Schleiden-Gemünd – Ein schweres Jahr liegt hinter Sabine Pohlen und ihrem Mann Peter Schröder. So viel hat die Flut ihnen genommen: Ihr Vater ist in den Wassermassen ums Leben gekommen. Ihre Nachbarin, mit der sie Wand an Wand in einem Doppelhaus gelebt hatten, und ein junges Mädchen aus der Verwandtschaft ebenfalls.
Ihr Elternhaus und ihr eigenes Zuhause – nur wenige Straßen entfernt voneinander in Malsbenden – sind zerstört. Trotz all der Trauer sind für die Immobilien Entscheidungen zu treffen, die sich jedoch quälend lange und über viele Monate hinziehen. „Auf uns sind Sachen zugekommen, die wir gar nicht vor Augen hatten“, sagt Sabine Pohlen. Nachdem die Statiker für das Haus des Vaters zunächst grünes Licht gegeben haben, senken sie im Winter den Daumen: Die Risse werden von Woche zu Woche offensichtlicher, die Statik hält nicht. Im Februar wird das Haus abgerissen.
Das Haus des Vaters in Gemünd ist abgerissen
Nicht weniger zermürbend ist der Weg zur Entscheidung über die Zukunft ihres eigenen Hauses. Zusagen werden nicht eingehalten, Gespräche mit dem Erben des Nachbarhauses verlaufen zäh. „Wir haben noch nichts erreicht mit all den Anfragen und Anträgen“, lautet das Fazit, als sie die Reißleine ziehen. Ihre Entscheidung steht: Das eigene Haus wird verkauft. Stattdessen baut das Paar auf dem nun leeren Grundstück des Vaters neu.
Doch das hat weitreichende Konsequenzen. Da die Kosten mehr als 50 Prozent über der im Wiederaufbauantrag bewilligten Summe liegen werden, muss das gesamte Verfahren neu gestartet werden. „Wenn die Politiker von unbürokratisch sprechen, habe ich nur ein Lächeln dafür übrig. Wir sehen ja, dass es nicht so ist“, sagt Pohlen: „Es läuft längst nicht alles rund.“
An den kleinen Dingen, die funktionieren, erfreuen
Doch nun können sie nach vorne schauen, wollen sich an den kleinen Dingen, die funktionieren, erfreuen. Etwa daran, dass sie nun einen Bauunternehmer, Architekten und Statiker gefunden haben, die ihnen helfen.
Unter Zeitdruck stehen sie und ihr Mann beim Neubauprojekt glücklicherweise nicht. Sie leben derzeit in Kall, fühlen sich dort gut aufgenommen, haben sich eingelebt und erste Kontakte geknüpft. Lange habe es gedauert, doch inzwischen, so Sabine Pohlen, könne sie auch mal sagen: „Ich fahre nach Hause.“ Den Kontakt nach Malsbenden meidet sie derzeit, dazu ist noch nicht die Zeit.
Die Familie gibt Sabine Pohlen Kraft und Halt
Überhaupt nicht ertragen kann sie, wenn Menschen, die nach der Flut schon viel erreicht haben, trotzdem unzufrieden sind. Ihr großer Halt und die Kraftquelle ist vor allem ihre Familie. Beides hat sie nötig: Nachdem sie wenige Wochen nach der Katastrophe ihre Arbeit wieder aufgenommen hatte, ist ihr das im Moment nicht möglich: „Ich musste aus dem Verkehr gezogen werden.“
Und dann ist da der schwierige 14. Juli. Dass sie das Jahrgedächtnis für ihren Vater und all die anderen, die in der Flutnacht gestorben sind, an der Seite des Bundespräsidenten in der Euskirchener Herz-Jesu-Kirche verbringen würde, hätte sie sich nicht träumen lassen. „Ich gehe nirgendwo hin, will für mich bleiben“, sei der ursprüngliche Plan für den Tag gewesen – bis sie am Montag die Einladung der NRW-Staatskanzlei erhalten habe. „Das würde ich machen – aber mehr für meinen Vater als für mich“, habe sie überlegt.
Begegnung mit Bundespräsident eher enttäuschend
Mit einem guten Gefühl fährt sie mit ihrem Mann nach Euskirchen: Am Donnerstagmorgen hat sie nach Monaten zum ersten Mal die Stimme ihrer Tochter gehört. Die hatte sie – eine psychosomatische Störung infolge der Flut – verloren. Mit der Tochter zu sprechen, ist einer der Lichtblicke in der schweren Zeit.
Doch die Gedenkveranstaltung und vor allem der vorgesehene Austausch mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verlaufen für Sabine Pohlen eher enttäuschend. „Ich habe mich so verloren gefühlt, wie ein netter Statist“, sagt sie rückblickend. Ja, Herr Steinmeier sei sehr nett und respektvoll gewesen. „Sie müssen ja nicht sprechen“, habe er gesagt, als ihr die Tränen gekommen seien, und seine Hand auf ihre gelegt.
Knapp kalkulierte Zeit für Begegnungen
Doch das habe auf sie so gewirkt, als habe er eigentlich keine Zeit, der Trauer Raum zu geben. Ohnehin seien sowohl das Treffen mit den Angehörigen der Verstorbenen vor dem Gottesdienst als auch der Empfang danach im Casino zeitlich sehr, sehr knapp kalkuliert gewesen.
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Es sei gar kein Vergleich zur Gedenkfeier im vergangen Jahr im Düsseldorfer Landtag gewesen: „Da wurden wir so gut aufgenommen. Das war einfach nur schön.“ Es sei viel Zeit für Gespräche gewesen, vor allem das mit Landtagspräsident André Kuper ist Sabine Pohlen in allerbester Erinnerung. Er ist an diesem Donnerstag auch im Euskirchener Casino, erkennt das Gemünder Paar wieder und unterhält sich mit den beiden. Dies und die Unterhaltung mit Schleidens Bürgermeister Ingo Pfennings sowie Frank C. Waldschmidt von den Maltesern, so Sabine Pohlen, haben das Gefühl der Verlorenheit ein kleines bisschen gemildert.