Köln – Der beschädigte Damm der Steinbachtalsperre werde genau untersucht und beobachtet, sagt der Landrat des Kreises Euskirchen, Landrat Markus Ramers (SPD), am Freitagnachmittag: „Die Lage ist relativ stabil momentan. Ich bin optimistisch, dass die Einsatzkräfte das dort gut hinbekommen.“ Und dann, nach einer kurzen Pause, fügt er hinzu: „Aber nach wie vor müssen wir die Situation auch als kritisch einstufen.“
Weil Wasser in der Nacht zum Donnerstag über die schnell vollgelaufene Staumauer geschwappt war, wurde der Damm beschädigt. Es bildeten sich regelrechte Furchen, bis zu zwei Meter tief. Ein Experte der Bezirksregierung Köln stufte die Talsperre daraufhin als „sehr instabil“ ein. Auch weil der sogenannte „Grundablass“, die Abläufe am Boden der Staumauer, durch Schlamm und Geröll verstopft waren. Die unter der Talsperre liegenden Orte Schweinheim, Flamersheim und Palmersheim wurden evakuiert, etwa 4500 Personen sind davon betroffen.
Am Freitagabend dann erste Entwarnung: Die Lage an der Steinbachtalsperre entspannt sich nach Auskunft des Kreises Euskirchen (Nordrhein-Westfalen) weiter. Nach Informationen der Bezirksregierung Köln ist der bislang nach der Hochwasserkatastrophe verstopfte Grundablass der Talsperre jetzt freigelegt, wie es in einer Mitteilung von Freitagabend hieß. Über diese Öffnung kann jetzt Wasser kontrolliert abgelassen werden, um den Druck auf dem Bauwerk zu senken.
„Wir haben Drohnen im Einsatz“, um im Zweifel jede kleinste Veränderung zu bemerken, erläutert Landrat Ramers am Freitagnachmittag. Um den Staudamm zu entlasten, würden vier Pumpen des Technischen Hilfswerkes eingesetzt, die bis zu 100.000 Liter pro Minute aus der Talsperre pumpen. Zudem werde versucht, den verstopften Grundablass vom Geröll zu befreien. „Und wir hoffen jetzt, dass es nicht wieder regnet“, sagt Ramers. Damit man „die Talsperre kontrolliert leer“ bekomme und die Evakuierten wieder nach Hause könnten.
Wann genau es so weit sein könne, stehe noch nicht fest. Aber: Es werde aktuell davon ausgegangen, dass im Laufe des Sonntags eine Rückkehr in die evakuierten Ortschaften möglich ist, heißt es in einer Mitteilung vom Freitagabend. Voraussetzung sei eine gleichbleibende Wetterlage. Am Freitag war der Wasserstand zunächst gesunken, im Laufe des späteren Nachmittags nach Informationen der Bezirksregierung wieder stagnierte. Er befürchte jedoch, dass viele der Evakuierten „zurückkehren, um zu schauen, wie es um ihre Häuser steht“, so der Landrat. Oder um mindestens einen Teiles ihres Hab und Gut zu retten. Die Polizei, Feuerwehr und andere Helfer seien zwar vor Ort. „Aber klar, wir können jede Einsatzkraft nur einmal einsetzen.“ Deshalb gelinge es nicht, „permanent eine Patrouille zu organisieren“, so Ramers. „Insofern muss ich an die Verantwortung jedes Einzelnen appellieren, dort nicht zurückzukehren.“
Kein Szenario für einen Bruch der Talsperre
Ob es denn ein Szenario dafür gibt, wenn die Talsperre doch brechen würde? „Ich habe jetzt vom Talsperren-Betreiber keine Simulation vorliegen. Welche Ausmaße das dann hat und in welchen Bereichen die Flutwelle wie hoch sein könnte“, sagte Ramers. Zudem komme es darauf an, ob das Bauwerk komplett breche oder es erst einmal nur größere Risse geben würde. „Aber ich glaube, wir können uns alle ausmalen, was das bedeutet, wenn der Damm brechen würde. In jedem Fall hätten wir es mit deutlichen Überschwemmungen in allen darunter liegenden Orten zu tun."
Die Steinbachtalsperre wurde1934 gebaut, um die Tuchindustrie mit Wasser zu versorgen. Von 1988 bis 1990 wurde sie saniert. Um die Gefahr zu bannen, das Wasser durchsickert, wurde eine Asphaltschicht angebracht. Auch heute noch versorgt die Talsperre die regionale Industrie und die Landwirtschaft mit Brauchwasser. Und speist zudem das Waldfreibad.
Leichte Entwarnung an der Rurtalsperre
Aktuelle Probleme gibt es auch an der Rurtalsperre bei Schwammenauel in der Eifel, die seit Donnerstagabend 23.50 Uhr überläuft. „Zum Glück aber nur mit geringer Dynamik. Und die zufließende Wassermenge hat sich in den vergangenen Stunden schon etwas reduziert“, sagt Marcus Seiler vom Wasserverband Eifel-Rur am Freitagnachmittag. Ursprünglich habe man schon „früher mit dem Überlauf gerechnet“. Deshalb sei durch die Grundablässe des Bauwerkes mit Genehmigung der Bezirksregierung mehr Wasser abgelassen worden, als sonst üblich. „Um Zeit zu schinden, für die Hochwasserhelfer, die sich dann besser vorbereiten und die Bevölkerung warnen können.“
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Im Nachgang sei mit Überschwemmungen im Unterlauf der Rur zu rechnen. Keller und Häuser würden überflutet. Der Kreis Düren hatte bereits vor der Gefahr von Überflutungen in den Städten Heimbach, Nideggen und der Gemeinde Kreuzau gewarnt. Bei den Mengen, die in den vergangenen Tagen „in die Talsperre eingelaufen sind, handelt es sich mit Sicherheit um ein Jahrhunderthochwasser“, betonte Seiler. Die Standfestigkeit des Bauwerks sei zwar nie gefährdet gewesen. Angesichts des Klimawandels mit ungewöhnlichen Dürreperioden und Starkregen müsse zukünftig jedoch über den „Betriebsplan“ der Staudämme nachgedacht werden. Über die Frage also, wie viel Wasser in welcher Zeit abgelassen werden soll, „Wie man die Talsperren-Steuerung anpassen kann, um alle Extremereignisse abfedern zu können“, so Seiler. (mit dpa)