Die Freitreppe zur Erft in Bad Münstereifel ist nun auch offiziell zugänglich. Einige der Pflastersteine zeigen Fotos des Wiederaufbaus.
Zum Jahrestag der FlutIn Bad Münstereifel gibt es jetzt eine Freitreppe zur Erft
Es regnet, als wolle die Natur daran erinnern, wie es gewesen ist vor zwei Jahren, als die Fluten der Erft durch Bad Münstereifel geschossen sind und die Stadt verwüstet haben. „Es darf doch nicht wahr sein“, sagt Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian, als sie an der neuen Freitreppe zur Erft an der Werther Straße ankommt, die an diesem Samstag feierlich eröffnet werden soll. Schockiert sei sie gewesen, als es am Morgen angefangen habe zu regnen, bekennt sie später.
Doch das Wetter hat im Verlauf der Veranstaltung ein Einsehen. Als der katholische Pfarrer Robert Rego und der evangelische Prädikant Armin Reichert die Treppe einsegnen, stoppt der Regen, die Schirme der Gäste können zusammengeklappt werden.
Eine offizielle Eröffnung, die auch eine Gedenkveranstaltung sein soll, so haben die Organisatoren die kleine Feierstunde geplant. Durchaus passend, denn die Freitreppe ist einerseits Erinnerung und bietet gleichzeitig Neues: Den Zugang zum Wasser, das bisher in der Kurstadt nur hinter den Mauern betrachtet werden konnte.
Bad Münstereifel: Wassermassen rissen eine tiefe Wunde
Deutlich ist der Bezug zur Flutkatastrophe, die im Stadtgebiet fünf Menschenleben kostete. An dieser Stelle spülten die Wassermassen die Straße samt Springbrunnen weg, rissen eine tiefe Wunde. Sie wurde nicht neu gepflastert wie sonst so vieles, sondern gibt als sichtbare Narbe im Stadtbild Zeugnis von den Verwundungen und Verlusten, die die Menschen in Bad Münstereifel erlitten haben.
„Eine große Party wäre heute nicht angemessen gewesen“, sagt Preiser-Marian. Im vergangenen Jahr habe es das große Helferfest gegeben, nun stehe der Tag im Zeichen des Gedenkens. Und so liegen fünf Rosen auf der neuen Mauer an der Freitreppe, um an die Toten aus der Stadt zu erinnern.
Es sei viel geschafft worden, sagt Preiser-Marian in ihrer Ansprache. Die Kernstadt werde wieder aufgebaut, die zerstörten Straßen fast alle erneuert. In Iversheim werden die Brücken, in Arloff die Erftmauer erneuert. „Ich sehe optimistisch in die Zukunft, dass Bad Münstereifel glänzen wird“, sagt sie, während der Regen prasselt.
Kölner Fotograf Joachim Rieger half auf seine Art in Bad Münstereifel
Unverkennbar ist die Freitreppe ein Ort der Erinnerung. Schon allein die Steine mit den Bildern des Kölner Fotografen Joachim Rieger lassen den Kampf der Bad Münstereifeler um den Wiederaufbau nicht vergessen. 114 Steine hat er über ein aufwendiges Transferverfahren mit Motiven versehen, die er nach der Flut aufgenommen hat. Jeder Stein sei ein Unikat, so Preiser-Marian – wie auch die Erinnerungen der Menschen.
Rund einen Monat nach der Katastrophe sei er durch das Ratsmitglied Florian Hammes in die Kurstadt gekommen. Er habe helfen wollen, und so habe er das gemacht, was er könne: Er habe fotografiert. Ein Jahr lang sei er im Flutgebiet unterwegs gewesen, so Rieger: „Jedes Mal, wenn ich hierherkomme, überläuft mich ein Schauer.“ Viel habe er mit den Menschen gesprochen, sei am Ende fast als Seelsorger unterwegs gewesen.
Ein Buch und eine Ausstellung seien aus dem Projekt entstanden. Da sei ihm die Idee gekommen, die Fotos auf Materialien zu drucken, die von der Flut weggeschwemmt worden seien. Die Wahl sei auf Pflastersteine aus der Innenstadt gefallen. In Handarbeit werden die Fotos in jede Pore des Steins gerieben und dann die Steine mehrfach lackiert. Zu jedem Foto kann Rieger eine Geschichte erzählen.
Bürger der Kurstadt nehmen die Erfttreppe vorsichtig in Besitz
Etwa zu dem, das Sonnenblumen am Erftufer zeigt: „Das Foto stammt aus Arloff.“ Dort seien die Pflanzen aus Samen gewachsen, die aus dem überfluteten Tierfuttergeschäft in der Kernstadt stammten. „Die Sonnenblumen sind zu einem Mutmotiv geworden“, so Rieger.
Nach der Eröffnung nehmen die Bad Münstereifeler die Treppe in Besitz. Vorsichtig, fast ehrfürchtig gehen sie über die Stufen, nehmen die Fotosteine in Augenschein. „Ich trete da besser nicht drauf, nachher geht der Lack ab, ich bin mal vorsichtig“, sagt eine Frau und macht einen großen Schritt.
Musikalisch gestaltet wird die Veranstaltung von dem Sänger Vassil Beitz-Svechtarov mit seiner Ukulele. Für eine Überraschung sorgt die Pizzeria Pinocchio gleich neben der Freitreppe, die kostenlos Pizza für alle bereitstellt.