Obwohl der öffentliche Dienst oft keinen guten Ruf hat, bewerben sich genug Ausbildende bei den Kommunen. In einigen Bereichen ist die Konkurrenz aber groß.
Derzeit genug AzubisKommunen im Kreis Euskirchen sind als Arbeitgeber interessant
Schlechte Bezahlung, Bürokratie, Überstunden wegen des Fachkräftemangels und Defizite bei der Digitalisierung: Das sind nur einige Gründe, warum der öffentliche Dienst in der öffentlichen Wahrnehmung nicht sehr attraktiv ist. Doch als Arbeitgeber sind Städte und Gemeinden immer noch begehrt, wie Nachfragen bei der Stadt Euskirchen und der Gemeinde Kall zeigen. Der Nachwuchs weiß nämlich auch die Vorteile zu schätzen: etwa einen sicheren und heimatnahen Arbeitsplatz.
Die Kaller Gemeindeverwaltung hat insgesamt rund 220 Mitarbeiter. Darunter sind acht Auszubildende, von denen fünf in der Verwaltung und drei im Kindergartenbereich beschäftigt sind. „Weil nach der Flut einige Firmen ihre Ausbildungsplätze reduzieren mussten, haben wir entschieden, dass wir eine zusätzliche Stelle geschaffen“, erklärt Bürgermeister Hermann-Josef Esser. Mehr sei allerdings auch aufgrund der begrenzten räumlichen Kapazitäten nicht möglich. Denn auch das Rathaus ist seit der Flut eine Baustelle.
Gesundheitsmanagement und interessante Altersvorsorge
Christina Salmon ist eine von zwei Auszubildenden, die in diesem Jahr angefangen haben. Sie hat dabei einen Umweg genommen, zunächst ein Lehramtsstudium begonnen und sich dann für Fitnessökonomie entschieden. „In der Zeit habe ich in einem Fitnessstudio gearbeitet und gesehen, welche Auswirkungen Corona auf den Betrieb hatte. Da habe ich mich entschieden, dass ich lieber einen sicheren Job bei der Gemeinde Kall haben möchte.“
Jessica Hütter findet die Gleitzeitmöglichkeiten im öffentlichen Dienst gut, Maria Schmühl lobt die Work-Life-Balance, also das ausgeglichene Verhältnis von Arbeit und Freizeit. Einen weiteren Vorteil spricht Niklas Hoß an: „Ich bin froh, das, dass mein Arbeitsplatz heimatnah ist.“
Doch das sei längst nicht alles, was die Gemeinde Kall zu bieten habe, betont Personalleiterin Anja Schlösser: „Neben dem 49-Euro-Ticket gibt es ein betriebliches Gesundheitsmanagement und eine interessante Altersvorsorge.“ Auch der Freizeitausgleich für Arbeit an Abenden oder Wochenenden sei zum Beispiel in der Privatwirtschaft nicht immer selbstverständlich. Und: „Wichtig ist für mich darüber hinaus ein gutes Arbeitsklima.“
Madeline Tümmeler und Niklas Hoß haben direkt nach der Flut im Juli 2021 im Kaller Rathaus angefangen, sich in dem Ausnahmezustand gleich um die Bürgerhotline gekümmert und Anträge auf Soforthilfe mit bearbeitet. „Diese Zeit werden sie nicht so schnell vergessen“, ist der Bürgermeister sicher.
Noch an Heiligabend plötzlich eine Zusage erhalten
Dabei hätte Tümmeler um ein Haar gar nicht bei der Gemeinde angefangen, weil zunächst eine andere Bewerberin den Zuschlag erhalten hatte. „Von der haben wir am 23. Dezember 2020 eine Absage erhalten. Daraufhin haben wir geschaut, wer noch auf unserer Liste steht, und gleich Madeline Tümmeler angerufen“, so Esser. Noch an Heiligabend habe sie eine Zusage erhalten.
„Ich liebe meine Arbeit, aber man muss dafür gemacht sein“, erklärt Aleyna Rechenberg, die eine Ausbildung zur Erzieherin macht. Personalmangel, Lärm, steigende Anforderungen und andere Probleme seien eine Herausforderung. „Ich wollte aber schon immer was Soziales machen.“ Gut findet sie, dass Theorie und Praxis in ihrer Ausbildung gut miteinander verbunden seien: „Man kann Dinge, die man gelernt hat, gleich in der Kita anwenden.“
Den immer wieder gern gemachten Vorwurf, dass die Mühlen in den Rathäusern langsam mahlen, weist Maria Schmühl zurück: „In kleinen Verwaltungen wie in Kall wird keine ruhige Kugel geschoben.“ Der Bürger könne sich oft nicht vorstellen, welche Prozesse im Hintergrund abliefen, ehe eine Entscheidung getroffen und ein Projekt realisiert werden könne. Erschwert werde die Arbeit zudem durch die mangelnde Digitalisierung: „Leider liegen viele Akten nicht digital vor.“
Der Zahl der Bewerbungen in den Rathäusern ist insgesamt rückläufig
Betreut wird der Nachwuchs bei in Kall von Anja Schlösser und Nina Pützer, die 2019 selbst ihre Ausbildung abgeschlossen und danach eine Ausbildereignungsprüfung absolviert hat. „Während ihrer dreijährigen Ausbildung durchlaufen die Azubis sechs Sachgebiete und erhalten beim Rheinischen Studieninstitut in Köln die Grundlagen des Verwaltungsrechts“, so Pützer. Der Blockunterricht mit Fächern wie Deutsch, Sport und Politik finde im Berufskolleg Eifel in Kall statt. „Das ist der erste Jahrgang, der in Kall unterrichtet wird. Bislang mussten die Azubis nach Köln fahren.“
Die Zahl der Bewerbungen bei der Gemeinde ist insgesamt aber rückläufig. „Am Ende schaffen wir es aber immer noch, alle Lehrstellen zu besetzen“, sagt Schlösser. Der Fachkräftemangel mache aber nirgendwo Halt. Die Möglichkeiten, Bewerber beispielsweise durch ein höheres Gehalt zu locken, seien im öffentlichen Dienst sehr begrenzt.
Auch für die Stadt Euskirchen ist es nach Angaben von Bürgermeister Sacha Reichelt schwieriger geworden, Stellen zu besetzen. Die Situation sei aber unterschiedlich: Besonders schwierig sei die Situation im Kita- und IT-Bereich sowie bei den Ingenieuren.
Im Kita-Bereich sind nur drei von sechs Lehrstellen besetzt
Die Stadt Euskirchen hat laut Reichelt zurzeit insgesamt 872 Mitarbeiter. Darunter sind 26 Auszubildende, die nach Auskunft von Personalleiterin Isabel Schülter in sieben verschiedenen Berufsbildern eingesetzt werden. „Es gibt auch zwei angehende Bauingenieure, die ein duales Studium absolvieren“, sagt Schülter. Die Stadt bilde mehr aus als früher, die Zahl der Bewerbungen sei insgesamt relativ konstant.
„Im Verwaltungsbereich haben wir momentan keine Probleme, Bewerber zu finden. Aber im Kitabereich konnten wir nur drei von sechs Lehrstellen besetzen, obwohl wir im Vergleich mit anderen ein sehr attraktiver Arbeitgeber sind“, erklärt der Bürgermeister: „Da müssen wir jetzt den Hebel ansetzen.“ Die Stadt habe derzeit 21 Kindergärten in ihrer Trägerschaft.
Auch Qualität der Auszubildenden bereite Sorgen. Sie sei früher höher gewesen. „Es kommen nicht mehr so viele in die engere Auswahl. Unterschiede gibt es vor allem bei der Konzentrationsfähigkeit und der Eigenständigkeit“, so Reichelt. Deshalb müsse auch während der Ausbildung deutlich mehr erklärt werden. Dafür hätten die jungen Leute aber andere Qualitäten, etwa im Umgang mit digitalen Medien.
Euskirchen will mit Werbevideos die jungen Menschen erreichen
„Aber auch das Anspruchsdenken an den Arbeitgeber ist gestiegen. Solche Themen werden viel selbstbewusster angesprochen als früher“, hat Reichelt festgestellt. Vor allem auf die Work-Life-Balance werde sehr viel Wert gelegt. Schülter weist darauf hin, dass die Stadt mit Angeboten wie Jobticket, Betriebssport, flexibler Heimarbeit und anderen Angeboten punkte. Darüber hinaus biete man flexible Arbeitszeiten zwischen 6.30 und 19.30 Uhr. Und: „Im neuen Rathaus, das wir bauen, werden wir ein modernes Umfeld schaffen“, sagt der Bürgermeister. Mit Werbevideos in Kinos und in sozialen Medien sowie und anderen Aktionen versuche man, die jungen Menschen zu erreichen.
Der Fachkräftemangel sei vor allem im IT- und im Ingenieurbereich zu spüren: „Da befinden wir uns in Konkurrenz mit der freien Wirtschaft und kriegen nicht mehr alle Stellen besetzt.“ Auch im Kitabereich sei die Konkurrenz groß. Deshalb sei die Stadt bemüht, mehr junge Menschen auszubilden, um sie langfristig an die Stadt zu binden. Von großer Bedeutung seien in dem Zusammenhang die Identifikation mit dem Arbeitgeber und die Arbeitskultur. „Die Arbeit muss Spaß machen. Den Mitarbeitern muss Raum gegeben werden, möglichst selbstständig zu arbeiten“, betont Reichelt: „Das ist wichtig für die Arbeitszufriedenheit und wird deshalb auch weiter im Fokus sein.“
Ausflüge und Betriebsfeiern würden auch dazu genutzt, gegenseitiges Verständnis aufzubauen: „Da unterhält sich dann beispielsweise eine Erzieherin mit einem Mitarbeiter des Ordnungsamts.“ Die jährliche Personalversammlung sei auch keine „steife Veranstaltung“.