Eifelland – Dr. Norbert Reinkober, Geschäftsführer von Nahverkehr Rheinland, hat durchaus Humor: „Wir haben schon überlegt, ob wir nicht jeden Morgen Ölkännchen an unsere Kunden verteilen, damit sich die Fahrgäste etwas besser sortieren können.“
Denn die müssten sich leider derzeit oft wie die Ölsardinen in die Züge quetschen.
Natürlich weiß Reinkober, dass er durch solche Vergleiche den Zorn der zahlreichen Fahrgäste auf sich ziehen könnte. Allein – der Mann trägt keine Schuld an diesem Dilemma. Er versucht, den Schienennahverkehr im Rheinland zukunftsfähig zu machen.
Das geht nicht von heute auf morgen, weshalb als Ziel derzeit das Jahr „2030 +“ angepeilt wird. Eine Fülle von Maßnahmen ist in der Planung, darunter die Elektrifizierung der Eifelstrecke, ein seit Jahrzehnten diskutiertes Vorhaben, das in der Vergangenheit als unrealistisch betrachtet wurde.
Doch unter anderem durch die Elektrifizierung von Außenästen des Schienen-Personen-Nahverkehrs könnte der drohende Verkehrskollaps abgewendet werden. Reinkober: „Mittlerweile ist unser Wirtschaftsstandort an der Grenze. Ford in Köln kriegt die Züge nicht mehr ordentlich, Bayer in Leverkusen ebenso.“
Beim Ausbau der Infrastruktur Gas geben
Allein die S-Bahn werde jährlich von 54 Millionen Pendlern genutzt. „Wir hatten zuletzt innerhalb eines Jahres 7,6 Prozent mehr Fahrgäste. Das ist eine unglaubliche Steigerung. Deshalb müssen wir beim Ausbau der Infrastruktur Gas geben“, gibt er das Ziel aus.
Problematisch ist dabei das Nadelöhr Köln. Eine Untertunnelung wie bei Stuttgart 21 könne man sich abschminken. So etwas werde nicht mehr möglich sein. Die einzige Alternative sei daher, die Schienen-Verkehrsarten zu trennen: Güterverkehr, S-Bahn, Regional-Express und Fernverkehr müssten so organisiert sein, dass sie sich nicht in die Quere kommen.
Nahverkehr Rheinland, die Bahntochter DB Netz und das Landesverkehrsministerium beauftragten daher das Schweizer Ingenieurbüro SMA mit einem Gutachten.
Diese unter dem Stichwort „Bahnknoten Köln“ firmierende Untersuchung fordert die Verlagerung der Züge der Regionallinien auf die Gleise der S-Bahn, so dass mehr Platz für Züge im Güter- und Fernverkehr geschaffen wird. Dafür muss dann auch die S-Bahn-Stammstrecke in Köln auf eine dichtere Zugfolge von 2,5 Minuten gerüstet werden. Und die Regionallinien brauchen ebenfalls schnellere Züge: Mit Dieselfahrzeugen ist das nicht zu schaffen, Elektro-Fahrzeuge müssen her. Die Strecken RB 24 und RE 22 (Köln-Gerolstein), RE 12 (Köln-Trier) und RB 23 (Bonn-Bad Münstereifel) sollen umgerüstet werden.
Winfried Wenzel ist beim NVR für Planung und Betrieb zuständig. Er berichtet: „Die Machbarkeitsstudie für die Voreifelbahn ist bereits weitgehend fertiggestellt.“ Von Bad Münstereifel bis Bonn soll elektrifiziert werden. Das dafür benötigte Einspeisewerk soll in Euskirchen errichtet werden. Derzeit geht man davon aus, dass es zwischen Euskirchen und Bonn einen 20 Minuten-Takt, von Rheinbach bis Bonn sogar einen Zehn-Minuten-Takt geben soll.
Das Einspeisewerk in Euskirchen hat den Vorteil, dass es ebenfalls für die Elektrifizierung von Kall bis Köln genutzt werden kann. Diese Strecke RB 24 soll mit der RB 25 – Köln-Gummersbach – zur Linie S 15 verschmolzen werden. Zwischen Euskirchen und Overath soll es einen 20 Minuten-Takt geben. Eine Machbarkeitsstudie wird demnächst beantragt.
Massiver Ausbau
Eine Fülle von Maßnahmen steht im Fokus von „Zielnetz 2030 (+)“, die dem „Bahnknoten Köln“ dazu verhelfen, für die Verkehrsströme der Zukunft gerüstet zu sein. Angedacht sind unter anderem:
Von Köln-Hansaring aus bis Köln Süd bzw. Hürth-Kalscheuren wird die Westspange als S-Bahn-Strecke umgebaut. Dadurch können die derzeitigen Diesellinien RB 24 und RB 25 durch die neue, dann elektrifizierte S-Bahnlinie S 15 ersetzt werden. Stündlich würden durchgehende Fahrten von Kall bis Gummersbach angeboten. Zwischen Euskirchen und Overath ist eine Verdichtung auf einen 20-Minuten-Takt vorgesehen. Das Angebot wird zudem durch den stündlichen RE 22 von Trier bis Lüdenscheid überlagert.
Mit der Elektrifizierung der Strecke Bonn-Euskirchen-Bad Münstereifel kann die S 23 auf Elektrotriebwagen umgestellt werden. Ziel ist ein S-Bahn-Betrieb mit dichterer Taktfolge und kürzerer Fahrtzeit. Die S 23 soll bis Bonn-Mehlem verlängert werden. (pe)
Der „Überschwappeffekt“
„Im Kreis Euskirchen wird es dort Bevölkerungswachstum geben, wo eine gute Infrastruktur vorhanden ist“, ist NVR-Geschäftsführer Dr. Norbert Reinkober sicher. Wo es gute Haltepunkte gebe, da boome auch das Umfeld. Reinkober: „Insofern macht der Mechernicher Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick, den wir vor Kurzem besucht haben, alles richtig.“ Denn Mechernich werde eines der „Überschwappbecken“ für Köln.
In 20 Jahren, so Reinkober, dürfte die Einwohnerzahl in Köln und seinem Speckgürtel um 20 Prozent steigen. „Die Zahlen sind beängstigend, wenn man sich den zur Verfügung stehenden Wohnraum anschaut“, meint er. Dort könne gar nicht so viel bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung gestellt werden. Also müsse im Nahverkehr die Infrastruktur geschaffen werden, um die benachbarten Regionen zu erreichen. Denn, so Reinkober: „Der Überschwappeffekt wird heftiger als erwartet.“ (pe)