Wiederaufbau nach der FlutDer Ahrdorfer Mario Frings lässt sich nicht unterkriegen
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Blankenheim-Ahrdorf – Bei der Flut verlor Mario Frings alles: Seine beiden Campingplätze an der Ahr, in Ahrdorf und Stahlhütte, dies- und jenseits der Landesgrenze, wurden völlig zerstört. „Es war eine Katastrophe“, so Frings. Doch er fasste Mut und fing neu an.
Frings erinnert sich an die traumatischen Flutgeschehnisse
Auch Frings Geschichte ist die einer Traumas. Am Nachmittag und bis in die Abendstunden des 14. Juli entfesselte die sonst so kleine Ahr am Campingplatz Stahlhütte eine bis zu drei Meter hohe Flutwelle. 130 der 160 dort geparkten Dauer- und Feriencamper riss sie mit.
„Das Wasser staute sich zurück“, erinnert sich der Ahrdorfer, der zu diesem Zeitpunkt noch auf dem Gelände war. In den Fluten starben sechs seiner Gäste. Das siebte Opfer war eine junge Feuerwehrfrau aus dem nahen Barweiler, die einen Gast retten wollte.
„Ich stand da, mitten im Chaos. Ab 18 Uhr hatten wir keinen Strom mehr, kein Telefon. Auch das Mobilfunknetz war weg“, so der 46-Jährige. Wie würde es seiner Familie nur wenige 100 Meter ahraufwärts in Ahrdorf gehen? Mario Frings ist verheiratet, das Ehepaar hat zwei Kinder, 10 und 14 Jahre alt.
Nur einer von drei Campingplätzen blieb von der Flut verschont
Und wie würde sein zweiter Campingplatz dort am Ortsrand neben der Frings-Mühle aussehen? In seinem Heimatdorf hat Frings den Campingplatz am Ahrufer übernommen, den sein vor zwölf Jahren verstorbener Vater 1979 gekauft hatte. Der Platz ist die Haupteinnahmequelle für Frings. Sein dritter Campingplatz in Hermeskeil bei Trier blieb verschont.
Er sei spät in der Nacht des 14. Juli irgendwie nach Ahrdorf gekommen, als das Wasser in Stahlhütte wieder zurückging. „Ich vermute über Dorsel, den Berg hoch.“ So genau wisse er es einfach nicht mehr. Frings stand wie so viele unter Schock. An der Frings-Mühle war es nicht anders als in Stahlhütte.
Auch hier hatte das Hochwasser alles mit sich gerissen. Wo in der Saison bis zu 200 Camper ihren Stellplatz zwischen Thuja-Reihen finden, auf grünem Rasen, die Versorgungsanschlüsse fein säuberlich aufgereiht, die Wege gekiest, war alles verwüstet. An die 30 Campingwagen hatten sich an einer Ahrbrücke unterhalb verkeilt. Der einzige Trost: Es gab hier keine Toten zu beklagen und Familie Frings war wohlauf.
Frings stand vor den Ruinen seiner Existenz
„Ob ich wieder anfangen soll? Ich weiß es nicht.“ Wenige Tage nach der Flut stand Frings vor den Ruinen seiner Existenz. Erst Corona, jetzt die Flut. Auch in Ahrdorf rückten Helfer aus ganz Deutschland an. „Aus Hamburg, dem Schwarzwald, dem Feriendorf Freilingen, dem Campingplatz am Freilinger See, den umliegenden Dörfern, natürlich aus Ahrdorf.
Die Hilfe kam auch sofort von der Gemeinde. Es waren pro Tag mehr als 100 Menschen, die da waren“, sagt Frings. Gute drei Wochen ging das so. Diese Solidarität hatte er so noch nicht erlebt. Sie habe ihn unendlich dankbar gemacht. Jetzt wusste er: Er steht nicht allein da. „Nicht quatschen. Machen.“ So habe er sich seitdem immer wieder klar gemacht, wie seine Lage ist. Er ist überzeugt: „Das war der richtige Weg.“
Also wurde in Ahrdorf auf dem Campingplatz zuerst der Müll zusammengefahren, dann sortiert. Was aus Holz war, wurde verbrannt. Die zerstörten Pflanzen kamen auf den Biomüllberg. Es wurde planiert, gefräst, gesät und gepflanzt.
Frings Familie stärkt ihm den Rücken
Am Ende sei der Campingplatz so komplett neu gebaut worden. Einfach sei das nicht immer gewesen. Der Rückhalt der Familie half ihm in den Momenten, in denen er daran zweifelte, ob das alles wirklich Sinn ergibt. „Ich habe aber gegenüber meiner Familie auch Verantwortung“, so Mario Frings. Aufgeben? Keine echte Option.
Fünf Monate danach ist am Campingplatz Frings-Mühle der Rasen eingesät, sind die Wege frisch gekiest, fein säuberlich stehen die Versorgungskästen in den von Thuja-Hecken markierten Parzellen. Und auch die ersten Dauercamper sind wieder da. Stolz weht eine etwas mitgenommen wirkende Deutschland-Fahne an einem Camper im Wind.
Immerhin blieb manches von der Flut verschont
Er habe da ja auch Glück im Unglück gehabt, wenn man das überhaupt so nennen könne, sagt Mario Frings: Das Sanitärgebäude und der SB-Markt mit der Campingplatz-Verwaltung blieben unversehrt. Auch die Zufahrtsschranke: „Deren Elektronik hängt hoch genug. Die blieb trocken.“
5000 Euro Soforthilfe hat er erhalten, ansonsten musste er bisher alles vorfinanzieren. Es soll schließlich weitergehen. Geld aus dem Wiederaufbaufonds will er jetzt beantragen. Doch da gibt es ein Problem. „80 Prozent des Inventars eines Campingplatzes liegen in der Erde“, so Frings. Er solle einen Gutachter zwecks Nachweis beauftragen, heißt es.
Der Wiederaufbau wurde eingestellt
Von Ahrdorf, wo die Camperwelt fast wieder in Ordnung ist, sind es nur zwei Flusskurven ahrabwärts zur reinen Tristesse. Auf dem Campingplatz Stahlhütte hatte Frings ebenfalls mit dem Wiederaufbau begonnen, doch dann stellte er alle Arbeiten ein.
Der Grund ist eine Behörde: Die Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord (SGD Nord) in Koblenz, vergleichbar einem Regierungspräsidium, hat für die Ahr von der Landesgrenze bei Stahlhütte bis zur Mündung in den Rhein Hochwasserkarten erstellt. Sie sind online einsehbar.
Darauf ist für jeden Flusskilometer markiert, wie hoch die Flut war. Immer wieder ist der Bereich des Flussbetts und seiner Ufer gelb schraffiert: Hochwasser gefährdetes Gebiet, Wiederaufbau fraglich. Das betrifft alle Campingplätze an der Ahr. Auch den von Mario Frings.
Fragen der Rechtssicherheit verunsichern
„Wenn ich hier investiere und es kommt das nächste Hochwasser, was wird denn dann? Gibt es für entstehende Schäden dann noch eine Rechtssicherheit?“ Das frage sich nicht nur er, sondern auch ein Teil seiner Kollegen. Eine Entscheidung steht aus, Mitte Dezember rechnet Frings damit.
Und bis dahin? Inzwischen hat die Unterstützung der Industrie- und Handelskammer. Von dort hört er die Parole: „Jetzt zählt jeder Tag.“ Das muss man ihm nicht sagen: „Wenn ich 2022 in Stahlhütte keine Einnahmen habe, dann kann es trotz allem immer noch eng werden.“ Zur Untätigkeit verdammt, das fühle sich für ihn in Stahlhütte „wie enteignet“ an.
Zurück in Ahrdorf, wo die Vorderlader, Baggerschaufeln, eine ganze Reihe an groben Besen und andere Hilfsmittel schon an den Rand gerückt sind. Die Zufahrtschranke blinkt, Besucher werden gebeten, die Telefontaste zur Anmeldung zu drücken.
Wie vor dem 14. Juli. Kann Mario Frings da positiv ins neue Jahr blicken? „Ich weiß es nicht. Aber es muss weitergehen.“ Er ist unsicher, es gibt für ihn noch zu viele Fragezeichen. Doch dann holt er spontan eine große Holzplatte und stellt sie vor sich auf. „Willkommen“ steht unter einem geschnitzten Herzen. „So begrüßen wir wieder die Gäste“, sagt Mario Frings – und lacht.