Euskirchen-Schweinheim – Jürgen Kessel fehlten zuerst die Worte. Am Mittwochmorgen standen Vertreter von Landwirtschaftsverbänden und Hilfsorganisationen auf seinem Hof und überreichten ihm 15 000 Euro. „Es hilft mir, mehr daran zu glauben, dass es wieder aufwärts geht“, sagt Kessel. Den Landwirt hat das Hochwasser schwer getroffen: Riesige Löcher klaffen auf Kessels Reitplatz. Auf seinen Weiden liegen Sand, Steine und Treibgut. Das Erdgeschoss des Fachwerkhauses, in dem er wohnt, ist nur noch eine Ruine. Das Geld kann er also gut gebrauchen.
Jürgen Kessel ist einer der ersten Landwirte, dem die Soforthilfe des Rheinischen Landwirtschafts-Verbands (RLV) und der Schorlemer Stiftung des Deutschen Bauernverbands (DBV) ausgezahlt wurde. 5,2 Millionen Euro sind bisher auf dem Konto der Stiftung eingegangen. „Drei Millionen davon kommen direkt aus der Branche“, sagt DBV-Präsident Joachim Rukwied. Das sei ein Zeichen für eine große Solidarität unter den Landwirten. Mehr als 6000 Spender beteiligten sich am Aufruf der Verbände. Auch die Hilfsorganisationen LandsAid und ADRA sowie der Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau unterstützen die Spendensammlung.
Manche haben Glück gehabt
Welche Kosten auf ihn zukommen – das kann Kessel noch gar nicht sagen. „Es ist aber besser, 15 000 Euro zu haben, als sie nicht zu haben“, sagt er. Vieles auf seinem Hof war noch gar nicht so alt. „Den Reitplatz haben wir vor zwei Jahren zum Teil neu machen lassen, den Sand in der Reithalle vor einem halben Jahr.“ Den 80 Pferden sei nichts passiert. „Aber es gibt jetzt viele Pferdebesitzer, die nicht mehr kommen, weil sie glauben, dass der Stall kontaminiert ist.“ Die Soforthilfe soll helfen, den Stall so schnell wie möglich wieder auf Vordermann zu bringen. „Das hat jetzt höchste Priorität. Wenn der Platz ein halbes Jahr kaputt ist und sich nichts tut, dann kommen die Leute nicht mehr wieder“, erläutert Kessel.
Mit der Soforthilfe wollen die Verbände 140 Betriebe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz unterstützen. Vom Hochwasser betroffen sind aber noch deutlich mehr: 250 Betriebe, insgesamt 15 000 Hektar Fläche. Sie liegen unter anderem in den Kreisen Heinsberg, Euskirchen und Rhein-Erft, in der Städteregion Aachen und im Ahrtal. Doch manche hätten Glück gehabt, sagt Marilena Kipp, Pressesprecherin des RLV. „Bei ihnen ist nicht viel zerstört worden. Wenn es sie aber getroffen hat, dann gleich doppelt. Privates und Berufliches finden sich bei ihnen oft auf einem Fleck“, erläutert Kipp. Hinzu kommt: „Im Juli und August steht oft das ganze Jahresgehalt auf dem Acker.“ In den beiden Monaten ist Haupterntezeit, etwa für Weizen oder Kartoffeln. Weil Kartoffeln sehr fäulnisanfällig seien, sei durch die Flut die ganze Ernte vernichtet worden.
Vom Erdgeschoss nicht viel übrig
Auch Kessels Ernte ist bedroht. Er hat neben seinem Pferdehof hauptsächlich Weiden. Teilweise sind sie mit Sand und Steinhaufen bedeckt. „Da kann ich jetzt natürlich nicht ernten.“ Sorgen, dass die Weiden durch verschmutzten Schlamm kontaminiert seien, macht er sich keine. „Aus dem Madbach und dem Sürstbach kam nur sauberes Wasser“, sagt er. Doch auch sauberes Wasser kann zerstörerisch sein. Vom Erdgeschoss von Kessels Hof hat es nicht viel übrig gelassen. Das Lehm-Stroh-Gemisch, aus dem die Wände bestehen, ist noch immer feucht. Die Familie wohnt seit der Flut im ersten Stock.
Unklar bleibt, welche Kosten auf die Landwirte nach der Flutkatastrophe zukommen. „Wir erfassen noch die Höhe der Schäden“, sagt Kipp. Der RLV wolle nun zunächst für schnelle finanzielle Hilfe sorgen. „Andere Fragen, zum Beispiel wie belastetes Material entsorgt werden soll, muss die Politik beantworten.“
Geht es nach Landwirten wie Kessel, müssen die Fragen so schnell wie möglich beantwortet werden. Planen könne er im Moment nur schwer, sagt er. „Ich kann auch noch gar nicht sagen, wie ich das alles schaffen soll.“ Dennoch müsse er es manchmal einfach mit Humor nehmen. „Es hört ja nicht auf, wenn ich mich nur beschwere.“ Wichtig sei, dass es seiner Familie und den Tieren gut gehe.
Der RLV hilft Landwirten nicht nur mit Geldspenden. Auch Futter, Stellplätze und Helfer vermittelt der Verband über ein Hilfsportal und die eigene Mitglieder-App. Per E-Mail können Anfragen an den Verband gestellt werden. Auch Hilfsangebote werden dort entgegengenommen.