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EuropawahlSo macht sich die EU-Politik in den Kommunen des Kreises Euskirchen bemerkbar

Lesezeit 6 Minuten
Ein Mann wählt auf einem Stimmzettel für die Wahl zum Europäischen Parlament per Briefwahl. Diese findet vom 6. bis 9. Juni 2024 in den EU-Mitgliedstaaten statt. In Deutschland ist der 9. Juni der Wahltag.

Ein Kreuz bei der Europawahl zu setzen, heißt auch vor Ort mitzubestimmen. EU-Politik hat auch Auswirkungen auf den Kreis Euskirchen.

EU-Politik ist in den einzelnen Kommunen des Kreises Euskirchen spürbar – sowohl unterstützend als auch zunehmend restriktiv.

Das EU-Parlament tagt in Brüssel und in Straßburg – etwa zwei- bis dreihundert Kilometer entfernt vom Kreis Euskirchen entfernt. Trotzdem haben die Entscheidungen, die dort getroffen werden, ganz konkrete Auswirkungen auf die Kommunen des Kreises. Die Redaktion hat Bürgermeister, Bürgermeisterinnen und Verwaltungsmitarbeiter gefragt, inwiefern sich EU-Politik in ihren jeweiligen Kommunen bemerkbar macht.

Bad Münstereifel

Unterstützend wirke europäische Politik in Bad Münstereifel vor allem durch Förderprogramme, sagt Johannes Mager, Sprecher der Stadt. Besonders das Leader-Programm zur Entwicklung des ländlichen Raums hebt er hervor. Viele Projekte seien ohne diese Unterstützung nicht realisierbar gewesen. Das jüngste unter ihnen: die Renovierung und Modernisierung des Dorfsaals in Rodert. Nur durch Inanspruchnahme der Förderung in Höhe von 12.000 Euro habe der Dorfverein dieses Projekt umsetzen können.

Ein weiteres Beispiel: Auch bei der Finanzierung der EifelSchleifen und der EifelSpuren sei eine Förderung der Europäischen Union in Anspruch genommen worden, der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE). Und in den Wiederaufbau der Stadt nach der Flutkatastrophe flössen bis zum heutigen Tag EU-Fördermittel.

Die Umsetzung der EU-Richtlinien verursacht immer mehr Auflagen und leider auch zusätzlichen Bürokratismus im täglichen kommunalen Geschäft.
Jan Lembach, Bürgermeister von Dahlem

Doch auch in strengen Regelungen und komplizierten Vergabeverfahren wirke sich EU-Politik aus. Das zeige sich vor Ort besonders in den Themenbereichen Migration und Datenschutz. Sowohl bei der Unterbringung und der Integration Geflüchteter als auch bei der Einhaltung der DSGVO (Datenschutz Grundverordnung) stelle die EU-Gesetzgebung die Stadt Bad Münstereifel immer wieder vor neue komplexe Aufgaben.

Besonders restriktiv wirke sich die EU auf den kommunalen Forstbetrieb aus, sagt Mager. Mit steigender Intensität seien viele waldbezogene Rechtsvorschriften erlassen worden. Insbesondere in zwei sogenannten „Flora-Fauna-Habitat-Gebieten“, die sich im Gemeindegebiet befinden, seien erhebliche Auflagen und Bewirtschaftungsrestriktionen zu beachten. Aus klimabedingten Schäden entstünden monetäre Einbußen im Forstbetrieb, so Mager. Durch vielfältige Bewirtschaftungsauflagen würden diese sogar noch erhöht.

Zülpich

Gemeinsam mit der Gemeinde Weilerswist gehört Zülpich für den Förderzeitraum von 2023 bis 2027 erneut zu der Leader-Region Zülpicher Börde, sagt Torsten Beulen, Sprecher der Stadt. Das EU-Förderprogramm unterstützt zahlreiche Projekte im ländlichen Raum. Aktuell ständen noch 630.000 Euro für neue Projektideen zur Verfügung, so Beulen.

Zudem sei es nur dank der EFRE-Förderungen der EU in den vergangenen Jahren möglich gewesen, einige der Klimaschutzmaßnahmen zu realisieren, etwa die Verschattung des Strandbereichs im Seepark Zülpich. Zur Steigerung der Klimaresilienz wurden dort 45 Hanfpalmen angepflanzt (zur Verschattung der sich schnell aufheizenden Sandflächen), elf Solitärbäume auf der Liegewiese und 170 Meter Heckenbepflanzung im Außenbereich. Zudem mache die EFRE-Förderung das dem Klimawandel angepasste Bewässerungssystem im Seepark Zülpich möglich.

Doch ebenso wie die Stadt Bad Münstereifel beklagt auch die Stadt Zülpich den EU-Einfluss durch die Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Richtlinie. Eine besondere Betroffenheit habe die Stadt dabei durch ein gehäuftes Vorkommen des Feldhamsters. Laut FFH-Richtlinie und Berner Konvention gehöre dieser nämlich zu den geschützten Tierarten. Das habe zur Folge, dass bei jedem Bauprojekt im Außenbereich sehr aufwendige Artenschutzgutachten beauftragt werden müssten.

Schleiden

In Schleiden werde der Einfluss von EU-Politik im Nationalpark, in der Landwirtschaft und im Vogelsang IP spürbar, sagt Bürgermeister Ingo Pfennings. Das seien vor Ort die Bereiche, in die die meisten EU-Fördermittel fließen.

Eine hohe Belastung für die Kommunen stellt ihm zufolge aber auch die immer größer werdende Anzahl der EU-Vorgaben dar. Immer mehr EU-Gesetzgebungsprozesse hätten Auswirkungen auf die Beschlüsse des Rates der Stadt Schleiden. Das sei jüngst erst der Fall gewesen bei dem Thema Vogelschutzgebiet „Kermeter-Hetzinger Wald“. Dort wurde das Vogelschutzgebiet von 4,7 auf 10,7 Hektar ausgeweitet – also nahezu auf die gesamte Fläche des Nationalparks Eifel.

„Im Unterschied zum Nationalpark, der über seine Begrenzung hinaus keine Auswirkungen hat, strahlt ein Vogelschutzgebiet wegen des Umgebungsschutzes 300 Meter über seine Grenze hinaus“, erklärt Pfennings. So würden in dieser 300-Meter-Zone kommunale Planungen für Wohn- oder Gewerbegebiete erheblich erschwert.

Euskirchen

In Euskirchen werde EU-Politik besonders im Vergaberecht deutlich, sagt Tim Nolden, Sprecher der Stadt. Dieses besage etwa, dass je nach Auftragssumme für ein Vorhaben EU-weite Ausschreibungen erforderlich seien. Auch die von der EU vorgesehene Liberalisierung im Telekommunikationsbereich sorge vor Ort dafür, dass heute unterschiedliche Firmen unter Euskirchens Straßen Leitungen verlegen.

Ein Beispiel für eine EU-Förderung in der Stadt sei das Leader-Projekt „Voreifel – Die Bäche der Swist“.

Viele Projekte wie der Europäische Green Deal und das EU-Forschungsprojekt „Neues Europäische Bauhaus“ streben nachhaltige Mobilität und resiliente Räume für mehr Lebensqualität an. Nolden: „Diese Projekte setzen aktuell in der Planungs- und Baubranche neue Impulse, die uns allerdings eher mittelbar betreffen oder noch Zeit brauchen, um in irgendeiner Form nach Euskirchen vorzudringen.“

Mechernich

„In Mechernich ist die EU überall dort präsent, wo Gemeinschaft gelebt wird“, sagt Manuela Holtmeier für die Stadt. So wurden bereits die Dorfplatzerneuerungen in Bleibuir, Weyer und Vussem durch die EU mitfinanziert. Künftig folge Kallmuth. „Auch der Mühlenpark ist heute nur deshalb so attraktiv, weil über die Europäische Union Geld zum Beispiel in den Bau der Pumptrack-Anlage geflossen ist. Überall dort, wo Leader dran steht, ist auch immer ein Stück Europa mit drin.“

Zudem lebe die Stadt durch Städtepartnerschaften mit Nyons in Frankreich und Skarszewy in Polen den „europäischen Gedanken“. Der Jugendaustausch mit den jeweiligen Städtepartnern werde ebenfalls von der EU möglich gemacht.

Dahlem

Dahlems Bürgermeister Jan Lembach sieht die mannigfalten Vorgaben und Richtlinien der EU kritisch. Immer mehr Vorgaben und Vereinbarungen würden inzwischen in die Verwaltungen der Städte und Gemeinden dringen. „Die Umsetzung der EU-Richtlinien verursacht immer mehr Auflagen und leider auch zusätzlichen Bürokratismus im täglichen kommunalen Geschäft.“ Das äußere sich wie in Zülpich und Bad Münstereifel auch in Dahlem vor allem im Bereich des Natur-, Landschafts- und Artenschutzes.

Zahlreiche Förderprojekte seien zwar auch in Dahlem von der EU kofinanziert, doch Lembach findet, dass die Beteiligung von Europäischen Fördermitteln in Förderprogrammen die Beantragung, Durchführung und Abwicklung zumeist schwieriger und aufwendiger mache. „Wir begrüßen natürlich jeden europäischen Gedanken, aber einfacher und kostengünstiger wird es für uns durch eine Mitwirkung der EU in der Regel nicht.“

Weilerswist

Über die Auswirkungen von EU-Politik auf die Kommunen könne man wahrscheinlich eine Vielzahl von Studien verfassen, sagt Weilerswists Bürgermeisterin Anna-Katharina Horst. Doch auch in Weilerswist seien es zumeist die EU-geförderten Leader-Projekte, in denen die EU für die Menschen vor Ort sichtbar und erlebbar würden.

In Weilerswist sind das: die GenoEifel, der Pumptrack für Jugendliche, der Hochzeitsgarten neben Weilerswists Rathaus und das Projekt „Uns Sproch es Heimat“. Auch weitere Projekte wie „Die Essbare Gemeinde Weilerswist“ oder ein Projekt zur Wasserrückhaltung in Wäldern seien geplant und würden durch das Leader-Programm der EU ermöglicht.

Ziele, die auf europäischer Ebene festgelegt würden, bestimmten zunehmend über den rechtlichen Rahmen, Arbeitsaufkommen in den Verwaltungen und Verwendung finanzieller Mittel: „Wichtig ist, dass den Kommunen zur Umsetzung der geforderten Maßnahmen ausreichende Ressourcen, also eine ausreichende Finanzierung und Fachpersonal, zur Verfügung stehen.“