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Mit „Trotzigem Otter“ geehrtDie Burgbäckerei in Satzvey bietet mehr als nur Backwaren

Lesezeit 5 Minuten
Teddy M. Schmitz sitzt in seiner „Burgbäckerei“ auf der Burg Satzvey.

Mit dem „Trotzigen Otter“ wurde Teddy M. Schmitz für das Kleinkunstprogramm in seiner Burgbäckerei ausgezeichnet.

Teddy M. Schmitz bietet in der Burgbäckerei auf der Burg Satzvey auch ein Restaurant mit Gin- und Whiskey-Karte und einem Kleinkunstprogramm.

Teddy M. Schmitz ist ein Stehaufmännchen. Seine Burgbäckerei auf Burg Satzvey brannte 2020 zur Hälfte ab, dann kam 2021 die Flut. Doch der 61-Jährige gab nie auf. Und das trotz seines schweren Handicaps: Schmitz ist so gut wie blind.

Zwei Prozent Sehstärke auf dem linken Auge, rechts nur schemenhaft Bilder erkennen können, wenn sich das Gegenüber bewegt – wer wie Schmitz ein solches Handicap aufgrund eines unheilbaren Gendefekts hat, der sich über die Jahre verstärkt, der sucht sich wohl ein eher ruhiges Leben in einem im Wortsinne überschaubaren Umfeld.

Seit 2011 hat Teddy M. Schmitz die Burgbäckerei aufgebaut

Schmitz, 61, aus Langenfeld zwischen Düsseldorf und Köln, hat so nie gedacht. Der Bäckermeister ist seit 2011 Pächter der Burgbäckerei. Und eines ist dieser Job auf jeden Fall nicht: Ein sicherer Raum ohne große Irritationen, plan- und beherrschbar. Wie auch, wenn bei Großveranstaltungen Hunderte Besucher an der Bäckerei am Burghof vorbeiziehen?

Die „Burgbäckerei“ auf der Burg Satzvey ist ein Restaurant mit Bäckerei und eigenem Kleinkunstprogramm, das in einem offenen Holzgebäude untergebracht ist.

Die Burgbäckerei war vor 13 Jahren eine Art Imbissstand mit Sonnenschirmen. Mittlerweile ist daraus ein Restaurant mit Bäckerei und eigenem Kleinkunstprogramm geworden.

Naja, sagt Schmitz: „Solange ich hier in meiner Bäckerei bin, ist das kein Problem für mich.“ Erst wenn er die verlasse, werde es für ihn schwierig. Er wirkt jedoch kein bisschen unsicher oder irritiert, eher unbeugsam und entspannt: sich abfinden mit dem, was nicht zu ändern ist. Leben mit einer Erkrankung, die viele Jahre die Augenärzte nicht erkannten, bis die Experten der Uniklinik Tübingen die richtige Diagnose stellten.

„Ich habe es doch nur an den Augen, anderen geht es viel schlimmer“, sagt Schmitz und lehnt sich in der wuchtigen Holzbank der betont rustikalen Bestuhlung unter dem offenen Dach zurück. Seine Burgbäckerei soll sich auch optisch an die Ästhetik der spätmittelalterlichen Wasserburg anpassen.

Neben Backwaren gibt es Gin, Whiskey und ein Kulturprogramm

Hier, auf Burg Satzvey, war Schmitz mit seiner Ehefrau Sabine vor 24 Jahren das erste Mal: „Zur Hexennacht, das hat mir gut gefallen.“ Es passte eben einfach zu ihm: ein bisschen Burgenromantik, ein bisschen Gothic Horror, Heavy Metal-Fan ist er auch. Später fanden sie zusammen, Franz-Josef Graf Beissel zu Gymnich verpachtete ihm die Räume, die Schmitz 2011 auf eigene Kappe ausstattete. Erst waren es einfache Verkaufsstände, Bierzeltgarnituren „und zwei Sonnenschirme“. Später folgten Backstube, Küche und Überdachung des zum Burghof offenen Gastbereiches. 2020 zogen Schmitzens vom Niederrhein nach Satzvey.

Speis und Trank bietet die Burgbäckerei logischerweise, eigenes Brot wird gebacken. Und es gibt eine Menge mehr, als eine „normale“ Bäckerei erwarten lässt. Eine Whiskey- und Gin-Karte gehören dazu, und ein überraschend großes Kleinkunstprogramm mit Autorenlesungen und Live-Musik. Das habe sich alles so im Laufe der Jahre auf Wunsch der Gäste entwickelt, sagt Schmitz, heute Chef eines 20-köpfigen Teams.

Nach Brand und Flut ist der Bäcker immer wieder aufgestanden

Und dann kamen zwei Schicksalsschläge: Ausgerechnet im Coronajahr 2020 wurden durch ein Feuer, ausgelöst durch einen technischen Defekt, Backstube, Küche und Tresenbereich zerstört. Teddy M. Schmitz hatte Glück im Unglück: Er war gut versichert. Sein Verpächter, Graf Beissel zu Gymnich, bot ihm einen Ersatzraum im Burghof an, bis die neue Bäckerei fertig war. An Pfingsten 2021 konnte die Burgbäckerei wiedereröffnen.

Wenige Wochen später kam die Flut. Zehn Zentimeter hoch stand das Wasser im Gastraum, 40 im Lagerraum, mit 80 Zentimetern war die Privatwohnung geflutet. Erneut half der Burgherr, überließ Schmitz kostenlos eine Apartmentwohnung, die Bäckerei nahm schon nach drei Tagen dank des Einsatzes vieler Helfer den Betrieb wieder auf. Schmitz kochte als Dank über Monate kostenlos für die Freiwilligen und Profis, die die Burg von den Flutschäden befreiten.

Er habe damals einfach „eine wunderbare Community“ kennengelernt, sagt Schmitz – das habe sich bis heute so gehalten. Er hatte das Stehvermögen weiterzumachen, denn: „Aufgeben ist keine Option.“ Anderen, Schriftstellern oder Musikern etwa, gehe es doch schlechter, sagt Schmitz. Auch deshalb bietet er ihnen seine kleine Bühne. Bei freiem Eintritt fürs Publikum. „Wenn nur acht Leute kommen, die aber danach glücklich wieder gehen, hat es sich gelohnt“, so Schmitz. Seine Schnitte mache er so nicht, dafür aber bei den Großveranstaltungen.

Weil das alles eher nicht der Normalfall ist, wurde Teddy M. Schmitz in diesem Jahr von der Non-Profit-Organisation „Wunderlandmiliz“ für sein kulturelles Engagement für Kunst abseits des Mainstreams ausgezeichnet. Sie verlieh dem Burgbäcker den „Trotzigen Otter“.


Lesung mit Till Burgwächter

„Die Burg Satzvey – das ist genau meine Sache“, sagt der 48-jährige Till Burgwächter aus Niedersachsen. Der Name ist ein Pseudonym, bei dem es der Schriftsteller und Journalist auch gerne belassen möchte. Burgwächter ist bekennender Wacken-Fan, genauer ein „Wacken-Irrtümer-Zerstörer“. Denn davon handelt eines seiner Bücher, aus denen er jetzt in der Burgbäckerei auf Burg Satzvey las – der Autor war in die Eifel gekommen, obwohl zeitgleich das Festival in Schleswig-Holstein stattfand.

Der größte Irrtum bezogen auf Deutschlands bekanntestes Heavy-Metal-Festival sei laut Burgwächter, dass es dort immer regne: „Das stimmt nicht, ansonsten ist die Sonne brennend heiß und der Boden backt auf.“ Das habe er bei einem seiner bislang 14 Wacken-Besuche schon erlebt, so Burgwächter.

Der Autor Till Burgwächter sitzt in der Satzveyer „Burgbäckerei“ und liest aus einem seiner Bücher.

Till Burgwächter las aus einigen seiner Bücher, unter anderem über das Festival in Wacken.

Sein Klientel sind allerdings längst nicht nur Heavy-Metal-Fans, sondern alle, die neben Nachbarn wohnen. In seinem Buch „111 Gründe, Nachbarn zu hassen“ ist einer der wichtigsten: dass es sie überhaupt gibt. Und so liefert der Trashautor Handreichungen für ein durchaus unfriedliches Nebeneinander. Dabei wäre konsequenterweise ein Eremitendasein die einzig mögliche Alternative. Doch davon will Burgwächter nichts wissen, er schaffe ja sonst den Gegenstand der Betrachtung ab.

Der grantige Metal-Fan und Misanthrop findet für all das auf „40 bis 50 Lesungen“ pro Jahr sein Publikum. Denn unterhaltsam ist so viel Meckerei mit Lust zur Pointe allemal.