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Drach-Prozess: Geldbote schildert Schusswechsel mit Räuber

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Köln – Mit Hilfe eines Rollators schleppt sich der 59-Jährige in den Saal im Kölner Landgericht. Bis heute ist der ehemalige Geldbote von einem Schusswechsel mit einem Räuber gezeichnet. Nun soll er davon berichten - denn die Ermittler halten den Reemtsma-Entführer Thomas Drach für den Täter.

Im Prozess gegen den 61-Jährigen ist am Mittwoch ein Sicherheitsmann als Zeuge vor dem Kölner Landgericht vernommen worden. Er gehörte zur Besatzung eines Geldtransporters, der 2019 in Frankfurt am Main vor einer Ikea-Filiale überfallen worden war. Bei dem Überfall war es zwischen dem Täter und dem 59-Jährigen zu einem Schusswechsel gekommen. Der Geldbote war am Oberschenkel schwer verletzt worden.

Nun berichtete er, dass sich ein Räuber von hinten genähert habe, als er mit dem Geldkoffer am Transportfahrzeug angekommen sei. „Der hat mir eine Feuerwaffe vor das Gesicht gehalten”, teilte er über einen Dolmetscher mit. Der Täter habe „Geld, Geld, Geld” gefordert. Zudem sei verlangt worden, dass er sich auf den Boden lege. Der Täter habe den Geldkoffer genommen und sich dann rückwärts entfernt. Als sich der Räuber in Laufrichtung gedreht habe, seien die Schüsse gefallen.

„Ich kann nicht genau sagen, ob er zuerst geschossen hat, oder ob ich zuerst geschossen habe”, erklärte der 59-Jährige, der auch als Nebenkläger auftritt, zunächst. Später antwortete er auf die Frage eines Verteidigers, dass er sich verteidigt habe. „Ich habe ihn aber nicht erwischt.” Er hingegen sei am Bein getroffen worden und zu Boden gegangen. Seither sei er arbeitsunfähig und auch psychisch schwer beeinträchtigt. So träume er immer wieder von der Tat und befinde bis heute ich in psychologischer Behandlung.

Die Staatsanwaltschaft ist davon überzeugt, dass Drach der Räuber war. Den Schuss auf den Geldboten wertet die Behörde als versuchten Mord. Drach werden in dem Prozess noch zwei weitere Raubüberfälle in Köln sowie einer im hessischen Limburg vorgeworfen. Drach bestreitet die Taten. Mitangeklagt ist auch ein mutmaßlicher Komplize.

Vor der Aussage des Nebenklägers hatte ein Rechtsmediziner ein Gutachten über die Verletzungen des 59-Jährigen erstattet. Demnach hatte das Opfer einen Oberschenkeldurchschuss erlitten. Eine zerfetzte Blutader habe nur durch eine Gefäß-Transplantation behandelt werden können.

Kurios wurde es noch kurz vor Ende der Verhandlung. Der Zeuge weigerte sich beharrlich, den Verteidiger von Drachs Mitangeklagtem während dessen Befragung anzuschauen. Der Verteidiger verlangte vom Vorsitzenden danach, er möge „den Zeugen zwingen”. Das lehnte der Vorsitzende aber ab. Er sei nicht befugt, „vorzuschreiben, wo er hinguckt”. „Sie können sich auf meinen Platz setzen. Von hier oben sieht man gut. Ich ziehe mich dann zurück”, bot der Vorsitzende an. Das lehnte der Verteidiger ab. „Dann dürfen Sie sich aber auch nicht mehr beschweren”, sagte der Richter.

Drach war der Öffentlichkeit einst durch die Entführung von Jan Philipp Reemtsma bekannt geworden. Den Erben eines Tabakkonzerns hatte der heute 61-Jährige erst nach einer Lösegeldzahlung wieder frei gelassen. Für die Tat war Drach zu 14,5 Jahren Haft verurteilt worden.

© dpa-infocom, dpa:220517-99-326603/6 (dpa/lnw)