Bad Münstereifel-Iversheim – Daniela Decker drückte fast schon zärtlich die pastöse Masse aus Lehm und Stroh gegen die Weidenzweige, die dem langsam zur Wand werdenden Gebilde Stabilität verleihen sollten. „Auf jeden Fall überzeugt mich das“, sagte die Iversheimerin. Auch wenn sie an diesem Morgen den Lehm nicht in die Wand ihres eigenen Hauses drückte, arbeitete sie nicht minder sorgfältig und liebevoll. Die Technik, die hier von den Experten der Interessengemeinschaft (IG) Bauernhaus gelehrt wurde, ist zwar jahrhundertealt. Dennoch ging es bei dem von der IG angebotenen Seminar auch um die Zukunft der Wohnhäuser einiger Iversheimer.
Hunderte von Jahren alte Fachwerkhäuser
Aus nahezu jedem Haus am Erftufer war derweil das metallische Rattern eines Stemmhammers zu hören, während die Erft nur wenige Meter weiter so unschuldig in ihrem Bett plätscherte. In der Nacht zum 15. Juli hatte sie, nachdem die Wassermassen ihr Vernichtungswerk in Bad Münstereifel verrichtet hatten, auch in Iversheim die angrenzenden Straßen überschwemmt und schwere Schäden an den Häusern verursacht. Bei vielen der beschädigten Gebäude handelt es sich um Fachwerkhäuser, teilweise Hunderte von Jahren alt, die unter Denkmalschutz stehen und beim Wiederaufbau einer besonderen Behandlung bedürfen.
Um die traditionellen Techniken, die bereits beim Bau der Häuser verwendet worden waren, einmal in Iversheim zu zeigen, bot die IG Bauernhaus in Zusammenarbeit mit der Unteren Denkmalschutzbehörde der Stadt Bad Münstereifel eine Vorführung an, wie eine Verfachung bei einem Fachwerkhaus fachgerecht mit Lehm durchgeführt werden kann. Rund 20 Menschen verfolgten interessiert die Demonstration am Haus der Familie Hoetgen.
Darunter auch Daniela Decker, die schließlich selbst mit Hand anlegte, als es darum ging, den mit Stroh vermischten Lehm auf die geflochtenen Weiden und Haselnussruten aufzubringen. Die Iversheimerin wohnt selber nur etwa 100 Meter Luftlinie entfernt. 1,80 Meter habe das Wasser oberhalb des Straßenniveaus gestanden, erzählte sie. Das Inventar im Erdgeschoss ihres Hauses sei vernichtet. Nun müsse renoviert werden, doch eine Versicherung gebe es nicht. „Das machen wir mit vielen Spenden und viel Eigenarbeit und -initiative“, sagte sie.
Umso mehr faszinierte sie die Technik, die Fachungen des Holzständerwerkes mit Ruten und Lehm aufzufüllen. „Das macht total Spaß, ich mache so etwas gern“, meinte sie. „Ein Hexenwerk ist das nicht. Wenn es gut erklärt wird, kann das jeder Depp“, sagte sie deutlich.
Lehm, Wasser und Stroh für den Wiederaufbau
Im Hof der denkmalgeschützten Hofanlage stand der alte Hanomag des Altbausanierers Johannes Prickartz aus Heimbach. Mit einem auf der Ladefläche montierten, alten Teigkneter wurde der Lehm mit Wasser zu einem Brei gerührt und dann mit Stroh versetzt. „1990 habe ich das zum ersten Mal gemacht“, berichtete er. Kübel um Kübel rührte er an und schleppte sie hinter das Haus.
Dort demonstrierte Hajo Meiborg, Vorsitzender der IG Bauernhaus, die Methode. „Viele Häuser wurden als einsturzgefährdet bezeichnet, aber man kann noch viel retten“, so seine Frau Britta. Mit ein paar Stützen sei es zuweilen recht unkompliziert möglich, dem Ständerwerk wieder die notwendige Stabilität zu geben. Sie selbst habe in ihrem Wohnort in Kuchenheim Glück gehabt: Während rundherum die Dörfer in den Fluten versanken, sei es bei ihnen trocken geblieben. „Deshalb können wir nun den anderen helfen und müssen nicht selber renovieren“, betonte sie.
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Aufgrund der oftmals historischen Bausubstanz, die beim Hochwasser zu Schaden gekommen sei, habe die IG der Stadt angeboten, derartige Beratungen durchzuführen. Diese knüpfte den Kontakt zur Familie Hoetgen. In ihrer Hofanlage habe das Wasser 2,90 Meter hoch gestanden, sagte Franz Hoetgen und wies auf den in luftiger Höhe angebrachten Basketballkorb, in dem noch das Treibgut festhing.
Mit zahlreichen Fragen wurde Hajo Meiborg aus der Zuhörerschaft bombardiert, während er die Fachung zuschmierte. Wie es denn mit der Installation eines Badezimmers sei, mit welcher Farbe der getrocknete Lehm angestrichen werden solle oder wie eine Fußbodenheizung eingebaut werden könnte. So manch ungewöhnlichen Tipp hatte Meiborg für die Interessenten parat – beispielsweise im Fall der Fußbodenheizung, bei der er den Einsatz von Schaumglas-Schotter empfahl. „Dann ist eigentlich auch kein Estrich notwendig“, erläuterte er. Doch auch die Zuhörer untereinander gaben sich zahlreiche Tipps. So wurden Telefonnummern von sachkundigen Behördenmitarbeitern ausgetauscht oder auf die aktuellen Fristen von Denkmalförderungen hingewiesen.
Seine eigene Baustelle hatte David Bahner mit Vater Fritz aufgemacht. Die beiden sammelten Lehm aus den Schutthaufen und zerkleinerten ihn, um ihn selbst einsetzen zu können. „Ich will mir eine Lehmhütte bauen“, verkündete David stolz. Eigentlich war sein Vater mit ihm gekommen, um sich hier in Bausachen fortbilden zu lassen. „Da wurde gesagt, dass in den Schutthaufen alter Lehm liegt, der problemlos wiederverwendet werden kann“, berichtete Fritz Bahner. Grund genug, um mit seinem Sohn ein eigenes Recyclingprojekt zu starten.