Der Weilerswister CDU-Abgeordnete Detlef Seif hat erneut das Direktmandat gewonnen. Für den Gemünder Markus Herbrand (FDP) endet die Zeit in Berlin.
Detlef Seif verweigert HandschlagSo war die Stimmung im Kreishaus nach der Bundestagswahl
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Beim Aufeinandertreffen auf dem Kreishausflur wollte AfD-Kandidat Rüdiger Lucassen (l.) Wahlsieger Detlef Seif (CDU, 2.v.l.) gratulieren. Dieser lehnte aber den Handschlag von Lucassen mit deutlichen Worten ab: „Ich möchte nicht mit Ihnen auf einem Foto sein“, sagte Seif. Andrea Kanonenberg (SPD) und Markus Herbrand (FDP) schauten auf den Boden und zur Seite.
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Wenige Sekunden nach 18 Uhr im Kreishaus: Jubel brandete in keinem Fraktionsbüro auf – auch nicht bei der CDU, die gemeinsam mit ihrer Schwesterpartei CSU die Bundestagswahl gewonnen hat. Die offenen Fragen, wer letztlich in den Bundestag einzieht, wer die Fünf-Prozent-Hürde meistert, wer nicht, welche Koalitionen möglich sind, welche nicht – all das sorgte für eher nüchterne Reaktionen aller Beteiligten.
„Es war kein Moment des Jubels. Daran wird sich auch im Laufe des Abends nichts mehr ändern – zumindest auf die Partei bezogen“, sagte der CDU-Kandidat Detlef Seif unmittelbar nach der ersten Hochrechnung. Gegen 21.15 Uhr stand dann endgültig fest, dass der Weilerswister, der seit 2009 Bundestagsabgeordneter seiner Partei ist, erneut ins Parlament einziehen wird. Er erhielt im Wahlkreis 91 (Kreis Euskirchen/Wesseling/Erftstadt/Brühl) mit Abstand die meisten Stimmen (38,4 Prozent).
Aus Sicht von Seif: Wahlergebnisse hätte für eindeutigen Politikwechsel klarer sein müssen
Doch Seif lenkte den Fokus von sich direkt nach Berlin. „Unser Ergebnis auf Bundesebene stimmt nicht zuversichtlich, dass der Politikwechsel jetzt in trockenen Tüchern ist“, sagte er. Im Gegensatz zu CSU-Chef Markus Söder schließt Seif eine Koalition mit den Grünen aber nicht grundsätzlich aus.
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„Für mich ist das eine der allerletzten Optionen, weil ich auch an den Wahlständen eine große Abneigung für die Partei durch viele Menschen erfahren habe“, sagte Seif im Gespräch mit dieser Zeitung: „Das habe ich so in den vergangenen Jahren und Wahlkämpfen noch nie erlebt. Dass Bürger auf mich zukommen und sagen ,Mit den Grünen nicht, sonst sind Sie für mich gestorben', hat es bisher nicht gegeben.“
Im Kreishaus machte Seif deutlich, dass es eine Koalition mit der AfD für ihn nicht geben wird – auch wenn es mit der Alternative für Deutschland eine sichere Mehrheit im Bundestag gäbe. „Es gibt keine Zusammenarbeit mit der AfD. Aber wir befinden uns in einem demokratischen System. Daher ist es erlaubt, dass wir Anträge stellen, die unserer Überzeugung entsprechen, und dann das Parlament entscheidet. Das ist etwas anderes als eine Zusammenarbeit“, so der 62-Jährige.
Tränen bei SPD-Kandidatin Andrea Kanonenberg
Seif will am Montagnachmittag nach Berlin fliegen und sofort wieder die politische Arbeit aufnehmen – auch wenn die vergangenen Wochen anstrengend und intensiv gewesen seien. Lediglich den Wahlsonntag habe er nutzen können, um mal ein wenig abzuschalten. „Ich bin endlich noch mal zehn Kilometer gelaufen“, sagte Seif, der als Dank für seinen Einsatz, aber natürlich auch für den Wahlsieg von CDU-Kreischef Ingo Pfennings einen bunten Blumenstrauß erhielt.
Blumen gab es auch für Andrea Kanonenberg. Die Sozialdemokratin nahm das historisch schlechte Abschneiden ihrer Partei noch recht gefasst auf. Als SPD-Kreisparteichef Thilo Waasem dann aber sagte, dass sie nach Sympathiewerten die Wahl eindeutig gewonnen habe, kullerten ihr ein paar Tränen die Wangen hinunter. „Es hat Spaß gemacht, dich im Wahlkampf zu sehen. Es hat mir gezeigt, dass Politik nicht nur ein dröges Geschäft ist“, sagte Waasem.

Handschlag: Markus Herbrand (r., FDP) gratuliert Detlef Seif (CDU) zum Wahlsieg. Andrea Kanonenberg von der SPD schaut zu.
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Und Kanonenberg? Die war irgendwie froh, dass der Wahlkampf nun vorbei ist. „Ich bin hier so unfassbar unterstützt worden. Ich hatte das Gefühl, dass wir hier alle Kräfte gesammelt haben. Wir können auf uns hier echt stolz sein. Das Ergebnis, das wir uns bundesweit eingehandelt haben, das waren nicht wir“, sagte sie.
Aber auch im Kreis Euskirchen verloren die Sozialdemokraten viele Stimmen. Kanonenberg erhielt bei der Erststimmen 20,7 Prozent – sechs Prozentpunkte weniger als Dagmar Andres (26,7 Prozent) vor vier Jahren. Bei den Zweitstimmen kam die SPD auf knapp 18 Prozent – genau wie im Bund ist die Partei damit auch im Kreis nur noch drittstärkste Kraft. In den Bundestag wird die 43-Jährige mit diesem Ergebnis nicht einziehen.
Markus Herbrand (FDP) muss in Berlin die Koffer packen
Gleiches gilt für Markus Herbrand aus Gemünd. Der Liberale belegt auf der FDP-Landesliste den zwölften Platz. Zu weit hinten, wenn die Partei mit nur fünf Prozent in den Bundestag einzöge. Ob die Liberalen überhaupt im kommenden Kabinett vertreten sein werden, stand am Sonntagabend noch nicht fest. „Die Ampel hat uns und anderen geschadet. Die Schuld dafür müssen alle Beteiligten bei sich suchen“, sagte Herbrand am Abend im Kreishaus: „Wir konnten den Rückstand im Endspurt nicht mehr aufholen.“
Die Ampel hat uns und anderen geschadet. Die Schuld dafür müssen alle Beteiligten bei sich suchen.
Das Abschneiden der AfD, aber auch das der Linken, gibt Herbrand zu denken. „Das halte ich, ehrlich gesagt, für beängstigend. Wenn 30 Prozent extrem wählen, dann ist das nichts anderes als beängstigend“, sagte der Gemünder. In den kommenden Wochen werde er einen Umzug aus Berlin in die Eifel organisieren. „Und ich werde erst einmal nichts machen“, sagte Herbrand: „Meine persönliche Situation finde ich nicht so dramatisch. Sie ist, wie sie ist. Das ist Demokratie.“
Kreis Euskirchen: Grüne zeigen sich vom Ergebnis der AfD geschockt
Auch im Kreis wurde die FDP von den Wähler abgestraft. Bei den Erstimmen kam Herbrand auf keine fünf Prozent mehr. Vor vier Jahren waren es noch 10,4 Prozent. Frederik Schorn, Vorsitzender der Liberalen im Kreis Euskirchen, hatte dennoch viel Lob für Herbrand übrig. „Ich halte ihn für einen der fähigsten Fachpolitiker, die es im Bundestag gab“, so Schorn.
Ebenfalls gescheitert ist Christian Schubert von den Grünen. Die Stimmung war im Kreishaus deshalb aber nicht schlecht. „Mit unserem eigenen Ergebnis sind wir soweit zufrieden. Der Fokus liegt aber nicht auf unserem Ergebnis, sondern er muss woanders liegen. Ich bin schockiert darüber, dass wir sowohl auf Bundesebene, aber auch hier im Kreis Euskirchen ein so krasses Ergebnis der AfD haben“, sagte Myriam Kemp, Kreissprecherin der Grünen.
Der Wähler hat den rechts-konservativen und den konservativen Kräften in Deutschland eine deutliche Mehrheit gegeben – mit der Union und der AfD.
Rüdiger Lucassen von der AfD, der über die Reserveliste dank des bundesweiten Ergebnisses seiner Partei erneut in den Bundestag einziehen wird, war nicht völlig euphorisiert, sagte aber: „Der Wähler hat den rechts-konservativen und den konservativen Kräften in Deutschland eine deutliche Mehrheit gegeben – mit der Union und der AfD.“ Der Wähler strebt eine Koalition zwischen AfD und CDU/CSU an. „Wenn sich Merz dagegen stellt, dann muss er verantworten, dass er den Wählerwillen bricht“, so Lucassen.
Auf dem Flur vor den Fraktionsräumen im Kreishaus wollte der 73-Jährige Detlef Seif zum Sieg gratulieren. Dieser lehnte den Handschlag aber ab. „Das ist seine Sache. Das macht ihn unheimlich klein“, sagte Lucassen über die Szene. Er habe damit kein Problem. „Wenn die Verlierer dieser Wahl, FDP und SPD, sich untereinander gratulieren wollen, dann ist das ihre Sache“, sagte Lucassen weiter.
Er wolle die Probleme aus dem Wahlkreis mit nach Berlin nehmen – etwa die nach wie vor vorhandenen Probleme der Landwirte. „Ich werde weiterhin bei den Bürgermeistern und dem Landrat dafür werben, dass sie sich der AfD nicht weiter versperren, wenn die Wähler ein so deutliches Zeichen abgegeben haben“, sagte Lucassen: „Die AfD vertritt die Wähler. Ich erwarte, dass unsere Politik nicht nur respektiert wird, sondern der Wählerwille auch umgesetzt wird.“