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Extreme Wetterlagen im BlickSo will Euskirchen sich an die Folgen des Klimawandels anpassen

Lesezeit 9 Minuten
Im Flussbett der Erft ist nur noch ein Bächlein zu sehen. Teilweise liegt der Grund trocken. Am Ufer sind einige Büsche und Gräser aufgrund der Trockenheit braun geworden.

Die Erft lag im Juli vergangenen Jahres stellenweise fast komplett trocken. Dieses Jahr sieht es nicht viel besser aus. (Archivbild)

Eine Umfrage des Netzwerks Correctiv untersucht, wie gut Deutschland auf den Klimawandel vorbereitet ist. Wir haben genauer nachgefragt.

Dürre, dann Starkregen, Bäche, die zu reißenden Strömen werden. Der Juli 2021 hat es gezeigt, wie kein Sommer der letzten 100 Jahre: Wir müssen uns darauf einstellen, zukünftig mehr Extremwetter ausgesetzt zu sein, auch wenn der Starkregen und die Überflutungen 2021 als „Jahrhundertereignis“ gelten. Es sind auch deutliche Zeichen des Klimawandels.

Den Kreis Euskirchen hat es bei dem Hochwasser hart getroffen. Die Fußgängerzone in der Kreisstadt wurde völlig verwüstet, ebenso die Ortszentren von Gemünd und Bad Münstereifel. Der Wunsch, zukünftig besser auf solche Situationen vorbereitet zu sein, ist seitdem groß. Das zeigt eine Umfrage des Recherchenetzwerks Correctiv, NDR Data, BR Data, und WDR Quarks. Die Recherche hat untersucht, wie die Landkreise und kreisfreien Städte in Deutschland auf die Anpassung an Klimafolgen vorbereitet sind.

Wie will sich Euskirchen an die Klimafolgen anpassen?

Demnach erwarten die Kreise und Städte in der Region, bis zum Jahr 2050 eine zunehmende Belastung und auch finanzielle Schäden durch extreme Wetterlagen wie Dürre, Hitzewellen, Starkregen und Überflutungen. Extremwettereignisse dieser Art gefährden die Sicherheit, Gesundheit und Existenz vieler Menschen. Wie die Netzwerk-Umfrage zeigt, verfügt jedoch nur ein Viertel der Kreise und kreisfreien Städte in Deutschland schon über ein Klimaanpassungskonzept.

Wie ist die Lage in Euskirchen? Gibt es ein Konzept für Klimaanpassung? Welche Maßnahmen hat der Kreis bereits ergriffen, um künftig gegen Fluten, Dürre und Starkregen besser gewappnet zu sein? Wir stellen die Umfrageergebnisse vor und haben beim Kreis noch einmal genauer nachgefragt.

Was Hitze angeht, zeigen die Daten in allen Kreisen und Städten der Region um Köln klar, wovor Expertinnen und Experten schon lange gewarnt haben. Es wird heißer – in diesem Fall: Es gibt mehr besonders heiße Tage. In den 30 Jahren von 1961 bis 1990 hatte Köln durchschnittlich 6,2 Tage über 30 Grad Celsius im Jahr. Im Zeitraum von 1993 bis 2022 waren es fast doppelt so viele mit 11,3. Das ist ein Anstieg von etwa 83 Prozent.

Und damit entwickelt Köln sich nicht einmal am drastischsten, auch wenn die Anzahl der Hitzetage hier am höchsten ist. Die Daten für den Kreis Euskirchen zeigen den deutlichsten Anstieg. In den letzten 30 Jahren gab es hier zwar nur durchschnittlich 5,7 Hitzetage (das sind genauso viele wie in Leverkusen vor 1990), aber ausgehend von 2,2 Tagen im Betrachtungszeitraum zuvor ist das mehr als eine Verdopplung. Ebenfalls mehr als doppelt so viele Hitzetage sehen der Oberbergische Kreis und der Rheinisch-Bergische Kreis. Am wenigsten stiegen die Hitzetage in Bonn an (69 Prozent, von 6,4 auf 10,8). Euskirchen ist trotzdem noch der kühlste Kreis der Region, denn die Temperatur stieg seit dem letzten Jahrhundert überall sonst ebenfalls deutlich an. (pic)


In Euskirchen gibt es einen solchen kreisweiten Maßnahmenplan: das „Klimawandelanpassungskonzept für den Kreis Euskirchen und seine Kommunen“. Hinter dem umständlichen Namen verbirgt sich ein Programm des Landkreises, um sich an häufiger auftretende Extremwetterereignisse infolge des Klimawandels – wie eben Fluten, Hitze und Hochwasser – anzupassen. Es geht hierbei also explizit nicht um Klimaschutzmaßnahmen wie die Verringerung von Emissionen. Die Bürgerinnen und Bürger sollen vor Schäden geschützt werden.

Wie Wolfgang Andres, Sprecher des Kreises, auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ mitteilt, sei das Klimaanpassungskonzept von Euskirchen im Juni 2021 beschlossen worden. Erarbeitet wurde das Konzept seit 2019. Die Notwendigkeit, sich besser an extreme Wetterlagen anzupassen, war im Kreis also schon zwei Jahre vor der verheerenden Flutkatastrophe im Bewusstsein angekommen. Ein Ziel sei unter anderem, „Geschwindigkeit in die Umsetzung von Klimaanpassungsmaßnahmen zu bringen“.

Komplexe Themengebiete erschweren die Umsetzung von Maßnahmen in Euskirchen

Beeinflusst werde die Umsetzung dieser Maßnahmen aber von einigen externen Faktoren: Die Themengebiete sind komplex, interdisziplinär und die Maßnahmen kosten nicht zuletzt Geld, von dem nicht immer klar ist, wo es herkommen wird – und ob es überhaupt kommt. Eine besondere Herausforderung sei laut Kreisverwaltung auch, dass Euskirchen als Landkreis in vielen Bereichen keine Zuständigkeit habe und daher nur „informieren und sensibilisieren“ könne.

In der Umfrage gab der Kreis Euskirchen an, dass in den Gemeinden schon einige Maßnahmen gegen Hitze, Dürre, Starkregen und Hochwasser getroffen wurden oder in Planung seien. Darunter unter anderem die Entsiegelung von Flächen, Fassaden- und Dachbegrünung. Auch Bäume seien gepflanzt worden und Wasserflächen angelegt. Andere Schritte, wie langsame Abflusssysteme (Sickergruben) zu fördern oder schnelle Abflusssysteme rückzubauen, seien derzeit noch in Prüfung und nicht abschließend bewertet, gibt der Kreis in der Correctiv-Umfrage an. Das bedeutet in diesem Fall: Man ist sich noch nicht sicher, ob diese Arten von Maßnahmen im Kreis notwendig und umsetzbar sind.

Euskirchen will mehr trockenresistente Pflanzenarten einsetzen

Was dürreresistente Pflanzenarten angeht, heißt es, man habe schon festgestellt, dass sie in jedem Fall notwendig seien, so der Kreissprecher. Teilweise seien auch solche Arten schon angepflanzt worden, doch „eine Bewertung der Maßnahme steht ebenfalls noch aus.“ In diesem Fall wird sich noch zeigen, wie effektiv sie ist. Helfen solle eine Auswertung zur biologischen Vielfalt in der Region, sodass beispielsweise die Standorte für dürretolerante Pflanzen sinnvoll ausgesucht werden können. Wie nötig solche Projekte sind, zeigen auch aktuelle Daten zur Häufung von Dürremonaten in Euskirchen.

Correctiv.Lokal bezieht sich bei den Dürredaten auf Erkenntnisse des „UFZ Hemholtz Zentrum für Umweltforschung“. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dort sprechen von Dürre, wenn die Feuchtigkeit im Boden „unter das langjährige 20-Perzentil fällt“. Das bedeutet: Wenn man die Werte eines Zeitraums betrachtet, fallen die Werte unter die trockensten 20 Prozent der Jahre. Wie stark die Dürre ist, wird in diesem Schritt noch nicht betrachtet.

In Euskirchen hat sich die durchschnittliche Dürredauer zwischen den jeweiligen 30-Jahr-Zeiträumen um 0,7 Monate gesteigert, das sind etwa 21 Tage Dürre mehr. Betrachtet man insbesondere den aktuellsten Beobachtungszeitraum, also die Jahre von 1993 bis 2022 genauer, wird klar, wann genau diese Steigerung stattfindet. Waren von 1993 bis einschließlich 2017 etwa noch nur 2,2 Monate (also zwei Monate und sechs Tage) besonders trocken, ist der Anstieg in den letzten fünf Jahren des Zeitraums enorm.

Von 2018 bis 2022 war es vier Monate lang zu trocken für die Landwirtschaft. An sogar mehr als sechs Monaten war es so trocken, dass Wälder nicht mehr ausreichend Wasser ziehen konnten. Das ist mehr als die Hälfte des Jahres.

Wichtig zu beachten: Diese Zahlen bilden nicht nur die Tatsache ab, dass es im Sommer trockener ist als im Winter. Im Vergleich zu anderen Werten, die in den entsprechenden Monaten gemessen wurden, muss die Feuchtigkeit im Boden geringer als 80 Prozent der Ergebnisse sein, um als Dürre bezeichnet zu werden. (pic)


Eigene Projekte hat sich der Kreis aber auch auf die Fahne geschrieben, zum Beispiel ein „Projekt zur Wasserwiederverwendung und integriertem Wassermanagement“. Dahinter stecke zunächst die Überlegung, ob man gereinigtes Abwasser in der Landwirtschaft verwenden könnte, sagt Andres. Die Studie dazu laufe noch. Daran anschließen solle auch ein „integriertes Wassermanagementsystem mit den Wasserverbänden und anderen Akteuren“. So soll Wasser als Ressource gezielt geschont werden.

Auch sogenannte Schwammstadt-Prinzipien hat der Kreis Euskirchen wohl schon in Angriff genommen. Was heißt das genau? Die Schwammstadt ist ein Konzept im Städtebau, dass Schutz vor Überschwemmungen und Starkregen bieten soll, in dem die Stadt sozusagen Wasser aufnimmt und es zwischenspeichert. Das funktioniert beispielsweise durch tiefergelegte, wannenförmige Grünflächen, die als Versickerungsmulden dienen und Regenwasser bei Starkregen auffangen, in einen noch tiefer gelegten Speicherraum leiten und dann zeitverzögert an den Boden abgeben.

„Clima Via“ in Zülpich soll Regenwasser besser auffangen und zwischenspeichern

Ein Beispiel dafür ist das Projekt „Clima Via“ in Zülpich. Auf der rund zwei Kilometer langen Römerallee sollen 156 Alleebäume gepflanzt werden. Dadurch solle Regenwasser auf der Römerallee an den Baumstandorten selbst zurückgehalten werden und ins Grundwasser versickern. Regen, der so nicht aufgenommen werden kann, solle in einen Niederschlagswasserkanal laufen und darüber in das an der B265 gelegene Regenrückhaltebecken geleitet werden. Als eines von 64 Projekten wird die Zülpicher „Clima Via“ vom Bund im Zuge des Programms „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“ gefördert. Zülpich erhalte rund 2,14 Millionen Euro für das Projekt, erklärt Christoph Hartmann, Geschäftsbereichsleiter für Stadtentwicklung in Zülpich auf Anfrage.

Zu Schwammstadt-Maßnahmen können auch sogenannte Gewässerrenaturierungen zählen. In Euskirchen seien an der Erft, am Rotbach und am Veybach solche Maßnahmen vom Erftverband vorgenommen worden, berichtet die Kreisverwaltung. Dabei wird zum Beispiel das Ufer der Erft wieder seinem Naturzustand nähergebracht. Wenn der Flusslauf einmal begradigt wurde, soll er sich wieder mehr schlängeln, um bei Starkregen die Wassermassen zu bremsen. Auch die Flora wird wieder lebensraumtypischer gestaltet. Dabei würden in gewissem Maße auch mehr Überflutungsflächen geschaffen und eine Hochwasserwelle kann abgeschwächt werden.

Euskirchen plant 200.000 Euro für Klimafolgenanpassung ein

Ähnlich wie viele andere Landkreise auch, gibt Euskirchen in der Correctiv-Umfrage an, die Maßnahmen für die Klimaanpassung überwiegend oder ausschließlich aus Fördermitteln vom Land NRW, Bund oder der EU zu finanzieren. Darüber hinaus finanzieren die Gemeinden auch selbstständig Maßnahmen. Für solche Projekte steht laut Aussage des Sprechers im Kreis ein eigener Etat von insgesamt rund 200.000 Euro zur Verfügung. „Dieses Geld wird zur Teilfinanzierung von Projekten eingesetzt, welche keine hundertprozentige Förderquote aufweisen oder für kleine Projekte, die der Sensibilisierung der Öffentlichkeit dienen.“

Euskirchen und der Rheinisch-Bergische Kreis sind dabei in der Region die einzigen Landkreise, die in der Umfrage überhaupt angeben, einen eigenen Etat für Klimaanpassung zu haben. Dennoch geht Euskirchen davon aus, dass die Maßnahmen in den kommenden Jahren vermutlich nicht ausreichend finanziert werden können. Erschwert wird das, weil gerade die Finanzierung durch Förderprojekte oft zwar möglich, aber bei der Antragstellung „sehr kleinteilig“ sei und mit einem „hohen zeitlichen Aufwand verbunden“.

„Gerade zweistufige Antragsverfahren sind sehr zeitintensiv und ohne Gewissheit, ob eine Förderung der Maßnahme am Ende möglich ist“, beklagt die Verwaltung. „Auch die Bearbeitungszeit der Anträge durch unterschiedliche Projektträger ist zum Teil sehr lang, was die Umsetzung von Maßnahmen weiter verzögert.“

Die Kreisverwaltung hält es deswegen für sinnvoll, eher eine generelle Förderung von Klimaanpassungsmaßnahmen auf Grundlage bestehender Konzepte zu ermöglichen, damit „gezielt mehrere Maßnahmen in einem Schritt umgesetzt werden können“.


Diese Recherche ist Teil einer Kooperation des „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit CORRECTIV, NDR, BR und WDR. Das Netzwerk CORRECTIV.Lokal recherchiert zu verschiedenen Themen, darunter in einem Schwerpunkt langfristig über die Klimakrise. Weitere Informationen gibt es hier.