Euskirchen – Angela Merkel, Frank-Walter Steinmeier, Barack Obama, Joe Biden, Leonardo DiCaprio oder auch der Dalai Lama kamen in den Genuss: Eine Privataudienz bei Papst Franziskus im Vatikan ist laut Protokoll nur hochgestellten Persönlichkeiten wie Staatsoberhäuptern, geistlichen Würdenträger, Diplomaten und anderen bedeutenden Persönlichkeiten vergönnt.
Kein Wunder also, dass Dr. Theo Rüber, Gründer und Vorsitzender des Vereins Casa Hogar, die Idee seines Stellvertreters Dominik Michels zunächst als Luftschloss abgetan hat: den Heiligen Vater um ein persönliches Gespräch zu bitten, um ihm die Arbeit der Hilfsorganisation Casa Hogar vorzustellen.
Bildung für Mädchen und Frauen im Chocó
Diese legt ihren Fokus auf Bildung für Mädchen und Frauen im Chocó – einer Region im Nordwesten Kolumbiens, die geprägt ist von infrastruktureller Vernachlässigung, Armut und einem seit Jahrzehnten andauernden gewaltsamen Konflikt zwischen illegalen Banden um natürliche Ressourcen und Drogenrouten.
„2019 wollte der Papst genau diese Region besuchen, aus Sicherheitsgründen war dies aber dann doch nicht möglich“, erzählt Theo Rüber und vermutet, dass dies womöglich ein Schlüssel zu dem war, was niemand für möglich hielt: eine Einladung in den Vatikan zu einer Privataudienz bei Papst Franziskus.
Überzeugungsarbeit beim Nuntius geleistet
Zuvor hatten die engagierten Macherinnen und Macher, die sich hinter dem noch jungen Verein Casa Hogar verbergen, Überzeugungsarbeit beim Nuntius geleistet, dem diplomatischen Vertreter des Heiligen Stuhls in Berlin. „Wir wurden gebeten, einen Brief an den Papst zu formulieren, den er dann mit Empfehlung weiterleiten wollte“, so Rüber.
Als dann im Februar die Sekretärin des Nuntius anrief, machte sie keinen Hehl aus ihrer eigenen Überraschung: „Sie sind mit Abstand die unwichtigsten Menschen, die eine Privataudienz beim Papst erhalten werden“, habe sie Rüber lachend mitgeteilt. Zehn Personen würde man am Pfingstsamstag im Vatikan willkommen heißen.
Wem diese Ehre zuteil werden sollte, fiel den Casa-Hogar-Machern nicht leicht zu entscheiden. „Wir haben eine Auswahlkommission gegründet und beschlossen, dass die, die sich besonders engagieren, mitkommen sollen.“ Für zwei Kolumbianer wurden Flüge aus den Privatschatullen der Vereinsmitglieder gebucht: Sally Asprilla, Leiterin zweier Wohnheime im Chocó, und Bischof Juan Carlos Barreto.
Keine Kniefälle oder Handküsse erwünscht
Schließlich stand die Gruppe fest, die Anfang Juni vom Heiligen Vater empfangen werden sollte. „Wie begrüßt man einen Papst?“, wurde in der Folgezeit häufiger von den Eingeladenen gegoogelt, aber Papst Franziskus lehne Kniefälle oder Handküsse als Zeichen der Ehrerbietung generell ab, wurde man im Vorfeld gewahr. „Wir haben dann beschlossen, dass sich jeder von uns in wenigen Sätzen vorstellt“, erzählt Theo Rüber – und genau so wurde es an dem Tag im Vatikan auch gemacht.
Bereits über 40 Projekte realisiert
Nichtstaatliche Organisation
Casa Hogar ist eine noch junge, nichtstaatliche Organisation zur Entwicklungszusammenarbeit (NGDO) mit Sitz in Bonn, die sich in der kolumbianischen Krisenregion Chocó für die Stärkung von Mädchen und Frauen durch Bildung einsetzt, damit diese frei von Ausbeutung und Missbrauch aufwachsen und ein selbstbestimmtes Leben führen können.
Praktikant im Krankenhaus in Cali
Gegründet wurde Casa Hogar von dem aus Euskirchen stammenden Arzt Dr. Theodor Rüber, der 2015 für einige Wochen als Praktikant in einem Krankenhaus in Cali arbeitete. Das Schicksal der Menschen im Chocó berührte ihn zutiefst. Nach seiner Rückkehr machte er sich mit anderen jungen Leuten daran, die NGDO zu gründen.
Wohnheime und Frauenschutzhaus
Mittlerweile hat Casa Hogar über 40 Projekte umgesetzt. Flaggschiffe sind ein Wohnheim für junge Schülerinnen, zwei Studentinnenheime, ein Frauen-Schutzhaus sowie eine Schule für 500 Kinder, in die der Verein 600 000 Euro investiert hat. (hn)
„Wir sind von einer Marmorhalle in die nächste geführt worden, Gemäuer, die so viele Jahrhunderte Geschichte atmen, und dann kommen wir in diesen Raum, in dem Papst Franziskus in seinem Rollstuhl sitzt und uns allen zur Begrüßung die Hand schüttelt“, erzählt Jule Rüber, seit Jahren für die Buchführung von Casa Hogar verantwortlich. Franziskus habe nichts Kapriziöses ausgestrahlt, vielmehr trat er der Besuchergruppe überaus zugewandt und bodenständig entgegen.
Benefizkonzert
In der Philharmonie
Für Casa Hogar findet am Samstag, 27. August, in der Kölner Philharmonie ein Benefizkonzert statt. Auftreten werden Musikkabarettist Bodo Wartke, die A-cappella-Band Alte Bekannte, Harfenistin Magdalena Hoffmann und der Mädchenchor am Kölner Dom. Der Reinerlös des Abends fließt in die Arbeit von Casa Hogar. Karten gibt es in allen bekannten Vorverkaufsstellen.
Sally Asprilla hatte die Ehre, Papst Franziskus von der krisengeschüttelten Region des Chocó zu berichten, die so in Vergessenheit geraten sei, und von der Kraft der Bildung, die letztlich zur Transformation der Gesellschaft beitragen werde.
Video-Grußbotschaft des Papstes an die Mädchen
Ein Höhepunkt der Audienz bestand darin, dass Theo Rüber dem Papst eine Video-Grußbotschaft der von Casa Hogar betreuten Mädchen überbrachte, die sich Franziskus interessiert auf dem Tablet des Vereinsvorsitzenden ansah. Und auch der Bitte, seinerseits eine Botschaft an die Mädchen und Frauen im Chocó zu senden, kam der Heilige Vater gerne nach (zu sehen auf der Casa-Hogar-Homepage).
Beim Abschied sei es genauso herzlich und unprätentiös zugegangen wie während der gesamten halbstündigen Audienz: „Papst Franziskus hat meine Hand in seinen Händen gehalten und gesagt: ,Beten Sie für mich! Es ist keine leichte Aufgabe’“, erzählt Jule Rüber.
Berichte in Fernsehen und Zeitungen
Die Privataudienz beim Papst war nicht nur für jeden Einzelnen der Reisegruppe ein außergewöhnliches Ereignis. Noch am Abend berichtete das kolumbianische Äquivalent zur hiesigen Tagesschau gleich zu Beginn der Sendung über den Besuch. Die größte Tageszeitung Kolumbiens schrieb am nächsten Tag ihren Aufmacher darüber. „Dass ein Weltführer auf uns zugeht und uns mit der Arbeit im Chocó unterstützt, hat in Kolumbien noch mal eine ganz andere Bedeutung“, weiß Theo Rüber.
Vor knapp zwei Wochen fanden in dem südamerikanischen Land Wahlen statt. Dabei gewann die erste Runde der Kandidat des Linksbündnisses. „Kommendes Wochenende findet die Stichwahl statt. In diesem Kontext ist es für das Ziel unseres Vereins ganz toll, dass die Probleme des Chocó-Gebiets noch einmal so viel Aufmerksamkeit erfahren“, freut sich Theo Rüber.