In seiner Ansprache gab Kalls Bürgermeister Esser der Kommunalministerin Ina Scharrenbach eine dringende Bitte mit nach Düsseldorf.
Klare WorteBei Kaller Gedenkfeier zur Flutkatastrophe wurde auch Kritik laut
Vergangen, aber längst nicht vergessen. Auch wenn die äußerlichen Spuren der Flutkatastrophe vom Juli 2021 immer weiter verschwinden, die Verletzungen der Seelen bleiben vielen erhalten, die diese Zeit miterlebt haben. Mit einem Gedenkfest gedachte Kall am Samstag der Opfer, der vielen Schäden und Verluste, die der Starkregen in der Gemeinde verursacht hatte.
Nach einem ökumenischen Gottesdienst standen Reden und die Eröffnung der Brücke im Weiherbenden auf dem Programm, bevor der Unterhaltungsteil begann. Unvergessen bleiben auch die drei Menschen aus dem Gemeindegebiet, die durch die Flut ums Leben gekommen waren. Um an sie zu erinnern, entzündeten NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU), Landrat Markus Ramers (SPD) und Bürgermeister Hermann-Josef Esser (CDU) Kerzen, die auf der Bühne für die Dauer des Festes brannten.
Ministerin Ina Scharrenbach erinnerte an erschütternde Szenen
Dass dieses Fest Ende August stattfinde und nicht im Juli, sei mit Bedacht gewählt worden, erklärte Esser. Es sei befürchtet worden – völlig zu Recht, wie er betonte –, dass die Baustelle in der Bahnhofsstraße möglicherweise zu dem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen sei.
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Zudem hätte der Termin in der Ferienzeit gelegen, was vielleicht vielen nicht gepasst hätte, die gerne teilnehmen wollten. Und schließlich sei auch das vergangene Wochenende als ungeeignet befunden worden, da das Gedenkfest keine Konkurrenzveranstaltung zur Kaller Kirmes sein sollte.
Viele der Menschen, die zu der Gedenkfeier gekommen waren, waren von der Flut betroffen gewesen, so Esser. Auch Helfer seien gekommen, sowohl die von den Hilfsorganisationen wie auch freiwillige – etwa Mitglieder der Feuerwehr Bredenbeck (Niedersachsen), die dafür die lange Fahrt auf sich genommen hatten.
Bürgermeister Esser dankte Land und Bund, die einen Fonds mit mehr als 30 Milliarden Euro Volumen auf die Beine gestellt hatten, wie er wohl heute nicht mehr zustande kommen würde.
Kritische Töne mit Blick auf Versicherungskonzerne
Kritisch äußerte er sich mit Blick auf Versicherungskonzerne, die denen keine Elementarversicherung anböten, die sie mit ihrer Wohnlage in den Uferbereichen der Urft besonders nötig hätten. Darum sollte eine Versicherungspflicht umgesetzt werden, sagte er an die Adresse Scharrenbachs.
Nach der Befreiung von bürokratischen Hemmnissen direkt nach der Flut sei die Verwaltung auch wieder in der Welt von Planfeststellungsverfahren und Umweltverträglichkeitsprüfungen angekommen.
Kaller Bürgermeister kritisiert die Bezirksregierung Köln
Dazu gebe es in Köln mit der Bezirksregierung eine Behörde, mit der der Umgang, diplomatisch gesagt, oft nicht einfach sei. Bis 2030 solle der kommunale Wiederaufbau abgeschlossen sein. Obwohl das wie ein langer Zeitraum erscheine, bestehe angesichts zeitraubender bürokratischer Erfordernisse die Gefahr, dass er nicht ausreiche.
Die Geschichte der Flut könne auch Hoffnung machen, sagte Ramers. In der Not hätten die Menschen zusammengestanden und sich gegenseitig geholfen. Respekt zollte der den Einsatzkräften, die in Kall trotz eines zerstörten Gerätehauses den Menschen geholfen hätten. „Mir haben manche Geschichten Mut gemacht“, sagte der Landrat. So habe sich gezeigt, dass das Land als Gesellschaft solidarisch sein könne.
Während Esser vor allem die verwaltungstechnische Seite in seiner Gemeinde ansprach, Ramers die Hoffnung und den gesellschaftlichen Zusammenhalt beleuchtete, wählte Scharrenbach für ihre Rede einen persönlichen Ansatz.
Geborgenheit im Chaos und Zusammenhalt in der Zerstörung
Sie schilderte ihre Erinnerungen an die Zeit direkt nach der Katastrophe, als sie in die Region gekommen sei. Der Blick in den Himmel habe einen schönen Sommertag versprochen, doch am Boden habe es anders ausgesehen. 49 Todesopfer habe die Flut in Nordrhein-Westfalen gefordert und somit 49 Familien, die trauerten.
Sie schilderte Erinnerung wie die an zwei Frauen, die mit drei Mädchen inmitten von Schutt Karten spielten, oder an eine Frau in Gemünd, die ihr mit den Worten „Das war mal unsere Heimat“ entgegenkommen sei. Das sei das Besondere: Geborgenheit im Chaos, Zusammenhalt in der Zerstörung und Zusammensein in der Einsamkeit. Das habe gezeigt, dass das Fundament für die Gemeinsamkeit in Kall stark sei, so Scharrenbach.
Vieles sei bereits wiederhergestellt, und um das, was noch fehle, wie ein neues Gerätehaus für die Kaller Feuerwehr, kümmere sie sich persönlich. Dann könne das starke Fundament ausgebaut und in die Zukunft getragen werden.
Den Gottesdienst feierten gemeinsam die Pfarrer Hans-Joachim Hellwig und Christoph Ude. Sie erinnerten an die seelischen Folgen, die die Flut für die Betroffenen hatte. „Die Flut wird uns nie loslassen“, sagte Hellwig, dessen Pastorat unter Wasser gesetzt worden war.
Ude lenkte den Blick auch über die Gemeindegrenzen hinweg. „Wie gehen wir mit unserer Erde um?“, fragte er rhetorisch. Jede Umweltkatastrophe mache die Menschen zu Opfern.
Kall: Brücke über die Olef wurde nach 14 Monaten Bauzeit freigegeben
Im Zuge des Gedenkfestes wurde die wiederhergestellte Brücke Weiherbenden für den Verkehr freigegeben. Durch die Flut waren beide Brückenpfeiler komplett zerstört worden.
Nun wurde sie ohne Brückenpfeiler wieder errichtet. Die Spannweite beträgt etwa 16 Meter. Die Gesamtkosten belaufen sich auf rund 1,8 Millionen Euro, die Bauzeit betrug rund 14 Monate. (sev)