BlankenheimJuli-Hochwasser verursacht bis zu 250 Schadensfälle
Lesezeit 6 Minuten
Blankenheim – An die 250 Schadensfälle verschiedenster Art verursachte das Juli-Hochwasser in der Gemeinde Blankenheim. Insbesondere sind 80 Gewässer betroffen – von der Ahr bis zu namenlosen, kleinen Rinnsalen. Schadenskartierer sind deshalb unterwegs.
„Am Fundament der Brücke ist die Böschung etwas erodiert. Hier muss neu befestigt werden, und es müssen große Steine zum Schutz aufgebracht werden“, so Geografin Frauke Kramer. Sie und ihre Kollegin Carmen Manderfeld stehen am Zulauf des Ahbachs zur Ahr nahe der Landesgrenze zu Rheinland-Pfalz. Ein prüfender Blick auf die Brücke, wo sie vor einigen Tagen schon gestanden haben. Die Schadenskartierung nehmen die beiden Fachfrauen mit bis zu vier Kollegen des Lohmarer Dienstleisters „Die Gewässerexperten“ seit Mitte Oktober für die Gemeinde Blankenheim vor.
System durch Hochwasser schwer beschädigt
Sie untersuchen die Uferböschungen und die Wasserläufe. Rund um Blankenheim sind fein verästelt wie ein Adersystem 80 Bäche, namenlose Rinnsale und die Ahr als Hauptschlagader verzeichnet. Das System ist 192 Kilometer lang und wurde beim Hochwasser teilweise schwer beschädigt. Auskolpungen – im Bachbett etwa vor Brücken oder an Zuläufen entstandene Untiefen, die zu Unterspülungen der Uferböschung führen können – und Verklausungen von Durchflüssen an Brücken durch angeschwemmtes Totholz und Müll waren besonders kritisch.
Dazu haben die Experten einen Blick auf die Ufer allgemein. Alles wird über das Smartphone und den satellitengestützten GIS-Datendienst punktgenau lokalisiert, die Schadensstelle wird fotografiert, über ein differenziertes Filtersystem genau beschrieben und priorisiert. Berichtet wird an die Gemeinde. Maria Nelles, zuständige Fachgebietsleiterin, ist erste Ansprechpartnerin.
Schon Anfang August waren die Experten in Blankenheim. Sie sollten gefährliche Schadensstellen an mehreren Gewässern bestätigen, die von der Gemeinde per Augenschein festgestellt worden waren. Etwa an Urft und Wisselbach in Blankenheim-Wald, an der Ahr von der Einmündung des Lampertsbaches an Ahrhütte und Ahrdorf vorbei bis zur Landegrenze, aber auch am Mühlenbach mit Einmündung in die Ahr in Ahrhütte und eben an der Einmündung des Ahbachs in die Ahr.
„Schaden räumen, begutachten, belassen“
Wie damals geht es auch jetzt bei der Feinarbeit um die exakte Einordnung. „Schaden räumen, begutachten, belassen“ lautet in etwa der Empfehlungskatalog. „Die Knackpunkte haben wir mittlerweile gelöst“, so Martin Peetz vom Bauamt der Gemeinde. Ihn sorgen derzeit eher die Berge von Totholz, die die Straßenränder vor allem zwischen Ahrhütte und Ahrdorf säumen, oder der Müll, der sich an den Sammelplätzen türmt. Alles aus der Ahr herausgeholt, genauso wie die 30 Campingwagen, die sich am 15. Juli an einer Brücke bei Ahrdorf verkeilt hatten. „Wir sind froh über jeden, der Totholz abfahren kann“, wirbt Peetz um Unterstützung. Die bekam die Gemeinde unmittelbar nach der Flutkatastrophe bereits von vielen ehrenamtlichen Helfern.
Mit Peetz geht es nun ahraufwärts bis Oberahreck. Hier, an der ehemaligen Eisenbahnbrücke über den Fluss, und auch bei Ahrhütte hat die Gemeinde nach Rücksprache mit der Unteren Wasserbehörde beim Kreis die Schaffung von künstlichen Inseln im deutlich verbreiterten Bett der Ahr veranlasst. Bagger schaufeln Erdreich auf. „Damit hat die Ahr mehr Ausweichmöglichkeiten“, so Martin Peetz.
Hydraulisches Modell
Auch diese Maßnahme ist in den Datenpool der Experten eingeflossen. „Mit allen Daten werden wir ein hydraulisches Modell der hochwassergefährdeten Gebiete an der Oberahr erstellen können“, so Kramer. Daraus könnte abgeleitet werden, wo welche Schutzmaßnahmen nötig sind: Wo ist etwa eine Renaturierung sinnvoll, wo die Schaffung von Flutmulden, von Laufverlängerungen eines Gewässers oder der Bau von Hochwasserrückhaltebecken? Das wird nicht flächendeckend möglich und nötig sein. Wo es um den Schutz von Gebäuden und Infrastruktur geht, ja, aber in freier Natur gilt das Motto „Dem Wasser seinen Platz lassen, dem Bach sein neues Bett“. Im Schnitt hat sich die Ahr schon am Oberlauf seit dem 15. Juli um etwa 25 Prozent verbreitert.
Zahlreiche Baustellen
Zu erledigen sind noch zahlreiche Dinge auf der Aufgabenliste der Gemeindeverwaltung: Am Fuhrbach von Ahrhütte bis Dollendorf muss die Brücke an der Ahrmündung repariert werden. Der Weilerbach im Bereich der Kläranlage Freilingen muss beidseitig an der Einmündung in den Dörferbach vor einer Brücke freigeräumt werden. In Ahrhütte sind im Bereich Bürgerhaus schwere Schäden an Gebäuden entstanden, Gärten wurden weggerissen.
Ein Problemfall ist die Mülheimer Mure: Hier ist es zu Erdrutschen gekommen, die noch nicht beseitigt sind.
Folgende Brücken müssen repariert werden: Uedelhovener Brücke an der K46, Brücke über den Lampertsbach an der Ripsdorfer Mühle (K 69). Ausgeschrieben ist die Instandsetzung der Schaafbachbrücke bei Ripsdorf, die Sanierung des Aulbachs bei Neuhof nach Erdrutsch soll beauftragt werden.
Und wer zahlt für die Beseitigung der Schäden? Man hoffe, dass das Land in die Förderung einsteige, so Bürgermeisterin Jennifer Meuren. Die bisher zur Verfügung stehenden Mittel aus dem Wiederaufbaufonds und weiteren Töpfen, insgesamt 1,3 Millionen Euro, werden nicht reichen. Denn damit müssen auch Reparaturen an den Kläranlagen in Freilingen und Ahrhütte oder an Wirtschaftswegen bezahlt werden.
Interkommunale Zusammenarbeit
Wichtig wird zudem eine interkommunale Zusammenarbeit sein. „Die Flut macht nicht vor Gemeinde- oder Landesgrenzen halt“, so Kramer. Für den Bereich Urft und Olef hat sich Blankenheim mit Hellenthal, Schleiden, Kall, Nettersheim und Dahlem zusammengetan. Der Wasserverband Eifel-Rur wird federführend im Rahmen des KAHR-Projekts für die Koordination zur Erstellung des Schutzkonzeptes sein.
Parallel bemüht sich die Gemeinde Blankenheim, mit der Stadt Bad Münstereifel, dem Kreis, der Bezirksregierung und der rheinland-pfälzischen Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord in Koblenz sowie der Verbandsgemeinde Adenau eine Zusammenarbeit aufzubauen. „Wir haben mit Adenau ja eine Gewässerpartnerschaft“, so Meuren. Ziel wird auch hier die Erstellung eines Hochwasserschutzkonzeptes sein, das sich in diesem Fall um den Oberlauf der Ahr und ihre Zuflüsse dreht.
Wenn die Kartierer ihre Arbeit voraussichtlich bis Weihnachten erledigt haben, werden die Aufräumarbeiten „vielleicht noch ein halbes Jahr“ brauchen, so Maria Nelles. Und bis es ein neues Hochwasserschutzkonzept gibt, wird es nach ihrer Einschätzung zwei bis drei Jahre dauern.
Mit Martin Peetz ist die Reise nun am Mühlenbach neben der Böschung der L115 angekommen. Der Bach kommt von Freilingen und fließt bei Ahrhütte in die Ahr. Auf halber Strecke ist Thomas Hansen in der Bachsenke mit seinem Bagger bei der Arbeit: „Wir holen Totholz und umgefallene Bäume aus dem Bach.“ Danach werde mit dem Bagger das Bachbett neu profiliert. Wie lange der Schlossthaler das schon an den Bächen und der Ahr macht? „Seit dem 15. Juli“, sagt Hansen. Und wie lange noch? „Auf jeden Fall bis zum 1. März.“ Dann droht ein Stopp aus Naturschutzgründen: Im März beginnt die Brutzeit der Vögel.