Klimawandel hautnah erlebenZülpicher Phänologe beobachtet Entwicklung von Pflanzen
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Gemeinsam mit 1200 ehrenamtlichen Mitarbeitern, sogenannten Phänologen, ermittelt der Deutsche Wetterdienst Informationen zur Entwicklung von Pflanzen.
Einer dieser Phänologen kommt aus Zülpich und heißt Willi Schumacher.
Inzwischen meldet er die Entwicklung von rund 45 Pflanzen an den DW.
Euskirchen – Woher weiß der Allergiker, wann seine Reizpflanzen blühen? Und woran erkennt der Landwirt die beste Zeit, möglichst schonend gegen Schädlinge vorgehen zu können? Der Deutsche Wetterdienst (DWD) in Offenbach gibt zu diesen und weiteren Fragen Auskünfte. Die benötigten Daten erhält er von ehrenamtlichen Mitarbeitern in ganz Deutschland. Rund 1200 Phänologen haben die Vegetation stets im Blick.
Einer von ihnen ist Willi Schumacher aus Zülpich. Seit 1975 geht der inzwischen pensionierte Landwirt und Mitarbeiter in der landwirtschaftlichen Beratung diesem Hobby nach. „Angefangen habe ich mit einigen wenigen Pflanzen. Inzwischen melde ich die Entwicklung von rund 45 Pflanzen an den DWD“, erzählt er von seiner Arbeit. Fünf Kilometer groß ist sein Beobachtungsradius, den er locker mit dem Fahrrad im Blick haben kann. Wildpflanzen, Forst- und Ziergehölze, landwirtschaftliche Kulturpflanzen und Obstgehölze stehen auf seinem Programm. Etwa sechs Stunden pro Monat benötige er, so Schumacher, um die Pflanzen aufzusuchen und Ergebnisse in Listen festzuhalten. Die Übermittlung gehe heute zügig via Internet.
Phänologische Uhr
Phänologische Daten sind besonders in Zeiten der Klimaveränderung aufschlussreich. Mit ihnen wird jährlich eine phänologische Uhr erstellt. Die hält Vegetationsverläufe fest und kennt zehn Jahreszeiten. So wird der Frühling in Vor-, Erst- und Vollfrühling unterteilt.
Der Begriff Phänologie ist aus dem Griechischen abgeleitet und bedeutet so viel wie „Lehre von den Erscheinungen“. Gemeint sind die Beobachtung und Verfolgung von Vegetationsdaten. Wie das Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft in Sachsen berichtet, gab es eine systematische Beobachtung der Vegetation schon seit dem Jahr 705 n.Chr. in Japan. In Deutschland wird seit dem 19. Jhd. mit Unterbrechungen die jahreszeitliche Entwicklung der Pflanzen beobachtet und festgehalten.
Wer Interesse hat, sich an den Beobachtungen zu beteiligen, kann sich beim DWD melden, Tel. 0 69/80622946, oder online informieren. Auch Willi Schumacher, Tel. 0177/ 7108842 beantwortet Fragen. (fkn)
dwd.de/pflanzenbeobachter
Das phänologische Jahr beginnt mit dem Blühbeginn der Forsythie und endet mit dem Blattfall der Stiel-Eiche. Im Winter ruht die Phänologie. Vergleicht man die durchschnittliche Anzahl der Wintertage zwischen 1961 und 1990 mit denen von 1991 bis 2015, sieht man an der phänologischen Uhr die Veränderung sofort. Früher dauerten die Winter rund 108 Tage, jetzt sind es 86. Das hat Konsequenzen für den Anbau von Pflanzen. Die Obstblüte muss vor Frösten geschützt, die Schädlingsbekämpfung deutlich früher angesetzt werden. Die Sortenauswahl bei Getreide kann durch die genaue Beobachtung an die neuen klimatischen Bedingungen angepasst werden.
„Ich stehe mit zwei Landwirten in engem Kontakt und lasse mich über die Sortenauswahl informieren“, so Schumacher, der dieses Hobby aus Interesse an der Natur gewählt hat. Wenn er selbst mal nicht beobachten kann, helfen ihm Freunde und seine Erfahrung, die genauen Zeitpunkte festzuhalten. „Urlaubmachen ist kein Problem,“ sagt er. Für ihren Einsatz erhalten Phänologen 250 Euro im Jahr. Dafür machen sie sich regelmäßig auf den Weg, um bestimmte Bäume, Felder und Flächen aufzusuchen.
Die Gruppe der Phänologen verändert sich ständig. Einige sind über 80 Jahre alt. Auch Schumacher denkt aufgrund seines Alters an seine Nachfolge. Die Beobachtungspunkte in Bad Münstereifel und Weilerswist sind aktuell unbesetzt. Besondere Voraussetzungen sind nicht vonnöten.
Schumacher: „Ich kann es jedem empfehlen, der ein bisschen naturverbunden ist.“ Natürlich sei ein beruflicher Hintergrund im pflanzlichen Bereich von Vorteil, aber die Aufgabe sei für jeden zu meistern. Der DWD erklärt mit Hilfe von Fotos und Texten genau, wie die Pflanzen in Blick zu nehmen sind. Schumacher sieht für Einsteiger keine Probleme: „Man kann zunächst mit wenigen Pflanzen beginnen und wenn man möchte, später andere Pflanzen hinzunehmen.“ Wer mitmacht, erlebe die Klimaveränderungen und ihre Folgen hautnah und unterstütze die Klimaforschung sowie die Entwicklung der Landwirtschaft der Zukunft.