Köln – Der Kölner Prozess gegen Reemtsma-Entführer Thomas Drach kommt weiter nicht von der Stelle. Nachdem die letzten sechs terminierten Verhandlungstage wegen Corona-Erkrankungen von „notwendigen Verfahrensbeteiligten” ausgefallen waren, sollte der Prozess am Mittwoch mit der Vernehmung von zehn Zeugen wieder Fahrt aufnehmen. Der Versuch fand jedoch ein jähes Ende, weil Drachs niederländischer Mitangeklagter über „sehr schwere Schulterschmerzen” klagte, wie sein Verteidiger mitteilte. Die Folge: Nach rund eineinhalb Stunden Verhandlungsdauer vertagte sich das Gericht schon wieder.
Aufgrund der starken Sicherheitsvorkehrungen ist jeder Tag mit hohen Kosten verbunden. Am Mittwoch wurde Drach erstmals mit einem Polizeihubschrauber aus seiner Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt in Köln-Ossendorf zum Kölner Landgericht geflogen.
Drach werden Raubüberfälle auf Geldtransporter in Köln, Frankfurt am Main und im hessischen Limburg vorgeworfen. Weil er auf zwei Wachleute geschossen und sie schwer verletzt haben soll, ist der 61-Jährige nicht nur wegen schweren Raubes, sondern auch wegen versuchten Mordes angeklagt. Der 53 Jahre alte Mitangeklagte soll sein Komplize gewesen sein. Drach erlangte 1996 zweifelhafte Berühmtheit, als er den Erben der Hamburger Tabak-Dynastie Reemtsma, Jan Philipp Reemtsma, entführte. Für die Tat war er zu vierzehneinhalb Jahren Haft verurteilt worden.
Seinen Antrag auf Aussetzung des Prozesses begründete der Verteidiger von Drachs Mitangeklagtem mit dessen „Verhandlungsunfähigkeit”. Zwar sei seinem Mandanten eine Schmerztablette verabreicht worden, diese habe ihm aber keine Linderung verschafft. Der Verteidiger verlangte eine computertomographische Untersuchung seines Mandanten.
Der vom Gericht konsultierte psychiatrische Sachverständige im Prozess, der laut eigener Aussage „approbierter Arzt” ist, sagte, er könne über Art und Schwere der Schmerzen keine Aussage treffen. „Ich bin kein Orthopäde oder Unfallchirurg.” Zu mehr als der Einnahme eines „potenteren Schmerzmittels” könne er auch nicht raten. Das Gericht zog sich daraufhin zu einer rund 45-minütigen Beratung zurück. Anschließend verkündete der Vorsitzende Richter: „Wir werden heute die Hauptverhandlung nicht weiterführen können.” Weiter hieß es, der 53-Jährige solle am Donnerstag in der JVA geröntgt werden. Abhängig vom Befund soll dann entschieden werden, ob er zusätzlich auch noch eine Computertomographie bekommt.
Die bereits auf ihre Vernehmung wartenden Zeugen schickte der Vorsitzende unverrichteter Dinge zurück nach Hause. „Unmöglich!”, beklagte sich einer von ihnen. Der Unmut hatte wohl auch damit zu tun, dass die Verhandlung erst mit rund einstündiger Verspätung hatte starten können. Die Verteidiger hatten sich über ihre beengte Tischsituation beklagt. „Im Tierheim ist mehr Platz”, mokierte sich ein Drach-Verteidiger. Die Hausverwaltung des Landgerichts schaffte mit zusätzlichen Tischen Abhilfe.
Den letzten Akt des siebten Verhandlungstages kündigten dann Rotorengeräusche aus der Ferne an. Wenige Augenblicke nach der Landung in unmittelbarer Nähe des Gerichts hob der Hubschrauber um 11.32 Uhr wieder ab und flog Drach zurück in die JVA.
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