Düsseldorf – CDU und Grüne in Nordrhein-Westfalen machen Tempo für die Bildung einer möglichen Koalition. Neun Tage nach der Landtagswahl treffen sich Delegationen beider Parteien am Dienstag zu ihrer ersten Sondierungsrunde in Düsseldorf. Die jeweils elfköpfigen Delegationen werden von dem CDU-Wahlsieger und Ministerpräsident Hendrik Wüst und Grünen-Landeschefin Mona Neubaur angeführt.
Schon am kommenden Sonntag wollen die Gremien von CDU und Grünen über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen entscheiden. Die Grünen kommen dafür zu einem kleinen Parteitag zusammen, bei der CDU entscheidet nach Angaben eines Sprechers der erweiterte Landesvorstand. Es wäre im einwohnerstärksten Bundesland das erste Bündnis beider Parteien.
„Ob wir eine inhaltliche Basis finden, in Koalitionsverhandlungen einzusteigen, wird ein kleiner Parteitag am 29. Mai entscheiden”, schrieb Neubaur auf Twitter. „Wir sind uns bewusst, dass die jetzt folgenden Gespräche keine einfachen werden und von allen Beteiligten zum Teil weite Wege verlangen.”
Die CDU mit Spitzenkandidat Wüst hatte die Wahl am 15. Mai mit 35,7 Prozent klar gewonnen. Die SPD rutschte mit 26,7 Prozent auf ihr schlechtestes Ergebnis bei einer NRW-Landtagswahl ab. Die Grünen konnten ihren Stimmenanteil im Vergleich zu 2017 auf 18,2 Prozent fast verdreifachen und landeten auf dem dritten Platz. Die FDP verlor stark und kam nur noch auf 5,9 Prozent. Die AfD erreichte 5,4 Prozent.
CDU und Grüne hätten demnach eine bequeme Mehrheit im neuen Landtag. Rechnerisch möglich wäre auch eine Ampel-Koalition mit SPD, Grünen und FDP und eine große Koalition aus SPD und CDU. Beide Varianten gelten aber als kaum wahrscheinlich.
Die Grüne Jugend äußerte sich erneut kritisch zu der sich anbahnenden Koalition. „Klar ist für uns als linker Jugendverband auch, dass wir uns mit Schwarz-Grün sehr schwertun würden”, hieß es in einer Mitteilung. Die Grünen-Jugendorganisation nannte unter anderem Unterschiede bei der inneren Sicherheit.
Unabhängig von den schwarz-grünen Sondierungen wollen auch CDU und der Wahlverlierer SPD künftig im Austausch bleiben. Das sagte Wüst am Montag nach einem etwa 70-minütigen Arbeitsgespräch mit SPD-Landeschef Thomas Kutschaty im Düsseldorfer Landtag.
„Es ist wichtig, dass man einfach miteinander auch jenseits von Wahlkämpfen einen kollegialen, fairen und professionellen Austausch hat und pflegt”, sagte Wüst. „Im normalen Geschäft und wenn man auf die Krisen der letzten Monate und Jahre schaut, ist es auch immer wichtig, dass man miteinander sprechen kann.” So sei der Umgang zwischen CDU und SPD auch immer gewesen - „und so soll es auch bleiben”.
Kutschaty sagte: „Wir haben diverse große Herausforderungen angesprochen, die in den nächsten Jahren zu bewerkstelligen sind und sind da in einem guten Austausch.” Der SPD-Wahlverlierer schränkte aber auch ein: „Wir wissen natürlich schon, wo unsere Unterschiede sind.” Unter anderem ging es bei dem Gespräch um Klimaschutz, Bildung und innere Sicherheit.
Zu den anstehenden Sondierungsgesprächen von CDU und Grünen äußerte sich Kutschaty gegenüber der „Rheinischen Post” (online) skeptisch: „Daher sind wir in den kommenden Tagen im Zuge der Sondierungen gespannt, ob die großen Unterschiede bei sozialen und ökologischen Fragen wirklich überzeugend geklärt werden können oder ob eine Art konservativer Scheinfrieden über allem steht.”
Während die Sondierungen für die Bildung einer neuen NRW-Landesregierung vorangehen, bereiten sich die Fraktionen auf die konstituierende Sitzung des neuen Landtags am 1. Juni vor. Die CDU-Fraktion will am Dienstag den neuen Landtagspräsidenten nominieren. Es gilt als wahrscheinlich, dass Amtsinhaber André Kuper erneut an die Spitze des Landtags gewählt wird. Der 61-Jährige hat das protokollarisch höchste Amt im Land seit 2017 inne.
Traditionell steht der stärksten Fraktion das Vorschlagsrecht zu. Nach der aktuell gültigen Geschäftsordnung des Landtages hat der Landtagspräsident drei Stellvertreter. Diese Ämter hatten in der abgelaufenen Legislaturperiode Abgeordnete von SPD, Grünen und FDP inne. Der Vorschlag der AfD-Fraktion war 2017 gescheitert. Wen die Fraktionen als künftige Stellvertreter des Landtagspräsidenten nominieren wollen, ist noch offen.
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