbst über ihre Investitionen.“ Allerdings tausche sich die Landesregierung im Rahmen des Pharmadialogs NRW auch zum Thema „Entwicklung neuer Antibiotika“ mit der Pharma-Industrie aus.
Besonderes wichtig ist dem Minister nach eigener Aussage, dass sowohl Ärzte als auch Patienten „bei der Verschreibung und Einnahme verantwortungsvoll mit Antibiotika umgehen.“
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Sorgen bereitet den Forschern vor allem die wachsende Zahl resistenter sogenannter „gramnegativer Krankenhauskeime“. Beinahe jede fünfte Infektion auf deutschen Krankenstationen rührt von einem gramnegativen Keim her.
Das mittelständische Wuppertaler Pharma-Unternehmen AiCuris, 2018 ausgezeichnet mit dem Zukunftspreis des Bundespräsidenten für Technik und Innovation, hat den Kampf gegen gramnegative Keime aufgenommen. „Es besteht ein hoher medizinischer Bedarf“, sagt Firmenleiter Zimmermann. Die Wuppertaler sind Lückenfüller. Sie springen in die Bresche, denn andernorts hat man laut Thomas Hesterkamp vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) der Ausbreitung 20 bis 30 Jahre lang tatenlos zugesehen. „1985 gelangte das letzte Antibiotikum gegen diese Erreger auf den Markt“, sagt Hesterkamp.
Rückfall droht
Inzwischen könne man in vielen Fällen die schwer Erkrankten nur noch mittels Reserveantibiotika mit erheblichen Nebenwirkungen behandeln. Der promovierte Humanbiologe forscht am DZIF mit anderen Wissenschaftlern an sieben Standorten in der Region. In Köln und Bonn haben sich Forscher an den Uni-Kliniken zusammengeschlossen, die ein neues Mittel gegen Tuberkulose entwickeln.
Filmtipp der Redaktion
Der Fernsehsender Arte strahlt am Dienstagabend um 20.15 Uhr unter dem Titel „Resistance Fighters – Die globale Antibiotika-Krise“ eine knapp 100-minütige Dokumentation zu dem Thema aus.
Der Dokumentarfilm entwickelt sich zum Thriller, in dessen Mittelpunkt Ärzte, Forscher, Patienten und Diplomaten stehen. Gedreht wurde der Film durch die Kölner Produktionsgesellschaft Broadview TV.
Ohne die großen Konzerne aber, glaubt DZIF-Projektleiter Hesterkamp, wird die Aufholjagd nicht gelingen. „Ansonsten“, bemerkt eine Kollegin, werde man „wieder in die Prä-Antibiotika-Ära“ zurückkatapultiert. Zeiten, in denen jede große Wunde zum Tode führen konnte.