Schleiden-Vogelsang – „Das Cello hat ihr Leben gerettet“, sagte Landrat Markus Ramers bei der Eröffnung einer Ausstellung im Forum Vogelsang, die sich mit dem Leben von Anita Lasker-Wallfisch beschäftigt. Die heute 96-Jährige, die mit ihrer Schwester Renate die Konzentrationslager Auschwitz und Bergen-Belsen überlebt hat und die jetzt in London lebt, ist als „Cellistin von Auschwitz“ berühmt geworden. Die Ausstellung, die bis zum 8. Mai zu sehen ist, soll Kinder mit bunten Zeichnungen von Lukas Ruegensberg und Texten von Barbara Kirschbaum an die Themen Holocaust und Nationalsozialismus heranführen. Sie ist aber auch für Erwachsene interessant, so Schleidens Bürgermeister Ingo Pfennings.
„Gerade von diesem Ort der Verbrecher muss die Botschaft ausgehen, dass es keine Ausgrenzung anderer Menschen geben darf“, sagte Vogelsang-IP-Geschäftsführer Thomas Kreyes. Die Ausstellung sei der Versuch, jüngere Menschen für das Thema zu gewinnen. Kreyes begrüßte Hsiang Wei Chan, die die Gäste mit Einlagen auf dem Cello, dem Instrument von Anita Lasker-Wallfisch, unterhielt.
Zur Person
Geboren in Breslau
Am 17. Juli 1925 wurde Anita Lasker-Wallfisch als eine von drei Töchtern des jüdischen Rechtsanwalts und Notars Alfons Lasker und dessen Ehefrau Edith, einer Geigerin, in Breslau geboren.
Ende 1939 konnte die älteste Schwester Marianne nach England fliehen. Der Plan der Familie, Renate in England und Anita in Frankreich in Sicherheit zu bringen, schlug fehl. 1942 wurden die Eltern deportiert und ermordet, später auch die Großmutter.
Deportation nach Auschwitz mit 18
Im Dezember 1943 wurde Anita Lasker-Wallfisch nach Auschwitz deportiert und Mitglied im Häftlingsorchester unter Leitung von Alma Rosé. Später traf sie dort auch ihre Schwester Renate wieder. Im November 1944 wurden die Schwestern mit anderen Mitgliedern des Orchesters nach Bergen-Belsen verlegt. Am 15. April 1945 befreiten britische Truppen das Lager.
Emigration nach Großbritannien
1946 wanderte Anita Lasker Wallfisch nach Großbritannien aus, zuvor hatte sie in Belgien gelebt. Heute lebt sie in London.
Im Januar 2018 hielt sie eine Rede im Deutschen Bundestag zum Thema Antisemitismus. Ein Jahr später wurde sie von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier für ihren Einsatz gegen Judenhass und Ausgrenzung mit dem Deutschen Nationalpreis ausgezeichnet.
Anfang April 2021 starb ihre Schwester Renate kurz vor ihrem 97. Geburtstag.
Für Ramers waren die Dritt- und Viertklässler der Grundschule Kall, die mit Schulleiterin Marianne Rütt und Lehrerin Maike Wilkens gekommen waren, „die wichtigsten Besucher“ der Ausstellungseröffnung. Ramers ging kurz auf das Leben Lasker-Wallfischs ein und lobte die anschauliche und kindgerechte Ausstellung: „Erst bei genauerem Hinsehen kann man in den Bildern das Grauen und die Verbrechen erkennen.“ Ramers weiter: „Auch heute gibt es Ausgrenzung, Vorurteile und Rassismus und aktuell sogar wieder Krieg.“ Es sei wichtig, dass Lehren aus der Geschichte gezogen werden. Die Grundschüler forderte er auf, auf andere zu achten und sich für Toleranz, Frieden und Freiheit einzusetzen.
Die Kuratorin der Ausstellung, Barbara Kirschbaum, arbeitete früher beim Museumsdienst Köln und war zuständig für die Bildung und Vermittlung am NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln.
„Kinder wissen oft aus Gesprächen von Erwachsenen, durch Stolpersteine oder aus Radio und Fernsehen schon mehr von der NS-Zeit, als viele Erwachsene meinen“, so Kirschbaum. Deshalb sei es wichtig, sich dem Thema schon in der Grundschule anzunähern. Zur Ausstellung, die auch in Schulen gezeigt werden könne, gebe es zehn Erklärkarten mit wichtigen Hinweisen. Anita Lasker-Wallfisch hatte Kirschbaum eine Grußbotschaft geschickt: „Es ist kein Märchen, ich bin noch da und voll Hoffnung, dass man die Welt verändern kann.“
Die Kaller Grundschüler hatten zur Vorbereitung das Kinderbuch von Ruegenberg und Kirschbaum gelesen. Kay (9 Jahre) sagte mit Blick auf die Ausstellung: „Sie ist gut verständlich. Ich bin froh, dass ich das nicht erleben muss.“ Das Bild mit den britischen Panzern, die Bergen-Belsen befreiten, hat Linus (9) imponiert: „Da waren die Schwestern endlich frei.“
Zum Begleitprogramm, das Kirschbaum mit Gabi Harzheim und Sabine Weber ausgearbeitet hat, gehören zwei Lesungen zu Briefen von Lasker-Wallfisch (13. März, 16 Uhr) und zu Alma Rosé (29. April, 17 Uhr) sowie Erinnerungen an Esther Bejarano (6. Mai, 17.30 Uhr), die ebenfalls im Auschwitz-Orchester spielte.