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EuropawahlAfD legt im Kreis Euskirchen kräftig zu – Ergebnis bereitet Parteien Sorgen

Lesezeit 5 Minuten
Das Bild zeigt einen Blick in ein Wahllokal in Zülpich. Ein Wahlhelfer schüttet den Inhalt einer Wahlurne auf einen Tisch aus.

Mehr als 64 Prozent der Wahlberechtigten im Kreis gaben bei der Europawahl ihre Stimme ab.

CDU und AfD verzeichnen im Kreis Euskirchen die größten Zuwächse. Die Grünen verlieren fast 50 Prozent ihrer Stimmen im Vergleich zu 2019.

Die CDU und die AfD verzeichnen im Kreis Euskirchen bei der Europawahl starke Stimmenzuwächse. Die CDU ist mit mehr als 37 Prozent klarer Wahlsieger im Kreis, die AfD holt das zweitstärkste Ergebnis. Die Grünen müssen hingegen dramatische Verluste hinnehmen, die SPD verliert kreisweit ebenfalls weiter an Stimmen.

Die FDP schneidet etwas besser ab als auf Bundesebene und kommt auf 7,1 Prozent – jedoch ebenfalls weniger als bei der Europawahl vor fünf Jahren. Die Linke spielt im Kreis bei der Europawahl keine Rolle, dafür kommt das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) aus dem Stand auf 4,6 Prozent.

CDU-Chef Ingo Pfennings: „Weiter so der Ampel darf es nicht geben“

Die Christdemokraten verbessern sich auf Kreisebene im Vergleich zu 2019 um etwa drei Prozentpunkte und kommen auf 37,1 Prozent. „Wir haben das Ergebnis der letzten Europawahl übertroffen und die Wahl in Deutschland klar gewonnen. Dass wir uns auch im Kreis gesteigert haben, freut mich sehr und gibt uns für die kommenden Bundestags- und Kommunalwahlen in 2025 Rückenwind“, sagt Ingo Pfennings, Vorsitzender der Kreis-CDU.

Das „katastrophale Ergebnis der Regierungsparteien“ und das Ergebnis der AfD geben ihm allerdings zu denken, wie er im Gespräch mit dieser Zeitung sagt: „Jetzt darf es für die Regierungsparteien nur noch die Optionen kompletter Neustart oder Neuwahl geben.“ Ein „Weiter so“ könne nicht die Lösung sein. Ein Teil der Ampel-Unzufriedenheit spiegele sich im starken AfD-Ergebnis wider, so Pfennings.

Grüne verlieren im Kreis Euskirchen fast 50 Prozent an Stimmen

Die nächste Achterbahnfahrt für die Grünen: 2014 kam die Partei auf 7,8 Prozent, vor fünf Jahren auf 18,4 und nun auf 9,6 – ein Verlust von fast 50 Prozent. In allen Kommunen müssen sie deutliche Verluste hinnehmen. Grünen-Vorstandssprecherin Myriam Kemp sagt am Sonntagabend: „Wir werden ganz klar nicht an unseren eigenen Punkten gemessen. Wir werden für das abgestraft, was die Menschen an der Ampel stört – und die damit in Zusammenhang stehende Unzufriedenheit."

Im Wahlkampf sei in den Gesprächen seitens der Bürger nicht über Europathemen diskutiert, sondern fast ausschließlich über Bundesthemen gesprochen worden.

Thilo Waasem ist mit dem SPD-Wahlkampf zufrieden

Der Vorsitzende der Kreis-SPD, Thilo Waasem, schlägt Alarm – nicht nur, weil die Sozialdemokraten im Vergleich zur Wahl 2019 in allen Kommunen an Stimmen eingebüßt haben. „Ich finde die europaweite Verschiebung nach rechts schlimm. Vor dem Hintergrund bin ich gespannt, ob CDU/CSU mit Ursula von der Leyen den Dammbruch begehen und einen Zusammenschluss mit Rechten eingehen“, sagt er auf Anfrage dieser Zeitung. Mit dem SPD-Wahlkampf im Kreis sei er zufrieden, „auch wenn das Ergebnis natürlich nicht schön ist“, so Waasem.

Mit Helena Vitt und Vincent Lemke, die für die Sozialdemokraten bei der Europawahl angetreten sind, habe die SPD zwei engagierte Menschen, die dieser Wahl ein Gesicht gegeben haben. „Damit wollten wir deutlich machen, dass es eine wichtige Wahl ist“, so Waasem. Jede Wahl sei anders, so der Bad Münstereifeler. Die jetzige Europawahl sei „sicher keine Vorhersage für die Wahlen im kommenden Jahr“. Waasem: „Die Motivation in der SPD im Kreis Euskirchen ist hoch und diese Wahl hat auch neue Dynamik gebracht.“

Das Bild zeigt sechs Wahlhelfer beim Auszählen der Stimmen.

Die Wahlbeteiligung bei der Europawahl im Kreis Euskirchen war vor fünf Jahren mit 61,3 Prozent im Vergleich zu 64,4 Prozent in diesem Jahr etwas geringer.

Der Kaller SPD-Europakandidat Vincent Lemke schlägt in die gleiche Kerbe wie Waasem. „Das Erstarken der Rechtsextremen erschüttert mich“, sagt er: „Unser engagierter Wahlkampf zeigt, dass man uns nie abschreiben darf. Das ist keinesfalls ein Indikator für die kommende Kommunal- und Bundestagswahl. Ich werde mich auch weiterhin für Europa und unsere Demokratie in den nächsten Jahren einsetzen.“

Auch die Euskirchenerin Helena Vitt ist vom Ergebnis „natürlich enttäuscht“. Der Wahlkampf habe aber gezeigt, „wie lebendig und engagiert die SPD vor Ort ist“.

AfD legt im Kreis Euskirchen kräftig zu

Die AfD bestätigte im Kreis Euskirchen den bundesweiten Trend und holte 14,9 Prozent der Stimmen. Vor fünf Jahren waren es 9,7 Prozent. In Kall, Zülpich und Euskirchen knackt die Partei sogar die 16-Prozent-Marke.

Zu dem Ergebnis der AfD auf Bundes-, aber auch auf Kreisebene wollte sich deren Kreisvorsitzender Frank Poll nicht äußern. Auch die Frage nach den Schlüssen, die die Partei für das kommende Superwahljahr auf Bundes- und Kommunalebene ziehen werde, ließ Poll unbeantwortet.

Lediglich die Anfrage zu einem Fazit zur Europawahl beantwortet der Keldenicher schriftlich mit einer Attacke auf die – wie er sie nennt – Systempresse: „Ihr angebliches Verlagshaus ist ein links-grün dominiertes Konstrukt, welchem wir gegenüber unsere höchste Missachtung äußern. Wir werden weiterhin für das deutsche Volk kämpfen.“

Ergebnis der FDP im Kreis Euskirchen liegt über dem Bundesschnitt

Das Ergebnis (7,1 Prozent) liege erneut etwa zwei Prozent über dem Bundesschnitt, so Frederik Schorn, Chef der Kreis-FDP: „Unsere Stärke liegt im Kommunalen. Das Ergebnis der AfD macht mir Sorgen. Wir müssen den Wählern genau zuhören. Unternehmer in Ostdeutschland betrachten die starken AfD-Ergebnisse als Standortnachteil. Sollte sich der Trend im Kreis so fortsetzen, riskieren wir einen solchen auch.“

Es sei keine leichte Zeit für die Liberalen. Es gelte der Slogan „Wer regiert, verliert“, so Schorn: „Viele unserer Wähler sehen die Ampel kritisch. Das hat leider einiges überlagert.“ Im Vergleich zur Stimmung zum Jahreswechsel sei das Ergebnis jedoch annehmbar. „Ich halte es für richtig, Kurs zu halten in der Ampel. FDP-Bundesfinanzminister Christian Lindner wird bei der Schuldenbremse hart bleiben. Das ist ökonomisch richtig und wird auch von unseren Wählern erwartet. Wer mehr Geld ausgeben möchte, muss eben an anderer Stelle sparen“, sagt der Chef der Liberalen auf Kreisebene.