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Flutschäden in NRWLandes-SPD fordert Nachbesserungen bei Wiederaufbauhilfe für Bürger

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Mühselig sind nicht nur die Sanierungsarbeiten. Auch die Abwicklung der Wiederaufbauhilfe zehrt an den Nerven vieler Bürger.

Kreis Euskirchen – Dringenden Handlungsbedarf sieht die Landtagsfraktion der SPD beim Handling der Wiederaufbauhilfe in NRW. Am Donnerstag soll im Plenum über die Anträge diskutiert werden, mit denen die Genossen Schwächen im Verfahren ausbügeln und dieses beschleunigen wollen.

Denn: Nach traumatischen Erlebnissen der Flut, nach einem halben Jahr harter körperlicher Arbeit, Auseinandersetzungen mit Versicherungen, der teils verzweifelten Suche nach Gutachtern und Handwerkern, bei zunehmenden Zukunftsängsten und finanziellen Sorgen wegen der Antragshürden und der langen Verfahrensdauer gingen viele Menschen „auf dem Zahnfleisch“. Private Rücklagen seien aufgebraucht, Freunde und Verwandte angepumpt oder Kredite aufgenommen worden.

Auch Firmen haben Probleme

Auch viele Firmen hätten bis heute nicht wieder den normalen Betrieb aufnehmen können. Sie sähen sich neben den Herausforderungen beim Wiederaufbau auch noch Einnahmeausfällen ausgesetzt.

In einigen Punkten dürfte die SPD durchaus auf offene Ohren stoßen. Etwa, wenn sie die Landesregierung auffordert, dafür zu sorgen, dass das Einholen von drei Vergleichsangeboten angesichts des dramatischen Engpasses von Fachunternehmen in den Flutgebieten nicht länger Voraussetzung ist.

Kaum Handwerker zu finden

Wenn es überhaupt gelinge, drei Handwerker zeitnah zur Abgabe von Angeboten zu bringen, dann meist in den Fällen, in denen ein Auftrag zeitnah durch Elementarschaden-Versicherer abgewickelt werde. Selbst bundesweit zögen Handwerker diese den Fällen vor, in denen mit einem langen und komplizierten Verfahren bei der Fluthilfe des Landes NRW zu rechnen sei.

Ob die Landesregierung daran etwas ändern kann, ist aber die Frage. Aus Sicht von Thilo Waasem, Vorsitzender der Kreis-SPD und Landtagskandidat, hat sie den Spielraum durchaus.

Rechnungshöfe im Nacken

Auf den Hinweis, dass es sich dabei ja um eine Vorgabe des Bundes handele und der Landesregierung bei Missachtung die Rechnungshöfe im Nacken säßen, kontert er: „Dieses billige Schauspiel geht mir auf den Zeiger. Wenn’s knifflig ist, zeigt man mit dem Finger nach oben, in diesem Fall nach Berlin.“ Daher zitiert er frei CDU-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann, der im Zusammenhang mit der Vergabe von Aufträgen in der Corona-Pandemie gesagt habe, wer nach der Bewältigung einer Krise wie der Pandemie nicht den Landesrechnungshof am Hals habe, der habe alles verkehrt gemacht. Waasem: „Die Leute – und mich – interessiert kein Kompetenzgerangel, wir wollen Lösungen.“

Euskirchener Abgeordneter sieht wenig Spielraum

Das Laumann-Zitat bemüht auch Landtagsabgeordneter Klaus Voussem (CDU). Er ist ebenfalls der Meinung, dass die Vorgabe von drei Angeboten völlig an der Realität vorbeigeht. Bei der Bewertung der Möglichkeiten der Landesregierung kommt er aber zu einem anderen Ergebnis. Dieses „dicke Brett“ habe Olaf Scholz als Finanzminister den Ländern hinterlassen. Bis jetzt seien alle Bemühungen, diese Vorgabe aufzuweichen, erfolglos gewesen.

Kein Vorkaufsrecht

Mit ihrem Antrag legt die SPD den Finger auf weitere Schwachstellen. Die Tatsache, dass nur derjenige antragsberechtigt sei, der zum Zeitpunkt der Katastrophe Eigentümer eines Objekts war, führe zu Problemen. So könnten nicht mal Kommunen aus städtebaulichen Gründen ein Vorkaufsrecht geltend machen, eine Immobilie erwerben, sie mit Aufbauhilfen sanieren und einen neuen Eigentümer finden.

Fluthilfe im Kreis Euskirchen

Lange Bearbeitungsdauer

Der Kaller Bürgermeister Hermann-Josef Esser soll sich bei NRW-Heimatministerin Ina Scharrenbach für eine Beschleunigung und Vereinfachung der Wiederaufbauhilfe einsetzen. Ein Antrag der Kaller FDP-Fraktion, der auch in anderen Kommunen gestellt wurde, wurde im zuständigen Ausschuss einstimmig befürwortet.

Bei der Beseitigung der Flutschäden sei unkomplizierte Hilfe versprochen worden, so der FDP-Fraktionsvorsitzende Dr. Manfred Wolter. Tatsächlich sei die Bearbeitungsdauer der Anträge aber sehr lang: „Mehr als ein halbes Jahr nach dem Hochwasser haben die meisten Betroffenen noch keine Zuwendungen erhalten und sind mit den Kosten des Wiederaufbaus auf sich allein gestellt. Soweit Anträge bearbeitet wurden, zeigen sich bürokratische Probleme.“

Sinnlose Vorgabe

Ein Knackpunkt sei die Vorgabe, drei Angebote einzuholen. „Die Vorschrift, bei der es sich offenbar um die verwaltungsinterne Interpretation der Richtlinie handelt, ist in vielen Fällen sinnlos und verhindert für die Betroffenen den Zugang zu Fördermitteln“, so Wolter. Vielfach sei mit dem Wiederaufbau begonnen oder Aufträge erteilt worden.

„Ich bin selbst Betroffener und war froh, überhaupt Handwerker und Material zu bekommen“, sagt Wolter. Ein Privathaushalt sei keine öffentliche Verwaltung. „Es muss dem Bürger möglich sein, seinen Heizungsbauer oder Schreiner zu beauftragen, selbst wenn ein Unternehmen irgendwo in der EU einen günstigeren Preis anbietet“, betont Wolter. Auch Mängelgewährleistung und Wartung seien für die Zukunft wichtig: „Der Preis kann nicht das einzig ausschlaggebende Kriterium für den Wiederaufbau eines Privathauses sein.“

Fünf Jahre Verkaufsverbot

Manfred Wolter kritisiert auch die Vorgabe, dass die betroffenen Häuser fünf Jahre lang nicht verkauft werden dürfen und weiter genutzt werden müssen: „Was ist mit denen, die ihr Heim nicht aufbauen können oder wollen? Sie müssen ihr Haus mit hohen Abschlägen verkaufen und erhalten keinen Ausgleich.“

Der Ausschluss der Übertragbarkeit der Antragsberechtigung führe dazu, dass manche Objekte nicht saniert oder verkauft würden. Überforderung, Erkrankung oder Alter von Eigentümern seien häufig die Ursache.

Zerstörte Autos

Hier sieht auch Voussem Handlungsbedarf. Es müsse zwar verhindert werden, dass beim Wiederaufbau von Fluthäusern mit einer Billigkeitsleistung der öffentlichen Hand Spekulationsgewinne gemacht werden, doch gerade im familiären Bereich müsse es da Lösungen geben, sagt Voussem.

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Wenig hält Voussem von der Forderung der Landes-SPD, auch zerstörte Fahrzeuge durch die Aufbauhilfe zu ersetzten: „Diese Schäden sind in der Regel durch die Kasko-Versicherungen abgedeckt.“

Steuerberater gehen auf dem Zahnfleisch

Die Landes-SPD hat auch die Situation der Firmen im Blick. Für die stelle die Begrenzung der Erstattung von Einkommenseinbußen ein existenzielles Problem dar. Das gefährde Arbeitsplätze. Waasem: „Diese Anträge sind noch bürokratischer und komplexer.“ Was nicht nur dazu führe, dass vor allem kleine Firmen überfordert seien: „Auch die Steuerberater, die schon durch die Corona-Handlungsfelder in Verbindung mit dem normalen Geschäft extrem belastet sind, gehen auf dem Zahnfleisch.“

Unterlagen weggeschwommen

Problematisch, so die Landes-SPD, sei vor allem, dass von Firmen benötigte Unterlagen wie Baupläne oder Grundbuchauszüge oft Wasser und Schlamm zum Opfer gefallen seien. Auch sei ja zum 15. Juli, dem Tag der Katastrophe, keine Inventur erfolgt. Das Inventar sei aber in der Regel weggeschwommen oder entsorgt. Betroffen seien auch Kaufbelege.

Die SPD fordert, die Dauer der Erstattung von Einkommenseinbußen von Firmen zu verlängern und die Erstattung von Ersatzbeschaffungen unter Voraussetzungen zuzulassen. Wichtig sei auch, Verfahren zu beschleunigen, in dem die Sachbearbeiter benannt werden und bei Fragen oder Unklarheiten zur Verfügung stehen.