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Streit um HaushaltHeftige Kritik an Kaller Ampel-Koalition und CDU-Bürgermeister

Lesezeit 4 Minuten
Die Grundschule Kall ist derzeit eine Baustelle - hier ein Blick in den leeren Eingangsbereich.

Für die Sanierung der Grundschule sind im Etat 2023 im Rahmen des Wiederaufbaus drei Millionen Euro vorgesehen.

Rund um den Kaller Haushalt mit einem 1,5-Millionen-Defizit gab es Kritik und Schuldzuweisungen der Politiker.

Bei der Verabschiedung des Haushalts für 2023 im Kaller Gemeinderat war es mit der Harmonie vorbei. Stattdessen gab es Kritik und gegenseitige Schuldzuweisungen. Die CDU warf der Ampelkoalition im Golbacher Spiegelsaal vor, für einen Stillstand in Kall zu sorgen und Anträge abzulehnen, nur weil sie vom politischen Gegner kommen.

Grüne und FDP wiesen das zurück. Auch Bürgermeister Hermann-Josef Esser (CDU) musste sich Kritik erwehren. Am Ende stimmte aber nur Frank Poll (AfD) gegen das Zahlenwerk (siehe „Eckdaten des Haushalts“).

CDU: Ampel wirft Planungen und Beschlüsse über den Haufen

„Die Ampel ist vor einem Jahr mit dem Ziel angetreten, Visionen umsetzen und Konzepte zu erarbeiten“, sagte Bert Spilles (CDU). Doch das Gegenteil sei der Fall. Beim Hallenbad, der Sportanlage in Kall, dem Bau von Sozialwohnungen und eines Kindergartens am Hammerwerk sowie dem geplanten Neubaugebiet auf dem Fels würden Bedenken geäußert, Planungen und Beschlüsse über den Haufen geworfen und so für Unklarheiten gesorgt. Deshalb sei ein Ende bei den Projekten auch nicht absehbar. Die CDU stehe weiter zu den getroffenen Entscheidungen.

„Im Zentralort hat sich im vergangenen Jahr nichts geändert“, kritisierte Spilles. Fast alle Anträge der CDU – von der Planung eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) über die Förderung von Balkon-Photovoltaikanlagen bis hin zu zwei weiteren Stellen im Rathaus – seien mit Ampel-Mehrheit abgelehnt worden, so Spilles. Oft habe er dabei zu hören bekommen, die Gemeinde könne die finanziellen Belastungen nicht tragen. „Dabei hat die Ampel den investiven Bereich mit mehr als 1,5 Millionen Euro aufgebläht, moniert aber dann sinnvolle Anträge der Opposition“, bemängelte der Christdemokrat.

Zahlreiche Faktoren sorgen für Verzögerung beim Kaller Hallenbad

Dr. Manfred Wolter (FDP) warf Spilles vor, mit falschen Aussagen zu operieren. Beim Schwimmbad hätten die Flut, mangelnde Architekten sowie Handwerker- und Materialknappheit für Verzögerung gesorgt. „Bezüglich der Frage, ob Neubau an einem anderen oder Sanierung am alten Standort müssen wir uns beraten lassen und dann zügig entscheiden“, so der Liberale. Der Neubau des Kunstrasenplatzes sei eingeleitet, für die Fläche des ehemaligen Aschenplatzes sei ein vielversprechendes Folgekonzept entwickelt worden.

Der Baugrund für den angedachten Kindergarten am Hallenbad sei erheblich mit Schadstoffen belastet und die Kosten für die Sanierung noch nicht absehbar. Deshalb sei Vorsicht geboten. „In Kall ist unser Handeln immer noch geprägt von den Auswirkungen der Flut, und dies wird auch noch viele Jahre so bleiben“, betonte Wolter. Nach der Flut erwarte der Bürger auch Verbesserungen beim Hochwasser- und Starkregenschutz.

Grüne fordern bezahlbaren Wohnraum für junge Familien

„Wir haben die Vorschläge der CDU aus sachlichen Gründen abgelehnt“, erklärte Dr. Guido Huppertz (Grüne). Im Jahr der Krankenhausreform ein MVZ in Kall zu planen sei sachlich fragwürdig, weil man die künftige Versorgungslage nicht abschätzen könne. Die Wohnungslage in Kall für junge Familien sei dramatisch: „Ein Einfamilienhaus ist für junge Menschen wegen der gestiegenen Grundstücks- und Baustoffpreise, dem Handwerkermangel und den Zinsen für Kredite kaum finanzierbar.“ Deshalb müsse in nächster Zeit in Mehrgeschossbauten mit modernen Mietwohnungen investiert werden.

Ferner forderte Huppertz angesichts von Klimawandel und Artensterben mehr Grün in den Orten. Erfreut war er, dass im Haushalt Mittel für Agroforst eingestellt wurden. Dabei geht es um den Anbau von Gehölzen in Kombination mit landwirtschaftlichen oder gärtnerischen Kulturen oder mit der Haltung von Nutztieren.

Der neue Ratssaal ein Herzensprojekt des Bürgermeisters?

Für die SPD warf Karl Vermöhlen dem Bürgermeister vor, die falschen Prioritäten zu setzen. Noch vor einem Jahr habe Esser Steuererhöhungen für den Etat 2023 vorgeschlagen, die vom Rat abgelehnt worden seien. „Jetzt will er das Steuergeld der Kaller in Freibiermentalität verteilen – für 20.000 Euro sollen Hecken verschenkt werden, für 70.000 Euro soll es eine neue Stelle für die Kaller Politik geben, und ein neuer Ratssaal scheint ebenfalls ein Herzensprojekt des Bürgermeisters und der CDU zu werden“, so Vermöhlen, der den erkrankten Fraktionsvorsitzenden Emmanuel Kunz vertrat.

„Statt eines neuen Ratssaals brauchen wir mehr Tempo beim Wiederaufbau, vor allem bei der Grundschule.“ Auch beim Hochwasserschutz müsse man schnell vorankommen. Die Ampel gebe mehr Geld für Angebote für Jugendliche und Senioren aus. Für die Entwicklung neuer Baugebiete werde eine zusätzliche Stelle geschaffen. Beim Schwimmbad müssten die Pläne zügig vorangetrieben werden.

„Aus damaliger Sicht waren das Planjahr 2023 problematisch und die geplanten Steuererhöhungen sinnvoll“, verteidigte sich der Bürgermeister. Für Verzögerungen bei Projekten wie dem Schwimmbad sorge die von der Politik beschlossene Betrachtung von verschiedenen Varianten. Auch den Vorwurf, er treibe mit seinen Etatvorschlägen in das Haushaltssicherungskonzept, wies Esser zurück: „Wir haben eine so hohe Ausgleichsrücklage, dass das Fünf-Prozent-Kriterium gar nicht mehr greift.“

Frank Poll (AfD) sprach von einem ausgewogenen Verwaltungsvorschlag und warf den anderen Fraktionen vor, im Stil von „Wünsch-dir-was“ teure Änderungsanträge zu stellen. Das sorge nur für zusätzliche Ausgaben und Belastungen für die Bürger.


Die Eckdaten des Kaller Haushalts

  1. Im Haushalt 2023 der Gemeinde Kall sind Ausgaben von rund 44 Millionen und Einnahmen von 42,3 Millionen Euro vorgesehen. Das Defizit von rund 1,5 Millionen Euro wird nach Angaben von Kämmerer Markus Stoff vollständig aus der Ausgleichsrücklage gedeckt.
  2. Das Defizit sei auf deutliche Rückgänge bei den Schlüsselzuweisungen des Landes zurückzuführen. Die Ausgleichsrücklage sei durch die Haushaltsüberschüsse in den Jahren bis 2020 aber gut gefüllt, so Stoff. Derzeit liege sie bei 5,6 Millionen Euro. Auch für 2021 werde derzeit ein positives Ergebnis prognostiziert.
  3. Steuererhöhungen sind 2023 nicht geplant.
  4. Die größten Einnahmeposten sind die Gewerbesteuer mit 6,3 Millionen, der Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer mit 5,3 und die Betriebskostenzuschüsse für die Kindergärten in Höhe von 2,6 Millionen Euro.
  5. Bei den Ausgaben schlagen vor allem die Personalkosten mit 9,5 Millionen Euro und die Kreisumlage (9,4) zu Buche. Für den Kauf von Grundstücken sind 2,5 Millionen und für die Sanierung der Bürgerhalle 1,1 Millionen Euro vorgesehen.
  6. Im Rahmen des Wiederaufbaus nach der Flut werden 2023 insgesamt 14 Millionen Euro an Fördermitteln ausgeben. Drei Millionen Euro sind für die Sanierung der Grundschule eingeplant, je 2,5 Millionen für das neue Feuerwehrgerätehaus und die Sportanlage in Kall. 600.000 Euro sind für den Starkregen- und 500.000 Euro für den Hochwasserschutz vorgesehen. (wki)