- Ohne Pleiten, Pech und Pannen ist das Krisenmanagement in NRW nicht verlaufen: So mussten die Soforthilfen von Unternehmen unterbrochen werden, weil das System von Kriminellen unterwandert wurde.
- Im Schulministerium gab es schwer nachvollziehbare Pannen im Timing bei der Verkündung der geplanten Maßnahmen.
- Aber es gab auch rasches und souveränes Handeln auf politischer Seite.
- Wir bewerten drei Monate nach dem Ausbruch der Corona-Krise in Deutschland die Leistungen der NRW-Politiker – von Joachim Stamp bis Yvonne Gebauer.
Düsseldorf – Armin Laschet weiß aus eigener Erfahrung, dass man auf Umfragen nicht zu viel geben sollte. Schließlich hatten die Meinungsforschungsinstitute seinen Sieg bei der Landtagswahl im Mai 2017 lange für unmöglich gehalten.
Aber die Werte, die die Landesregierung in der Corona-Krise erzielt hat, dürften dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten trotzdem gefallen. „Rekordzufriedenheit mit der Landesregierung“ meldete der WDR Mitte April. Laschet sei „so beliebt wie nie zuvor“, hieß es weiter. 70 Prozent der Befragten seien mit seiner Politik zufrieden, ging aus der Ergebung von Infratest Dimap hervor – ein Zuwachs von 26 Prozent. Laschet erzielte den höchsten Zustimmungswert für einen Ministerpräsidenten seit Erhebungsbeginn im Jahr 2000.
Mit zahlreichen Auftritten in Pressekonferenzen und Talkshows hat der CDU-Politiker seinen Bekanntheitsgrad in den vergangenen Monaten deutlich gesteigert. Zwar liegt CSU-Chef Markus Söder in der Beliebtheit immer noch klar vor dem Aachener, aber CDU-intern steht Laschet gut da. Im Trendbarometer von Forsa hat er die Mitbewerber um den CDU-Vorsitz, Norbert Röttgen und Friedrich Merz, abgehängt.
Nachdem Söder als Vorreiter bei der Verhängung des Lockdowns Punkte sammelte, gelang es Laschet, sich als Wortführer der Lockerer zu profilieren. Er war der erste Ministerpräsident, der eine Perspektive für den Übergang in eine „verantwortungsvolle Normalität“ anmahnte. Ein Kurs, dem die anderen Bundesländer folgten.
Bei zwei Auftritten unglücklich
Zunächst jedoch hatte Laschet im Zusammenhang mit der Heinsberg-Studie des Bonner Virologen Hendrik Streeck Schiffbruch erlitten. Der Ministerpräsident hatte gehofft, die Ergebnisse nutzen zu können, um seine geplante Lockerungsstrategie wissenschaftlich zu untermauern. Doch kaum wurden die ersten Zwischenergebnisse während einer Pressekonferenz in der Staatskanzlei veröffentlicht, stellten Streecks Kollegen die Methodik der Erhebung in Frage. Auch ein missglückter Auftritt Laschets in der Talkshow „Anne Will“ sorgte für Negativschlagzeilen.
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Mit den ersten Lockerungen entwickelte sich vor allem der Neustart an den Schulen für die Landesregierung zum Problemfall. Bildungsministerin Yvonne Gebauer (FDP) zog mit ihrer Strategie, an den Abiturprüfungen festzuhalten, einen Shitstorm von Schülern, Eltern und Bildungsexperten auf sich. Hinzu kamen schwer nachvollziehbare Pannen im Timing bei der Verkündung der geplanten Maßnahmen.
Schulstaatssekretär Mathias Richter (FDP) verschickte einen Erlass zum Grundschulbetrieb, bevor die Schritte von der Runde der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin abgesegnet worden waren. Laschet sah sich in der unangenehmen Situation, die Vorschriften vor laufenden Kameras wieder einkassieren zu müssen. Peinlichkeiten, die man sich hätte ersparen können.
Die als Wohltat für die Eltern angekündigte Wiederaufnahme des Unterrichts wurde bald als „Mogelpackung“ kritisiert. In der CDU wirft man Gebauer vor, sie habe zu viel Rücksicht auf die Lehrerverbände genommen, die vor einer Überforderung der Pädagogen warnten. Mit der Ankündigung, den Präsenzunterricht zumindest an den Grundschulen ab dem 15. Juni auszuweiten, versucht sie nun den Befreiungsschlag. Proteste der Lehrerlobby sind jedoch programmiert.
Stamp sammelte Punkte
Mehr Fortune in der Corona-Krise hatte FDP-Familienminister Joachim Stamp. Ihm hatten zunächst die Vertreter der Kindertagesstätten-Eltern schwer zugesetzt. Anders als seiner Parteifreundin gelang es ihm jedoch, die Berufsverbände bei den Öffnungen schnell mit einzubinden. Mit seinem Vorstoß, Nordrhein-Westfalen werde in der Kita-Politik notfalls auch ohne den Bund Öffnungen einleiten, befreite er sich aus der Defensive. Es gelang ihm, die FDP als Weichenstellerin in der Krise zu inszenieren. Das Etikett, dass die NRW-Landesregierung in der Corona-Krise Sonderwege beschreite, geht auf Stamp zurück.
System von Kriminellen unterwandert
Mit dem Wirtschaftsressort wird ein weiteres Schlüsselministerium bei der Bewältigung der Pandemie von der FDP angeführt. Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart machte dabei eine gute Figur. Innerhalb von wenigen Tagen gelang es ihm, ein System aufzubauen, das die digitale Beantragung von Soforthilfen möglich machte. Während in Bayern Vorgänge auf Papier bearbeitet wurden, erhielten Unternehmen in NRW zügig Unterstützung. Die Zahlungen mussten allerdings unterbrochen werden, als das System von Kriminellen unterwandert wurde.
Als Landesgesundheitsminister gehört naturgemäß auch Karl-Josef Laumann zu den zentralen Akteuren der Krise. Der CDU-Politiker aus dem Münsterland war schon in der Regierungszeit von Jürgen Rüttgers (CDU) für die Gesundheitspolitik in NRW verantwortlich. Laumann erkannte früh die enormen Gefahren, die von einer Überlastung des Gesundheitssystems ausgehen können und bestellte auf dem Weltmarkt für 500 Millionen Euro Masken und Schutzausrüstung, die zum Glück bislang noch nicht benötigt wurden.
Das Pandemiegesetz von NRW wurde von seinem Haus ausgearbeitet. Das Regelwerk löste wegen der weitgehenden Befugnisse, die den Behörden im Katastrophenfall eingeräumt werden sollten, heftige Kritik bei der Opposition aus. Laschet griff schließlich ein, um die Situation zu befrieden.
32 Millionen für freischaffende Künstler
Die parteilose Politikerin Isabell Pfeiffer-Poensgen ist in der Landesregierung für Kultur und Wissenschaft zuständig. Sie kämpfte dafür, dass Hochschulen und der Kunstbetrieb in der Krise nicht aus dem Blick gerieten. Ein Sonderförderprogramm für freischaffende Künstler wurde um 27 Millionen auf 32 Millionen Euro aufgestockt, nachdem das Programm schnell aufgebraucht war. Die Regelstudienzeit wurde verlängert, außerdem können die Studierenden länger BAföG beziehen.
Wie sich das Ansehen von Ministerpräsident Laschet entwickelt, hängt entscheidend vom weiteren Verlauf der Krise ab. Bislang hat er das Glück, dass die vergleichsweise geringe Zahl der Corona-Neuinfektionen den Öffnungskurs bestätigt. Bis zum CDU-Parteitag im Dezember geht aber noch viel Zeit ins Land. Erst dann wird sich zeigen, ob Laschet seinen Vorsprung im Rennen um den CDU-Vorsitz auch ins Ziel tragen kann.