Stadt in TrümmernAlles muss raus – Aufräumarbeiten in Euskirchen dauern noch Wochen
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Euskirchen – Der Gestank ist beißend. Je mehr man sich dem Veybachcenter in Euskirchen nähert, desto intensiver wird er. Seit zwei Wochen verrotten die Waren bei einem Einzelhändler im Erdgeschoss. Die Helfer, die trotz dieses Geruchs im Erdgeschoss aufräumen, haben sich daran gewöhnt. Mit einem Vorschlaghammer zerstört ein Mann die Verkaufstheke eines Bäckers. Alles muss raus – dieser Spruch, den man eigentlich von Schlussverkäufen her kennt, trifft diesmal auf ganz andere Art und Weise zu.
Die Euskirchener Innenstadt gleicht einem Trümmerfeld. Die Flut hat kein Geschäft verschont, auch wenn die ersten, die wenige Schäden hatten, schon wieder geöffnet haben. Ansonsten: Schutt, so weit das Auge reicht. Auf der Neustraße wurden Pflastersteine weggespült. Schaufenster sind mit Holz verrammelt.
Saturn im Veybachcenter
Selbst Saturn im Veybachcenter hat es erwischt. „Unsere Verkaufsfläche ist verschont geblieben“, sagt Geschäftsführer Oliver Becker. Aber auf dem Hof habe das Wasser 1,90 Meter hoch gestanden und sei ins Lager gelaufen. Becker rechnet damit, dass der Schaden in die Hunderttausende geht. „Im Lager stand genau das, was derzeit dringend von den Menschen benötigt wird: Waschmaschinen und Trockner, Kühl- und Gefrierschränke und auch große Fernseher“, sagt Becker.
Die Euskirchener Filiale profitiert davon, dass Saturn Rahmenverträge mit Handwerks- und Bauunternehmen hat. Dieses Glück haben die wenigsten Händler. Auch an Ware sollte man bei Saturn schnell wieder gelangen, die umliegenden Märkte helfen aus. Aber: Ohne ein funktionsfähiges Veybachcenter kann auch Saturn nicht starten. Erst muss der Müll raus, dann die Feuchtigkeit. Die Elektrik muss ebenso wie die Brandmeldeanlage wieder hergestellt werden.
Keine genaue Prognosen möglich
Oliver Becker ist sich sicher: „Wir reden hier von Wochen.“ Genauer geht die Prognose nicht. „Alles zwischen zwei und acht Wochen ist möglich“, schätzt er. Am Boden zerstört ist Sally Ho, Leiterin der C&A-Filiale. Sie ist gleich doppelt betroffen. Privat in Gemünd hat sie das Hochwasser heimgesucht und dann auch noch beruflich. Dabei standen die Zeichen im Bekleidungsgeschäft am Klosterplatz auf Neueröffnung.
„Wir haben seit Januar Bereiche des Geschäfts renoviert und waren gerade fertig geworden, am 19. Juli sollten wieder alle vier Etagen geöffnet sein“, erzählt Ho. Doch das Geschäft sei nun ein Totalschaden, statt Neueröffnung wird nun ausgeräumt. „Die Filiale ist vorerst geschlossen. Wir müssen zunächst alles mit der Versicherung klären“, sagt Sally Ho.
Auch großer Schaden bei Kaufhof
Am anderen Ende der Berliner Straße befindet sich die Filiale von Galeria Kaufhof. Auch hier ist der Schaden immens. Das Wasser stand laut Geschäftsführer Hans-Peter Neußer nicht nur im Untergeschoss, sondern auch bis zu 15 Zentimeter hoch im Erdgeschoss. „Alle Fußböden müssen raus, auch der Estrich“, sagt Neußer. Und natürlich alles, was sich im Erdgeschoss in Bodennähe befand.
Weil der Strom nach wie vor ausfalle, sei es im Keller stockfinster. Dort müssen Spezialunternehmen die Decke absichern, von der sich Teile lösen. „Das Wasser ist mittlerweile komplett raus, jetzt müssen wir Angebote von Unternehmen einholen“, erklärt Neußer. Er geht davon aus, dass es Monate dauern wird, bis der Kaufhof wieder öffnen wird. Einem Gerücht, das in Euskirchen die Runde macht, widerspricht er: Plünderungen im Kaufhof habe es nicht gegeben.
Beim Rundgang durch die Innenstadt ergibt sich augenscheinlich ein anderer Eindruck als beispielsweise in Bad Münstereifel und Gemünd, wo es nach deutlich mehr emsigem Aufräumen aussieht. Wird in Euskirchen also weniger von den Geschäftsleuten gearbeitet als anderswo? Dem erteilt Günter Blauen, Geschäftsführer der Carl Prinz GmbH, eine Absage: „Das ist ein falsches Bild.“
Es gebe aber Unterschiede zwischen Euskirchen auf der einen und Bad Münstereifel und Gemünd auf der anderen Seite. So haben sich in Euskirchen auch einige „Filialisten“ angesiedelt, wie Blauen sie nennt. Im Gegensatz zu inhabergeführten Geschäften müssen sie oft warten, bis ein Sachverständiger den Schaden inspiziert hat, während Einzelunternehmer, von denen es in Bad Münstereifel und Gemünd mehr gebe, schon losgelegt haben.
Es muss viel herausgerissen werden
Ein anderer Grund: In Euskirchen ist mehr Platz. Container werden oft direkt vor den Geschäften platziert. „Das Tempo ist so deutlich höher. Bei uns werden täglich zwei bis drei Container gefüllt und abtransportiert“, erklärt Blauen. Gerade in den großen Geschäften müsse so viel herausgerissen werden, dass dies nicht mehr von den Mitarbeitern, sondern vor allen Dingen von Profis übernommen wird. An die zu gelangen ist aber nicht so einfach. „Die Aufräumarbeiten gestalten sich schwierig“, so Blauen, weil professionelle Unternehmen derzeit schwer zu bekommen seien.
Die Prinz-Geschäfte an der Neustraße sind selbst massiv betroffen. Das Wasser habe nicht nur im Untergeschoss gestanden, sondern bis zu 1,50 Meter hoch im Erdgeschoss. „Die Feuerwehr hat grob überschlagen, dass sie allein aus dem Untergeschoss etwa eine Million Liter Wasser gepumpt hat“, sagt Blauen. Die Bereiche müssen erst entkernt werden, erst dann könne mit der Trocknung begonnen werden. „Wir sind zum Glück versichert“, sagt Blauen. Er schätzt, dass der Schaden alleine bei Prinz in die Millionen geht.
Doch Blauen steckt den Kopf nicht in den Sand, sondern denkt positiv. Die Wiedereröffnung hat er fest im Blick, auch wenn er noch nicht weiß, ob die Bausubstanz angegriffen wurde: „Das Damenhaus wollen wir Ende September/Anfang Oktober wieder in Betrieb nehmen.“ Und dann soll es im Zweiwochenrhythmus mit Herrenhaus und P5 weitergehen. Ende Oktober soll Prinz wieder komplett am Start sein.