Drei Jahre nach der Flut überzeugte sich NRW-Heimatministerin Ina Scharrenbach in Bad Münstereifel vom Fortschritt beim Wiederaufbau.
WiederaufbauHeimatministerin Ina Scharrenbach besuchte die Dörfer von Bad Münstereifel
Die Kernstadt von Bad Münstereifel kennt NRW-Heimatministerin Ina Scharrenbach inzwischen gefühlt so gut wie ihre Westentasche – oder ihr Schuhregal, wenn man von ihrer Vorliebe für ausgefallene Schuhe weiß. Seit der Flutkatastrophe am 14. Juli 2021 besuchte das Mitglied im Kabinett Wüst die Kurstadt mit schöner Regelmäßigkeit. Nur in den betroffenen Dörfern war sie tatsächlich noch nie zu Gast.
Das holte sie nun nach. Arloff, eine Durchfahrt durch Kirspenich, Iversheim und Schönau standen am Mittwoch auf dem Programm. Und am Ende kam sie zu dem Schluss: „Wenn man es wie in Iversheim nicht besser wüsste, könnte man zu dem Schluss kommen, hier sei nie etwas passiert.“ Dass es anders war und was passiert ist vor drei Jahren, weiß sie natürlich.
Monika von der Osten zeigte Ina Scharrenbach ein Fotobuch
In Schönau wurde es Scharrenbach beim geplanten Stopp am Durchlass des Dreisbachs ungeplant noch einmal vor Augen geführt. Bernd Becks und Monika von der Osten, die seit mehr als 40 Jahren dort leben, hatten die Delegation aus Ministerin, Politikern, Verwaltungsmitarbeiten und Pressevertretern gesehen und waren spontan hinzugekommen. Von der Osten hat Fotobücher erstellt, die ihr Anwesen vor und nach der Flut zeigen – und wie es jetzt aussieht. Interessiert schaute Scharrenbach sich die Bilder an. Der Schönauer Roland Derkum zückte ebenso spontan sein Handy und zeigte Scharrenbach ein Video, aufgenommen während der Flutkatastrophe.
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In Schönau tut sich was. Peter Schellenberger und Bernhard Barth berichteten davon, dass sich dort eine Gruppe formiert, um Hilfe zur Selbsthilfe zu praktizieren. Den beiden dauert das Thema Hochwasserschutz deutlich zu lange. „Die Natur wartet nicht auf die Bürokratie“, so Schellenberger. „Die Leute brauchen Sicherheit“, ergänzte Barth. Deswegen wolle man sich organisieren und beispielsweise herausfinden, wer zu Hause ein Notstromaggregat hat, oder Anrufketten bilden. „Man hat das Gefühl: Hier passiert nix“, so Barth weiter.
Scharrenbach: Die Menschen wollen „das alte Normal“ zurück
Eine Äußerung, die die Ministerin kennt. Die Ungeduld der Menschen kann sie verstehen, die „das alte Normal“, ihre frühere Normalität, zurückhaben möchten. Für Scharrenbach sind die Themen Starkregen und Hochwasserschutz ganz oben angesiedelt, beim Bund. „Es geht um den Schutz von Mensch, Tier und Umwelt“, so die Ministerin. Dass der Bund sich aber nicht der Dinge annehme, sei ein Fehler.
Die Behörden müssten in dem Tempo weitermachen wie direkt nach der Flutkatastrophe. Und vor allen Dingen: Alle Beteiligten müssten permanent an einen Tisch. „Man muss miteinander sprechen, nicht nur E-Mails verschicken, die dann oft auch noch falsch gedeutet werden“, so die Ministerin am Ende ihrer Tour, in den Höhen zwischen Schönau und Langscheid, an der Stelle, wo ein Auffangbecken entsteht.
176 Millionen Euro Wiederaufbauhilfe reichen Bad Münstereifel nicht aus
Begonnen hatte der Termin in der Mehrzweckhalle in Arloff, die ebenfalls von der Flut stark betroffen war. Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian gab noch mal einen kurzen Überblick, was bereits alles geschehen ist und was noch geschehen wird. 300 Maßnahmen gebe es im Wiederaufbau, die wiederum aus unzähligen Untermaßnahmen bestehen. „Die Excel-Tabelle ist ein ganzes Buch“, so Preiser-Marian.
175,6 Millionen Euro waren für den Wiederaufbau gebilligt worden. Weil man damit nicht hinkommt, wurden noch einmal 37,5 Millionen Euro nachträglich beantragt. Nicht darin enthalten, sind Hochwasserschutzmaßnahmen, die jüngst vorgestellt wurden und weitere 25 Millionen Euro kosten werden. Dr. Dietmar Jansen, Bereichsleiter Gewässer beim Erftverband, stellte beim Termin außerdem Maßnahmen seines Verbandes in Bad Münstereifel vor, darunter die Schaffung des Hochwasserrückhaltebeckens Möschemer Mühle.
Während die Arbeiten in der Kernstadt von Bad Münstereifel zu großen Teilen abgeschlossen sind, ist man auf den Dörfern noch nicht so weit. Aber Preiser-Marian zählte auf, was schon alles passiert ist in den Dörfern. „Alle 57 Ortsteile waren irgendwie betroffen“, sagte die Bürgermeisterin.
Hochwasserschutz steht mittlerweile ganz oben auf der Agenda
Viel drehte sich beim Besuch auch gar nicht mehr um den Wiederaufbau. Straßen und Brücken sind vielerorts wiederhergestellt oder zumindest geplant. Vielmehr stand der Hochwasserschutz im Mittelpunkt. Seit Juli 2022 gibt es eine interkommunale Hochwasserschutzkooperation, der kommunale Hochwasserschutz docke da an. Denn Hochwasser macht, wie im Juli 2021 gesehen, keinen Halt an Stadt-, Kreis- oder Landesgrenzen. Eine Kooperation gebe es auch mit dem Kreis Ahrweiler, denn Oberflächenwasser aus den Höhengebieten fließe zum Großteil in Richtung Ahr.
Für die Ortschaften Arloff und Gilsdorf werden künstliche Schlauchdämme angeschafft, die bei Hochwasser ausgelegt werden können. Fest installierte soll es in Waldbereichen geben, die dann zuwachsen, allerdings trotzdem das Wasser aus Bächen in den Wald lenken, „der im Regelfall zu trocken ist“, so Preiser-Marian.
Ministerin Scharrenbach probiert im Bauhof den Sandkönig aus
Und auch eine Sandsackfüllmaschine wurde angeschafft, die sich im Bauhof befindet: der „König 800 Power-Sandking Turbo“. Der Name erinnert an die Produkte aus der Heimwerker-Comedy-Show „Hör mal, wer da hämmert“. Unklar, ob es der von Schauspieler Tim Allen verkörperten Serienfigur Tim Taylor gereicht hätte, dass 4600 Sandsäcke pro Stunde gefüllt werden, oder ob er „mehr Power“ verlangt hätte. Auch die Ministerin durfte Hand anlegen und einen Sandsack füllen. Unterstützt wurde sie vom neuen Bauhofleiter Peter Mey.
„Der Kreis Euskirchen war in NRW mit am stärksten betroffen und Bad Münstereifel im Speziellen“, sagte Scharrenbach. Der Wiederaufbau in der Kernstadt sei gut gelungen. „Bad Münstereifel war mit die erste Kommune, die alles wieder am Laufen hatte“, so Scharrenbach. Sie weiß aber auch: „Die Bilder von Hochwassern in Österreich oder dem Saarland, die machen mit den Menschen was.“ Schutzmaßnahmen seien deshalb wesentlich, man müsse objektiv dazu beitragen, dass so ein Schadensereignis sich nicht wiederhole.
Anträge zur Wiederaufbauhilfe können bis 30. Juni 2026 eingereicht werden
Man habe ihr tatsächlich die Frage gestellt: „Bauen wir hier wieder auf?“ Ihre Antwort sei gewesen: „Sie glauben doch nicht, dass wir Bad Münstereifel nicht wieder aufbauen!“ Ein Problem der Hochwasserschutzmaßnahmen sei die teils nicht vorhandene Sichtbarkeit. „Die Bürger bekommen die Vorbereitungen nicht mit. Sie sehen nicht, wie viel Zeit, Geld und Kreativität da drinsteckt“, so Scharrenbach.
Bürger, die noch keine Wiederaufbauhilfe beantragt haben, hätten nun Zeit bis 30. Juni 2026. „Noch ist also Zeit, die Anträge einzureichen“, so die Ministerin. Alle vorhandenen Anträge seien abgearbeitet. „Aber wir kriegen immer noch ein paar Anträge.“