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Kampf dem Hautkrebs
Bad Münstereifeler entwickelt kostenlose Sonnencremespender

Lesezeit 7 Minuten
Das Bild zeigt eine Person, die fast komplett unter einem Sonnenschirm liegt, um sich vor den Sonnenstrahlen zu schützen.

Am besten gar nicht erst einen Sonnenbrand bekommen. Dabei hilft, den Schatten zu suchen. Oder sich mit Sonnencreme einschmieren.

2,2 Milliliter reichen, um Arme, Nacken und Gesicht einzucremen. So viel Sonnencreme kommt ab Dienstag aus den Spendern in Bad Münstereifel.

Die linke Hand hält Bernd Rudolph dicht vor den Sensor, die rechte unter den Behälter. Ein Bewegungsablauf, wie er in den schlimmsten Corona-Tagen millionenfach im Lande zu beobachten war. Doch das, was Rudolph nun in die Hand läuft, ist kein Desinfektionsmittel, sondern Sonnenschutzcreme – exakt 2,2 Milliliter, die passende Menge für Arme, Nacken und Gesicht, Schutzfaktor 50.

Rudolph verteilt die Creme über seine Arme. Gesicht und Nacken lässt er in diesem Fall aus, es regnet an diesem Donnerstagvormittag. Er beabsichtigt auch nicht, in den nächsten Stunden nach draußen zu gehen. Das Gestell hat er lediglich zu Demonstrationszwecken ins Wohnzimmer seines Hauses in Bad Münstereifel getragen.

Bad Münstereifel: Drei Ständer werden aufgestellt – mindestens

Doch schon am Dienstag dieser Woche sollen drei dieser Ständer in der Kernstadt seiner Heimatkommune aufgestellt werden. Wer möchte, kann sich dann in Bad Münstereifel bedienen: auf dem Sonnenplatz, im roten Rathaus und vor dem Printenhaus-Café.

„Wir wollen testen, wie das von den Leuten angenommen wird“, erläutert Rudolph das Vorhaben. Er sei gespannt, wie lange es dauere, bis die Behälter wieder gefüllt werden müssten. Das hänge natürlich auch vom Wetter ab, sagt er.

Das Klima, also die längere Betrachtung der meteorologischen Entwicklung, dürfte allerdings dazu führen, dass die Menschen künftig reichlich Gebrauch von solchen, kostenlosen Angeboten machen werden. Denn die Hitze, so Experten, trete häufiger und intensiver auf als früher. Und während Begriffe wie Inzidenz, exponentielles Wachstum und Reproduktionsrate scheinbar wieder ausschließlich in den zuständigen Instituten zum Sprachgebrauch gehören, könnten die in der Pandemiezeit allgegenwärtigen Ständer mit den angebrachten Behältern ein Comeback feiern.

Massenproduktion ist für Unternehmen kein Problem

Darauf jedenfalls setzt Rudolph. Vorbereitet wäre sein Unternehmen allemal. 100.000 Ständer im Jahr zu produzieren, sei kein Problem. Seit 30 Jahren verarbeite die Firma Rudolph Möbelmarketing als Vorlieferant für die Möbelindustrie unter anderem Stahl in rauen Mengen, so der Firmenchef.

Als die Corona-Krise 2020 in Deutschland aufkam, habe er die Anfrage eines Kölner Großvertriebs erhalten, ob er denn auch Ständer für die Behälter von Desinfektionsmitteln herstellen könne.

Wir haben dann mehr oder weniger in einer Nacht- und Nebelaktion mit diesem Vertrieb Ständer entwickelt und innerhalb von drei Wochen über 5000 hergestellt.
Bernd Rudolph

Er konnte. „Wir haben dann mehr oder weniger in einer Nacht- und Nebelaktion mit diesem Vertrieb Ständer entwickelt und innerhalb von drei Wochen über 5000 hergestellt“, erzählt er. Als wenig später die billigen Ständer aus China gekommen seien, habe man die Kundschaft in der Region schon ganz gut versorgt gehabt.

An diese Zeit erinnerte sich Rudolph nach eigenem Bekunden, als seine Frau ihn vor einigen Monaten auf die Idee mit der Sonnencreme gebracht hatte: „Sie hat einen Bericht im Fernsehen darüber gesehen, wie die Holländer die alten Desinfektionsmittel-Ständer mit Sonnencreme ausgestattet haben.“

Das Bild zeigt Bernd Rudolph an einem Sonnencremespender. Auf seiner rechten Hand befindet sich ein wenig Sonnencreme

Aus hygienischen Gründen funktioniere der Sonnencremspender kontaktlos per Sensor, erklärt Initiator Bernd Rudolph. Bald können die Bürgerinnen und Bürger das testen.

Das wäre doch auch etwas für Deutschland, habe er sich gedacht. Seine Recherchen hätten dann gezeigt, dass es schon erste improvisierte Versuche gab, etwa in Norderstedt, wo Azubis vom Bauhof ein paar Ständer bastelten und sie mit Sonnencreme aus dem örtlichen Drogeriemarkt füllten – „mit einer ähnlich positiven Resonanz wie in Holland“, wo die Aktion auch von den Hautärzten maßgeblich unterstützt werde.

Auch der Dermatologen-Verband in Deutschland sei „hellauf“ begeistert gewesen, als er den Verantwortlichen dort sein Vorhaben vorgestellt habe. Der Euskirchener Dermatologe Manfred Wittenhorst, mit dem er ebenfalls in Kontakt getreten war, begrüßt das Projekt als vorbildlich für die Kommunen. Die Deutsche Krebshilfe, so Rudolph, habe ihn gebeten, sie über die weitere Entwicklung des Projekts auf dem Laufenden zu halten.

Genau in dieser Zeit habe sich dann auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach öffentlich zu Wort gemeldet, vor den Gefahren des Weißen Hautkrebs gewarnt und Hitzeschutzpläne der Kommunen angemahnt. „Das Thema ist immer weiter aufgekocht, sodass wir den Eindruck hatten: Wir kommen genau in der richtigen Zeit mit unserem Vorhaben“, erinnert sich der Bad Münstereifeler.

Bad Münstereifeler suchte den Kontakt zum Gesundheitsministerium

Ursprünglich habe er auch Ständer in großer Zahl an den Bund verkaufen wollen: „Ich bin sogar bis zu einem Staatssekretär im Gesundheitsministerium vorgedrungen.“ Allerdings habe sich dieses Vorhaben als „etwas naiv“ erwiesen, gesteht Rudolph.

Er habe nämlich erfahren müssen, dass Lauterbachs Haus gar nicht zuständig ist. Stattdessen lernte er, dass das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) sich nicht nur um die Nebenwirkungen der Atomkraft kümmere, sondern auch um die Wirkung jener Strahlen, die aus 150 Millionen Kilometer Entfernung mit zunehmender Intensität auf den Erdball stoßen.

Vom BfS kam dann auch der freundliche Hinweis, dass für sein Anliegen die Städte und Gemeinden zuständig seien. Also bewegte sich Rudolph fortan in diese Richtung – und was lag da näher, als sich auf die Heimatkommune zu konzentrieren. Zumal in Bad Münstereifel ja auch ein Sonnencreme-Hersteller seinen Stammsitz hat: die Peter Greven Gruppe.

Unternehmen Peter Greven von Projekt begeistert

„Herr Rudolph hat bei uns offene Türen eingerannt“, erinnert sich Frank Severiens, Kaufmännischer Leiter Vertrieb und Marketing des weltweit agierenden Herstellers von oleochemischen Produkten, an das erste Treffen. Das Unternehmen, so Severiens, beliefere unter anderem Bauhöfe, Straßenmeistereien oder Dachdeckerfirmen mit Sonnenschutzmitteln in größeren Mengen, damit sich deren Beschäftigte vor Sonnenbränden oder gar Hautkrebs schützen können.

Rudolphs Vorschlag, das Projekt in Bad Münstereifel an den Start gehen zu lassen, habe ihn sehr schnell überzeugt, sagt Severiens: „Uns war schnell klar, dass das Sinn ergibt, sofern auch die Stadt damit einverstanden ist.“ Daran besteht aber kein Zweifel. Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian jedenfalls findet die Idee nach eigenem Bekunden sehr gut.

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigten ja deutlich, dass die Sonnenstunden und somit auch die UV-Strahlung kontinuierlich zunähmen, erklärt die Rathaus-Chefin: „Die Aufstellung von öffentlich zugänglichen Sonnencremespendern ist eine sinnvolle Maßnahme und unterstreicht das Selbstverständnis des Kneippheilbades Bad Münstereifel als Gesundheitsstandort.“

Entwickler hofft, dass anderen Kommunen es Bad Münstereifel gleichtun

Dass die Initiatoren, die diese „innovative Idee Hand in Hand entwickeln“, aus dem Stadtgebiet kommen, ist für die Bürgermeisterin so etwas wie die Kirsche auf der Torte.

Rudolph hofft nun, dass durch die Aufstellung der Spender in der Kurstadt andere Kommunen darauf aufmerksam werden, „dass es ein Konzept gibt, das im Peter-Greven-Online-Shop verfügbar ist“. Möglich sei etwa, dass Kommunen die Ständer selbst anschafften, oder Sponsoren beziehungsweise Paten, die sich dann auch um die Pflege und Nachfüllungen kümmerten.

Wappen der Gemeinde oder Stadt passt locker auf den Ständer

Genügend Platz für entsprechende Hinweise oder das Wappen der jeweiligen Stadt oder Gemeinde sei jedenfalls vorhanden. „Wir können die Ständer dafür auch individuell herstellen“, bietet der Firmenchef an. Auch in Einrichtungen wie Seniorenheimen, Kitas oder Behörden könne er sich die Aufsteller vorstellen – oder auf Eigenheim-Terrassen, als Erinnerung daran, sich vor der Arbeit im Garten, der Party im Freien oder der Tour mit dem Fahrrad einzucremen.

Ein Ständer kostet Rudolph zufolge 250 Euro – inklusiver erster Füllung des Behälters, der einen Liter Schutzcreme bereithält, also rund 500 Einheiten. Die Creme selbst, so Rudolph, sei günstiger als vergleichbare Mengen in den meisten Geschäften. Für die Passanten soll die Sonnencreme kostenlos bleiben, schließlich gehe es ja darum, die Menschen für das Thema Hautkrebs zu sensibilisieren.

So hat auch der Aufkleber an den Geräten durchaus appellativen Charakter. „UV-Strahlen können Hautkrebs verursachen – Schütze Deine Haut!“, lautet der Hinweis, versehen mit einem fröhlichen Sonnengesicht samt Sonnenbrille. „Es ist total spannend zu beobachten, wie das angenommen wird“, sagt Unternehmer Rudolph. Für Dienstag, den Tag der Aufstellung, wird jedenfalls ein relativ hoher UV-Index vorhergesagt.


Experte: 330.000 neue Erkrankungen jedes Jahr

Der Euskirchener Facharzt für Dermatologie, Venerologie, Allergologie und Phlebologie, Manfred Wittenhorst, zeigt sich begeistert von der Idee, Sonnencreme-Ständer in den Kommunen aufzustellen. Diese Initiative des Bad Münstereifeler Unternehmers Bernd Rudolph, die der in Kooperation mit der Firma Peter Greven realisiert, „hat Vorbildcharakter für ganz Deutschland“, erklärte der Inhaber der Euskirchener Praxis „Haut im Zentrum“.

„Seit Jahren steigen weltweit die Hautkrebserkrankungen kontinuierlich“, so Wittenhorst: „In Deutschland erkranken jedes Jahr 330.000 Menschen neu an Hautkrebs.“ Regelmäßige Nutzung von Sonnenschutzcreme sei das A und O für eine gesunde Haut, am besten das gesamte Jahr hindurch, fügt der Mediziner hinzu. Öffentliche Sonnencremespender, wie es sie in den Niederlanden seit 2023 gebe, seien rundum als Gesundheitsvorsorge und als Teil einer kommunalen Klimaschutzstrategie für die Bürger zu begrüßen.

„Das Bewusstsein für die Gesundheitsgefahren von starker Sonneneinstrahlung und intensiver Hitze ist bei uns allen oft noch nicht vorhanden“, stellt Wittenhorst fest. (sch)